Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. kein Leistungsberechtigter iS des § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG. Grundsicherung für Arbeitsuchende. kein Leistungsausschluss. Niedersächsische Bleiberechtsregelung 2009. Aufenthaltserlaubnis auf Probe. Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs 4 AufenthG 2004. Kollisionsnorm des § 1 Abs 2 AsylbLG. Bindung an Entscheidungen der Ausländerbehörde. Neugeborene keine Leistungsberechtigten gem § 1 Abs 1 Nr 5 AsylbLG
Leitsatz (amtlich)
1. Inhaber einer nach der Bleiberechtsregelung 2009 gem § 23 Abs 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) erteilten Aufenthaltserlaubnis auf Probe sind nicht nach dem AsylbLG, sondern nach dem SGB 2 oder SGB 12 leistungsberechtigt.
2. Die Leistungsberechtigung nach dem SGB 2 oder SGB 12 besteht weiter für die Zeit, in denen die so erteilte Aufenthaltserlaubnis auf Probe aufgrund eines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages gem § 81 Abs 4 AufenthG (juris: AufenthG 2004) fort gilt.
3. Bei § 1 Abs 2 AsylbLG handelt es sich nach Sinn und Zweck der Vorschrift nur um eine Kollisionsnorm für den Fall, dass ein bislang nicht nach dem AsylbLG leistungsberechtigter Inhaber einer nicht in § 1 Abs 1 Nr 3 AsylbLG genannten Aufenthaltserlaubnis infolge der Stellung eines Asyl-(folge-)antrages hierdurch nach § 1 Abs 1 AsylbLG leistungsberechtigt würde.
4. Die für die Bewilligung von Sozialleistungen zuständige Behörde ist auch an mit dem AufenthG (juris: AufenthG 2004) nicht in Einklang zu bringende, die leistungsrechtlich relevante Situation des betroffenen Ausländers jedoch beeinflussende Entscheidungen der Ausländerbehörde gebunden. Rechtlich unklare oder zweifelhafte Handlungsformen der Ausländerbehörde dürfen leistungsrechtlich dem betroffenen Ausländer nicht zum Nachteil reichen.
5. Im Bundesgebiet Neugeborene, die in den Anwendungsbereich des § 33 AufenthG (juris: AufenthG 2004) fallen, sind nicht nach § 1 Abs 1 Nr 5 AsylbLG leistungsberechtigt. Der Auffangtatbestand des § 1 Abs 1 Nr 6 AsylbLG kommt auch nicht zur Anwendung, wenn der personensorgeberechtigte Haushaltsvorstand kein Leistungsberechtigter nach dem AsylbLG ist.
Tenor
Der Antragsgegner zu 2. wird einstweilen verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung sowie unter Anrechnung der vom Antragsgegner zu 1. aufgrund des Hängebeschlusses der Kammer vom 4. März 2011 bereits gezahlten Grundleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab dem 4. März 2011 bis zur Entscheidung über den bei ihm anhängigen Widerspruch der Antragsteller vom 14. März 2011 - W 241/11 - gegen seinen ablehnenden Bescheid vom 25. Februar 2011 Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller unter entsprechender Abänderung des Hängebeschlusses der Kammer vom 4. März 2011 abgelehnt.
Der Antragsgegner zu 2. hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in dem Umfang zu erstatten, wie sie bei einem nur gegen den Antragsgegner zu 2. gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahren angefallen wären. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten zwischen den Beteiligten nicht statt.
Gründe
I.
Der 1973 geborene Antragsteller zu 1. ist kosovarischer Staatsangehöriger und eigenen Angaben, zuletzt aus dem Jahre 2005, zufolge Volkszugehöriger der Roma. Er reiste im Jahre 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte unter der Vorgabe, albanischer Volkszugehöriger zu sein, erfolglos seine Anerkennung als Asylberechtigter. Ebenso erfolglos blieb ein im Jahre 2000 durchgeführtes Asylfolgeverfahren, vgl. Urteil des VG Göttingen vom 12.02.2004 - 3 A 3208/02 -. Im Anschluss hieran wurde der weiterhin passlose Antragsteller zu 1. zunächst vom Antragsgegner zu 1. - zuständige Ausländerbehörde und zuständiger Leistungsträger nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) - geduldet, ehe dieser ihm am 01.08.2008 eine bis zum 15.02.2009 gültige Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" gemäß § 104a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilte. Selbige verlängerte er unter dem 16.02.2009 bis zum 15.05.2009 und nachfolgend unter dem 11.05.2009 bis zum 31.08.2009. Über den unter dem 20.08.2009 gestellten weiteren Verlängerungsantrag, in dem der Aufenthaltszweck nicht angegeben, das Begehren auf Gestattung der weiteren Erwerbstätigkeit jedoch ersichtlich ist, entschied der Antragsgegner zu 1. aufgrund eines gegen den Antragsteller zu 1. seinerzeit laufenden, später (im Februar 2010) nach § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zunächst nicht, sondern erteilte erstmals am 02.09.2009 eine auf § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gestützte Fiktionsbescheinigung, die er jeweils quartalsweise verlängerte. Den Fiktionsbescheinigungen war die Nebenbestimmung beigefügt, die Erwerbstätigkeit sei gestattet. Erst auf weiteren schriftlichen, insbesondere auf § 23 Abs. 1 AufenthG gestützten Antrag des Antragstellers zu 1. vom 07.06.2010 erteilte der Antra...