Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Analogleistung. Neubeginn der Vorbezugszeit des § 2 Abs 1 AsylbLG auch bei nur vorübergehendem Verlassen des Bundesgebietes. Nichtbeachtung der für eine ordnungsgemäße Aus- und Wiedereinreise geltenden ausländerrechtlichen Bestimmungen. Anwendbarkeit des § 12 Abs 5 S 1 AufenthG 2004
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorbezugszeit von 48 Monaten gem § 2 Abs 1 AsylbLG muss bei einem vorübergehenden Auslandsaufenthalt des Analog-Leistungsberechtigten nach dessen Wiedereinreise in die Bundesrepublik von ihm nur dann nicht von Neuem erfüllt werden, wenn bei objektiver Betrachtungsweise dieser Auslandsaufenthalt seiner Natur nach von vornherein bloß vorübergehend und mit erkennbarem Rückkehrwillen des Analog-Leistungsberechtigten erfolgte sowie die Aus- und Wiedereinreise in einem ordnungsgemäßen, den ausländerrechtlichen Bestimmungen entsprechenden Verfahren durchgeführt wurde.
2. Die Erteilung einer Verlassenserlaubnis gem § 12 Abs 5 S 1 AufenthG (juris: AufenthG 2004) ist kein geeignetes Mittel zur Regelung von vorübergehenden Auslandsaufenthalten und damit verbundenen Grenzübertritten eines Ausländers (entgegen LSG Schleswig vom 13.4.2011 - L 9 AY 54/11 B ER = ZFSH/SGB 2011, 492).
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 5. Dezember 2011 wird abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
Der nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Antragsgegnerin des Inhalts, diese einstweilen bis zur Entscheidung in der bei der Kammer unter dem Aktenzeichen S 42 AY 135/11 anhängigen Hauptsache zur vorläufigen Gewährung von sog. Analog-Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ab dem 22.09.2011 zu verpflichten, weil die von der Antragsgegnerin bis zur Ausreise nach Belgien am 14. oder 22.08.2011 langjährig und seit der Wiedereinreise am 27. oder 30.08.2011 erneut geduldeten, passlosen Antragsteller, eigenen Angaben zufolge Roma aus dem Kosovo, bis zur Einstellung der Zahlungen am 15.08.2011 sog. Analog-Leistungen bezogen hätten und dieser besondere Leistungsstatus durch den kurzzeitigen (ca. 8 Tage), mit vorheriger - polizeilich vermittelter - Information des und Billigung durch den Fachdienstleiter der Ausländerbehörde (ABH) der Antragsgegnerin herbeigeführte Aufenthalt in Belgien nicht entfallen sein könne, ist unbegründet, denn die Antragsteller haben keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund für ein derartiges Begehren glaubhaft gemacht, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Die Antragsteller haben für ihr auf die Ausführungen des Bundessozialgerichtes (BSG) in seinem Urteil vom 24.03.2009 - B 8 AY 10/07 R -, FEVS 61, S. 49 ff., gestütztes Begehren auf Wiederaufnahme der Zahlung sog. Analog-Leistungen ab ihrer Wiedereinreise in die Bundesrepublik keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, denn bei der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage, insbesondere nach der von der Kammer am 13.09.2011 telefonisch eingeholten Stellungnahme des Fachdienstleiters der ABH der Antragsgegnerin sowie nach Sichtung der von ihr vorgelegten Verwaltungsakten, ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme, die Ausreise der Antragsteller nach Belgien und der dortige kurzzeitige Aufenthalt bei ihren Verwandten seien - trotz Asylantragstellung in Belgien am 22.08.2011 - ihrer Natur nach (von vorn herein) bloß vorübergehend gewesen, sodass ein Ausnahmefall i.S.d. Ausführungen des BSG vorliege (vgl. BSG, Urteil vom 24.03.2009, a.a.O., zit. nach juris Rn. 17 a.E.), d.h. im Fall der Antragsteller beginne mit ihrer Wiedereinreise die Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG von 48 Monaten nicht erneut zu laufen.
Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist streitig und für die erkennende Kammer derzeit offen (ggf. müsste bei Entscheidungserheblichkeit in der anhängigen Hauptsache S 42 AY 135/11 eine Beweisaufnahme mit Zeugenvernehmung durchgeführt werden), ob die Antragsteller tatsächlich von vorn herein bloß vorübergehend für kurze Zeit und mit Rückkehrwillen aus der Bundesrepublik Deutschland ausgereist sind und sich in Belgien bei ihren Verwandten aufgehalten haben. Dagegen spricht zum einen der Umstand, dass sie in Belgien am 22.08.2011 um Asyl nachgesucht haben. Die Motive der Antragsteller für die Beantragung von Asyl in Belgien, insbesondere die von ihnen geltend gemachte Veranlassung durch die dortigen Behörden, sind insoweit unerheblich. Entscheidend ist vielmehr der in der Asylantragstellung objektiv erkennbar zum Ausdruck kommende Wille der Antragsteller, endgültig aus der Bundesrepublik Deutschland ausreisen und nunmehr in Belgien (weiteren) Schutz vor politischer Verfolgung suchen zu wollen, mithin ihren dortigen Aufenthalt legalisieren und ggf. durch Erlangung eines Aufenthaltstitels infolge Anerkennung als Asylberechtigte v...