Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. unangemessene Unterkunfts- und Heizkosten. Anerkennung des Bedarfs für eine Übergangszeit von sechs Monaten. Zwangsversteigerung des selbst genutzten Hausgrundstücks
Leitsatz (amtlich)
Eine Besonderheit des Einzelfalls iS von § 22 Abs 1 S 3 SGB II liegt vor, wenn der bisherige im Leistungsbezug stehende Eigentümer einer selbst genutzten Unterkunft infolge einer Zwangsversteigerung zum Mieter derselben Unterkunft geworden ist und deshalb erhöhte Bedarfe für Unterkunft und Heizung anfallen.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren S 5 AS 1487/19 vom 1. Juni bis zum 30. November 2019 weitere Unterkunftsbedarfe in Höhe von monatlich 285 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller 6/7 seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Dem Antragsteller wird für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung dem Grunde nach ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt gewährt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von weiteren Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetz-buch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).
Der Antragsteller, für den seit dem 16. Januar 2018 Frau ... zur Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Wohnungs-angelegenheiten, Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialleistungen und Rechts-/Antrags- und Behördenangelegenheiten bestellt ist, steht seit Jahren im Leistungsbezug beim Antragsgegner. Er war seit dem Jahr 2005 Eigentümer des von ihm auch gegenwärtig (noch) bewohnten Anwesens mit einer Gesamtwohnfläche von 98 qm und einer Grundstücksfläche von 211 qm. Am 20. März 2019 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die Zusicherung zur Übernahme von Unterkunftsbedarfen für einen zum 1. Mai 2019 geplanten Umzug, legte ein Wohnungsangebot der Wohnungsgenossenschaft ... e.G. für vor und gab an, dass sein Haus am 8. Mai 2019 zwangsversteigert werden solle. Den Antrag lehnte der Antragsgegner mit dem Bescheid vom 30. April 2019 ab, da die angegebenen Unterkunftsbedarfe unangemessen hoch seien. Zugleich teilte der Antragsgegner dem Antragsteller die aus seiner Sicht angemessenen Unterkunftsbedarfe mit und übersandte drei Wohnungsangebote für ... Am 8. Mai 2019 erfolgte die Zwangsversteigerung des Anwesens des Antragstellers. Die ... -Kraftwerke und Liegenschaften AG in ... erstand das Hausgrundstück zu einem Gebot von 27.000 EUR. Am 20. Mai 2019 teilte die Betreuerin dem Antragsgegner die Zwangsversteigerung und einen von der Ersteherin dem Antragsteller angebotenen Mietvertrag zu einem Kaltmietzins von 500 EUR mit. Am 28. Mai 2019 schloss der Antragsteller mit der Ersteherin einen zum 1. Juni 2019 beginnenden Mietvertrag über das von ihm bewohnte Anwesen mit einem Mietzins von 500 EUR und Nebenkosten von 126 EUR, wobei in § 17 des Mietvertrages vereinbart ist, dass "bei Bezug von Hartz 4 dieser Vertrag nur gültig unter der Voraussetzung (sei), dass das Jobcenter die langfristige Abtretungserklärung der monatlichen Gesamtmiete genehmigt". Mit dem Bescheid vom 31. Mai 2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 21. Juni 2019 und 10. Juli 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen unter Berücksichtigung nicht der tatsächlichen, sondern aus Sicht des Antragsgegners angemessenen Bedarfe für Unterkunft und Heizung (Juni 2019: Hauslast: 208,50 EUR Nebenkosten 99,70 EUR und Heizkosten 74 EUR und Juli 2019 bis Mai 2020: Hauslast: 208,50 EUR Nebenkosten 58,50 EUR und Heizkosten 74 EUR).
Dagegen hat der Antragsteller am 2. August 2019 vor dem Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und die Änderung der Bewilligung mit dem Ziel der Übernahme der tatsächlichen Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2019 begehrt. Die Klage ist beim SG Halle unter dem Aktenzeichen S 5 AS 1487/19 anhängig.
Am 6. September 2019 hat der Antragsteller beim SG Halle um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt. Ihm drohe am 10. September 2019 die Zwangsräumung, die mit einem wirksamen Mietvertrag bzw. der Übernahme der tatsächlichen Unterkunftsbedarfe vom 1. Juni bis zum 31. Dezember 2019 abgewendet werden könne. Unter dem 18. Oktober 2019 hat der Antragsteller den Antrag, soweit er den Monat Dezember 2019 betrifft, zurückgenommen.
Der Antragsteller beantragt zuletzt schriftsätzlich sinngemäß, den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache weitere Leistungen nach dem SGB II für Juni bis November 2019 in Höhe von monatlich 285 EUR zu zahlen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
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