Entscheidungsstichwort (Thema)
KVdR. Bemessung der Beiträge nach allgemeinem Beitragssatz. Belastung mit vollem Pflegeversicherungsbeitrag. zusätzlicher Beitragssatz in der Krankenversicherung. Rentenversicherung. unterbliebene Rentenanpassung aufgrund Einführung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors. keine Verstöße gegen Verfassungsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Es verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Vorschriften, dass für die Bemessung der Beiträge Versicherungspflichtiger aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung der allgemeine Beitragssatz der Krankenkasse gilt.
2. Die Neuregelung des § 59 Abs 1 S 1 SGB 11 ab 1.4.2004 verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
3. Es ist nicht verfassungswidrig, dass auch versicherungspflichtige Rentner von der Einführung des zusätzlichen Beitragssatzes zur gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 241a SGB 5 erfasst werden.
4. Die Einführung des so genannten Nachhaltigkeitsfaktors zum 1.7.2005 verstößt weder gegen Art 14 Abs 1 GG noch gegen das Sozialstaatsprinzip.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, a) ob die Beklagte verpflichtet ist, ab 01.04.2004 bei der Berechnung der von der Rente des Klägers zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträge den ermäßigten Beitragssatz zugrunde zu legen, b) ob der Kläger ab dem 01.04.2004 den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen muss, c) ob die Beklagte verpflichtet ist, die Rente des Klägers ab 01.07.2005 zumindest in Höhe der Inflationsrate anzupassen und d) ob der Kläger ab 01.07.2005 verpflichtet ist, einen zusätzlichen Krankenversicherungsbeitrag von 0,9 % zu zahlen.
Der 1930 geborene Kläger bezieht seit 01.06.1993 Altersrente für langjährig Versicherte von der Beklagten (Bescheid vom 19.03.1993) und ist sowohl in der Krankenversicherung der Rentner als auch in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V sowie § 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI). Er ist Mitglied der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) bzw. der DAK - Pflegekasse -. Aufgrund der Pflichtversicherung wurden von der Rente des Klägers Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe des allgemeinen Beitragssatzes und (ab 01.01.1995) Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung einbehalten. Der einbehaltene Betrag entsprach dabei 50 % des Krankenversicherungs- bzw. Pflegeversicherungsbeitrages. Die Beklagte übernahm die andere Hälfte des Beitrages und führte den Gesamtbeitrag ab (§§ 249 a, 255 Absätze 1 und 3 SGB V, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).
Mit Bescheid vom 08.03.2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ab 01.04.2004 aus der Rente Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 % einzubehalten seien (voller Pflegeversicherungsbeitrag) und die bisherige Feststellung über die Einbehaltung des Beitrags zur Pflegeversicherung mit Wirkung vom 01.04.2004 aufgehoben werde. Ferner legte die Beklagte für die Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung ab 01.04.2004 einen Beitragssatz in Höhe von 14,7 % zugrunde. Dies entsprach wie bisher dem allgemeinen Beitragssatz der DAK.
Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger einerseits gegen die Heranziehung zur vollen Beitragszahlung zur Pflegeversicherung, andererseits begehrte er eine Beitragsberechnung zur Krankenversicherung nicht nach dem allgemeinen Beitragssatz, sondern nach dem ermäßigten Beitragssatz, da dieser Beitragssatz für Mitglieder der Krankenversicherung gelte, die keinen Anspruch auf Krankengeld hätten. Da pflichtversicherte Rentenbezieher keinen Anspruch auf Krankengeld hätten, müsse auch für sie der ermäßigte Beitragssatz zur Grundlage der Beitragserhebung gemacht werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2004, als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 04.11.2004 zum Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Die durch Artikel 6 des 2. Gesetzes zur Änderung des SGB VI vom 27.12.2003 vorgenommene Änderung des § 59 Abs. 1 SGB XI dahingehend, dass die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung aus der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ab 01.04.2004 vom Mitglied nunmehr allein zu tragen seien, sei wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Artikel 3 Abs. 1 GG) und wegen Verstoßes gegen das Sozialstaatsprinzip (Artikel 20 Abs. 1 GG) verfassungswidrig, da es keine sachliche Rechtfertigung dafür gebe, Rentnerinnen und Rentner hinsichtlich der Beitragslast zur Pflegeversicherung anders zu behandeln als pflichtversicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die volle Beitragspflicht sei somit willkürlich. Nach Einführung der Pflegeversicherung hätten die hierin pflichtversicherten Rentenbezieher darauf vertrauen können, dass die Lastenverteilung zwischen Rentenversicherungsträger und Rentnern auch weiterhin erhalten bleibe. Zur Unterstützung seines Vorbringens legt der Kläger eine rechtsgutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr...