Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Pflicht des Grundsicherungsträgers zur Erteilung einer Zusicherung. Erforderlichkeit des Umzugs wegen Ausübung des Umgangs- und Sorgerechts für Kinder. Angemessenheit der Unterkunftskosten der neuen Unterkunft. Zusicherung des Darlehens für die Mietkaution
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft hat der Leistungsträger ein schlüssiges Konzept aufzustellen.
2. Legt der Leistungsträger im Rahmen der Auswertung des Wohnungsmarktes lediglich Wohnungen des sogenannten einfachen Wohnungssegments zugrunde, muss er zwingend definieren, was er unter einem einfachen Segment versteht.
Orientierungssatz
1. Die Erteilung einer Zusicherung iS des § 22 Abs 2 SGB 2 kann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes geltend gemacht werden.
2. Der Grundsicherungsträger ist zur Erteilung der Zusicherung gem § 22 Abs 2 S 2 SGB 2 verpflichtet, wenn sich zwei Kinder des Hilfebedürftigen zumindest mehrere Tage in der Woche im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechts bzw geteilten Sorgerechts in der Wohnung aufhalten, so dass statt der Wohnflächengrenze für einen Einpersonenhaushalt diejenige für einen Zweipersonenhaushalt anzuerkennen ist, und wenn die Unterkunftskosten für die neue Unterkunft die - bei Fehlen eines schlüssigen Konzeptes - unter Heranziehung der Wohngeldtabelle zu ermittelnde Angemessenheitsgrenze nicht überschreiten.
3. Der Umstand, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs 3 SGB 2 ein "Soll-Ermessen" des Grundsicherungsträgers besteht, hat zur Folge, dass die Zusicherung hinsichtlich einer Mietkaution nur in atypischen Fällen verweigert werden darf.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern die Zusicherung für die Unterkunftskosten der Wohnung in der B-Straße in A-Stadt und die Zusicherung der Mietkaution für diese Wohnung in Höhe von 560,00 € als Darlehen zu erteilen.
Die Antragsgegnerin hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der 1984 geborene Antragsteller zu 1) ist der Vater der Antragstellerinnen zu 2) und zu 3) und lebt von der Mutter der Antragstellerinnen getrennt. Die Antragstellerinnen wurden im Jahr 2006 und im Jahr 2008 geboren. Der Antragsteller zu 1) und die Mutter der Antragstellerinnen, Frau D. A., nehmen die elterliche Sorge für ihre beiden Kinder gemeinsam wahr (Bl. 128 ff. Verwaltungsakte).
Der Antragsteller zu 1) wohnt derzeit in einer Wohnung in der A-Straße in A-Stadt. Die Wohnung ist 50 Quadratmeter groß. Ausweislich des Mietvertrags vom 31.03.2005 musste der Antragsteller ursprünglich für die Wohnung eine Miete inklusive kalter Nebenkosten in Höhe von 300,00 € und zusätzlich eine Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50,00 € entrichten (Bl. 7 Verwaltungsakte). Der Vermieter des Antragstellers hob die Grundmiete inklusive der kalten Nebenkosten dann zum 01.03.2007 auf 325,00 (Bl. 11 Verwaltungsakte) und zum 01.03.2010 auf 335,00 € zuzüglich einer Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 60,00 € auf insgesamt 395,00 € an (Bl. 122 Verwaltungsakte).
Die Beklagte gewährt dem Antragsteller zu 1) jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von 307,00 € für die Kosten der Unterkunft und Heizung (Bl. 156 Verwaltungsakte).
Am 30.03.2010 stellte der Antragsteller zu 1) einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II (Bl. 115 Verwaltungsakte). In dem Antragsformular gab er an, dass seine beiden Kinder, die Antragstellerinnen zu 2) und zu 3), zu ihm gezogen seien.
Der Antragsteller legte der Antragsgegnerin am 30.04.2010 eine von ihm und Frau A. unterzeichnete “Erklärung zum Umgang„ vom 26.04.2010 vor, der zu entnehmen ist, dass die Antragstellerinnen zu 2) und zu 3) zu 50 % in der Wohnung des Antragstellers zu 1) in der A-Straße leben. Hinsichtlich der genauen Vereinbarung der Aufenthalts- und Übernachtungszeiten wird auf die Erklärung Bezug genommen (Bl. 160 Verwaltungsakte).
Ausweislich eines Vermerks der Antragsgegnerin vom 21.05.2010 sei auf Grund des vorgelegten Nachweises über das Umgangsrecht mit zwei Kindern davon auszugehen, dass bei der Festsetzung der Kosten der Unterkunft und Heizung ein Betrag für einen Zweipersonenhaushalt zugrunde zu legen sei. Der Antragsteller habe die zuständige Sachbearbeiterin am 30.04.2010 auf einen geplanten Umzug angesprochen und ein Mietangebot in der C-Straße in A-Stadt vorlegt, woraufhin man ihm mitgeteilt habe, dass die Miete nicht von den Pauschalen der Antragsgegnerin erfasst sei. Das von seinem Prozessbevollmächtigten benannte Mietangebot in der B-Straße in A-Stadt sei ebenfalls nicht angemessen. Eine Zustimmung zum Umzug werde nicht gegeben (Bl. 161 Verwaltungsakte). Ausweislich handschriftlicher Notizen der Antragsgegnerin ist die Wohnung in der B-Straße 69 Quadratmeter groß. Die Grundmiete beträgt 280,00 €. Hinzu kommen kalte Ne...