Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. lebensbedrohliche Erkrankung. Zumutbarkeit der stationären Unterbringung

 

Leitsatz (amtlich)

Die stationäre Unterbringung einer schwerstkranken Person ist trotz lebensbedrohlicher Situation in der Vergangenheit nicht unzumutbar, wenn das Heim technische Vorkehrungen getroffen hat, die ein ähnliches Ereignis ausschließen.

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller (Ast.) begehrt die Übernahme ungedeckter Betreuungskosten für Leistungen der ambulanten Pflege in Höhe von zurzeit € 6143,30 monatlich durch den Antragsgegner (Ag).

Der am XX.XX.1937 geborene Ast., der durch seine Tochter gesetzlich betreut wird, leidet seit November 2001 an amyotropher Lateralsklerose (ALS), einer progressiven degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems, die stets tödlich endet. Er ist mittlerweile nahezu vollständig gelähmt und kann lediglich mit der rechten Hand geringfügige Bewegungen ausführen. Bei dem Ast. ist ein Luftröhrenschnitt durchgeführt worden; die entstandene Öffnung in Hals und Luftröhre wird durch eine Trachealkanüle offen gehalten. Zugleich ist der Ast. an ein Beatmungsgerät angeschlossen. Die Nahrungsaufnahme erfolgt mittels einer Ernährungssonde. Da der Ast. zudem nicht mehr sprechen kann, ist eine Kommunikation nur über Augenkontakt möglich. Der Ast. ist im Besitz seiner geistigen Kräfte. Er leidet unter Depressionen, ausgelöst durch seine Krankheit.

Bis August 2003 lebte der Ast. zu Hause in F., Kreis D., und wurde auch dort versorgt. Seit 10.12.2004 lebt der Ast. auf einer Station für Schwerst-Schädelhirnverletzte in der Pflegeeinrichtung p & w A. in H.. Rückwirkend zum 10.12.2004 wurde der Ast. durch Bescheid seiner Pflegekasse vom 21.02.2005 in die Pflegestufe III eingestuft. Seit 01.11.2003 werden die durch Kranken- und Pflegekasse ungedeckten Kosten für die vollstationäre Unterbringung vom Ag. übernommen. Zurzeit erbringt der Ag. Leistungen im Umfang von € 2.488,47 monatlich.

In der Zeit vom 23.12. - 27.12.2004 befand sich der Ast. im Allgemeinen Krankenhaus H.- B. (AKB). Die Aufnahme war erforderlich geworden, da es zu einer Störung der Sauerstoffversorgung gekommen war. Die Entlassungsbericht des AKB vom 27.12.2005 spricht u. a. von einer “akuten respiratorischen Insuffizienz bei Bedienungsfehler des Heimbeatmungsgerätes„. Es habe sich eine fehlerhafte Verbindung der Beatmungsschläuche des Heimbeatmungsgerätes gezeigt. Der zuständige Gerätebetreuer habe das Gerät noch im AKB wieder funktionstüchtig instand setzen können. Zur intensiven Geräteeinweisung und Unterweisung des Pflegepersonals des Pflegeheims in der korrekten Bedienung des Beatmungsgerätes sei der Gerätebetreuer am 23.12.2004 im Pflegeheim p & w A. gewesen. Der Ast. leidet nach Angaben seiner Betreuerin seit diesem Vorfall an dauerhaften Angstzuständen, die sich in psycho-vegetativen Erschöpfungszuständen bemerkbar machen.

Weitere, u. a. durch mangelnde Sauerstoffsättigung infolge verschleimter Bronchien bedingte Aufenthalte im AKB wurden notwendig im Januar, Februar, März, Juni und August 2005. Eine weitere Einweisung vom 23.07. - 29.07.2005 beruhte nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten darauf, dass die Trachealkanüle herausgerutscht war, so dass es zu Beatmungsstörungen gekommen war. Nach Angaben der Betreuerin habe sich der Ast. nicht bemerkbar machen können, da er zu dieser Zeit noch eine normale Notrufklingel gehabt habe.

Am 03.07.2005 stellte die Betreuerin des Ast. beim Ag. den Antrag, entstehende Kosten für eine ambulante 24-Stunden-Pflege zu übernehmen, soweit diese nicht von Kranken- und Pflegekasse übernommen würden. Es sei beabsichtigt, für den Ast. eine behindertengerechte Wohnung in H. anzumieten. Beigereicht wurde eine fachärztliche Bescheinigung des behandelnden Neurologen vom 28.06.2005, wonach der Ast. seelisch unter seiner Krankheit leide und sich die beabsichtigte ambulante Versorgung in einer Privatwohnung auf das psychische Befinden des Ast. stabilisierend und sogar befundverbessernd auswirken dürfte.

Einem Kostenvoranschlag des ambulanten Pflegedienstes “D. G.„ GbR vom 27.07.2005 zufolge würde sich bei einer 24-Stunden-Versorgung unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von € 32,00 ein Tagessatz von € 768,00 ergeben. Bei 31 Tagen entstünden monatliche Kosten i. H. v. € 23.808,00.

Die Betreuerin des Ast. führte im Schreiben an den Ag. vom 09.08.2005 aus, der psychische Zustand des Ast. habe sich seit seiner Aufnahme in das Pflegeheim zusehends verschlechtert, da er häufig allein auf seinem Zimmer liege und denke, er müsse ersticken. Es sei zudem nicht sichergestellt, dass der Ast. ausreichend versorgt werde. Dies sei nur dann der Fall, wenn eine Pflegekraft 24 Stunden an seinem Bett oder in unmittelbarer Nähe sei, um sich um den Ast. und das Beatmungsgerät zu kümmern. In der gegenwärtigen Situation sei der Ast. auf eine in seine Hand gele...

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