Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft. Anforderung an die Wirksamkeit eines schlüssigen Konzepts zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenzen von Unterkunftskosten. Ermittlung angemessener Unterkunftskosten bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts
Orientierungssatz
1. Bei einem in Bezug auf Bevölkerungsdichte und Sozialstruktur heterogenen Landkreis muss der Vergleichsraum für die Ermittlung angemessener Unterkunftskosten für ein schlüssiges Konzept eines Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht notwendig das gesamte Kreisgebiet umfassen. Bei der Festlegung der Vergleichsräume innerhalb eines Landkreises sind aber diese Räume so zu bilden, dass eine ausreichend große Anzahl an Wohnbebauung enthalten ist, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe, der im gebildeten Raum verfügbaren Infrastruktur und insbesondere auch der verkehrstechnischen Verbundenheit einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet.
2. Fehlt es an einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende, ist auf die Tabellenwerte des Wohngeldgesetzes nur ausnahmsweise dann zurückzugreifen, wenn es an Daten zum Wohnungsmarkt fehlt, die es dem Grundsicherungsträger oder dem Gericht ermöglichen, selbst Feststellungen zu den angemessenen Unterkunftskosten zu treffen.
3. Einzelfall zur Ermittlung der Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bei Fehlen eines schlüssigen Konzepts durch das Sozialgericht unter Nutzung von Wohnungsmarktdaten.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 07.05.2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09.07.2012 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 608,00 € zzgl. Heizkosten zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Beklagte trägt 40 % der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Sie wohnten im streitgegenständlichen Zeitraum und wohnen noch heute in einer 79,65 qm großen Wohnung in H…, Amt Moorrege. Die Nettokaltmiete hierfür beträgt 570,00 €, die Nebenkostenvorauszahlung 80,00 € monatlich.
Auf entsprechenden Weiterbewilligungsantrag waren den Klägern mit Bescheid vom 08.09.2011 Leistungen für den Zeitraum November 2011 bis einschließlich April 2012 bewilligt worden. Nach Erlass mehrere Änderungsbescheide erging am 07.05.2012 der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten für den Zeitraum März bis einschließlich April 2012. Mit diesem rechnete der Beklagte das durch die Klägerin zu 1) erzielte Einkommen aus verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen an. Die Leistungen wurden vorläufig bewilligt. Der Beklagte berücksichtigte hierbei Kosten für Unterkunft und Heizung von insgesamt 674,78 €.
Hiergegen erhoben die Kläger am 07.06.2012 Widerspruch, den sie nicht weiter begründeten.
Unter dem 09.07.2012 erging daraufhin der Widerspruchsbescheid des Beklagten mit dem der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Bescheid sei eingehend überprüft worden. Er entspreche den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen.
Hiergegen haben die Kläger am 13.08.2012 Klage beim Sozialgericht Itzehoe erhoben. Zur Begründung führen sie aus, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft seit Juni 2011 770,00 € betragen hätten, der Beklagte aber nur 674,78 € seiner Leistungsbewilligung zu Grunde gelegt hätte. Dieser Kürzung liege kein schlüssiges Konzept des Beklagten zu Grunde.
Die Kläger beantragen,
1. den Beklagten unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 07.05.2012 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 09.07.2012 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Bruttokaltmiete von 650,00 € zzgl. Heizkosten zu gewähren,
2. die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und meint der Kürzung der gewährten Kosten der Unterkunft liege ein schlüssiges Konzept zu Grunde.
Am 16.11.2012 ist sodann ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten für den Zeitraum März und April 2012 ergangen, mit welchem die ausgezahlten Leistungen wegen des durch die Klägerin zu 1) erzielten Einkommens teilweise zurückgefordert wurden. Diesen greifen die Kläger nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Die Bescheide des Beklagten verletzen die Kläger in ihren Rechten, soweit ihnen nicht höhere Unterkunftskosten gewährt wurden. Die Bescheide waren daher abzuändern und der Beklagte zu verurteilen, höhere Kosten der Unterkunft – allerdings nur bis zu einem Betrag von 608,00 € bruttokalt monatlich – zu gewähren.
Die Kläge...