Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Impfschadens wegen einer auf einer Schutzimpfung beruhenden Intelligenzminderung
Orientierungssatz
1. Für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Schädigungsfolge genügt nach § 61 S. 1 IfSG der Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit. Kommen auch impfunabhängige Ursachen in Betracht, so reicht es für die Wahrscheinlichkeit aus, wenn die Impfung zum Eintritt des Erfolgs zumindest annähernd gleichzeitig beigetragen hat.
2. Die von der beim Robert-Koch-Institut eingerichteten ständigen Impfkommission entwickelten Kriterien stellen den aktuellen Stand der Wissenschaft zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion von einer über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehenden Schädigung dar.
3. Ist eine über die normale Impfreaktion hinausgehende gesundheitliche Schädigung nach einer Schutzimpfung nicht nachgewiesen, ist insbesondere keine ungewöhnliche Fieberreaktion auf die Impfung erfolgt, so ist die Wahrscheinlichkeit eines Impfschadens zu verneinen.
4. Die Voraussetzungen einer Kannversorgung nach § 60 Abs. 1 i. V. m. § 61 S. 2 IfSG sind zu verneinen, wenn eine Impfkomplikation nicht nachgewiesen ist. Mit der Kannversorgung kann das Fehlen einer Primärschädigung nicht geheilt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Impfschadens und die Gewährung von Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wegen einer darauf beruhenden Intelligenzminderung.
Der am ... März ... geborene Kläger ist am ... Oktober ... gegen Pocken geimpft worden und hat darauf mit Fieber reagiert. Später machten sich Entwicklungsstörungen bei ihm bemerkbar. Nach einer Wiederholung der ersten Klasse konnte er wegen schulischer Probleme am Ende der zweiten Klasse nicht versetzt werden. Daraufhin erfolgte ... eine pädagogische-psychologische Prüfung, die einen Intelligenztest und eine Schulleistungsprüfung umfasste und empfahl, den Kläger in die zweite Klasse einer Sonderschule umzuschulen. Nach der Schule absolvierte er eine Lehre zum Gärtnereifachwerker und ist in diesem Beruf bis heute tätig.
Am ... März ... beantragte er die Feststellung einer Schädigungsfolge nach dem Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz und legte seinen Impfpass vor. Das Versorgungsamt leitete den Antrag an das Landesamt für Gesundheit und Soziales in ... weiter. Dies zog Befundunterlagen des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. ... bei und ließ von dem Nervenarzt Dr. ... ein Gutachten nach Aktenlage erstellen. Dr. ... kam zu dem Ergebnis, dass ein Impfschaden zwar möglich sei, es für eine anzunehmende Wahrscheinlichkeit jedoch an Daten fehle. In einem anschließend eingeholten Kausalitätsgutachten nach Aktenlage kam der Arzt für Mikrobiologie und Kinder/-Jugendmedizin Dr. ... zu dem Ergebnis, dass trotz der spärlichen Informationslage ein Impfschaden eher unwahrscheinlich sei.
Durch Bescheid vom ... Mai ... lehnte das Landesamt für Gesundheit und Soziales in ... den Antrag ab. Seinen hiergegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger u.a. damit, dass bilddiagnostisch eine diskrete Seitenasymmetrie festgestellt worden sei, die Dr. ... zufolge durch einen frühkindlichen Impfschaden entstanden sein könne. Nach Aussagen seiner Mutter habe er im Anschluss an die Pockenimpfung sehr hohes Fieber gehabt und in dieser Phase beide Augen derart verdreht, dass man die Pupillen nicht mehr gesehen habe. Auch nach Auffassung von Dr. ... sei eine Impfencephalopathie (Impf-Gehirnentzündung) mit nachfolgender Entwicklungsverzögerung möglich.
Die Beklagte hörte erneut ihren ärztlichen Dienst an und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom … Januar ... als unbegründet zurück.
Der Kläger hat hiergegen am ... Januar ... Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhoben.
Er trägt vor, nach der Pockenimpfung ca. 1 bis 2 Tage hohes Fieber gehabt und die Augen verdreht zu haben. Seine Mutter habe die behandelnden Ärzte zu Rate gezogen, die allerdings mittlerweile verstorben seien. Da es ihm am nächsten Tag wieder besser gegangen sei, seien von ärztlicher Seite keine Untersuchungen hinsichtlich eines Impfschadens erfolgt. Nach den Erinnerungen seiner Mutter sei seine frühkindliche Entwicklung bis zu diesem Vorfall “bilderbuchartig„ gewesen. Zur Begründung hat der Kläger Auszüge aus seiner Schulakte der Sonderschule ... vorgelegt, die u.a. eine Entwicklungsbeschreibung seiner Mutter von ... und ein pädagogisch-psychologisches Gutachten enthält.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom ... Mai ... in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Januar ... zu verurteilen, bei ihm einen Impfschaden festzustellen und ihm Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz ab ... März ... zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im Widerspruchsverfa...