Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensgebühr für einstweiligen Rechtsschutz. Kieler Kostenkästchen. Kosten des Erinnerungsverfahrens. Prozesskostenhilfe für das Erinnerungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes richtet sich die Verfahrensgebühr nach der Nr 3102 RVG-VV.
Die Ermittlung "billiger" Gebühren erfolgt nach dem Kieler Kostenkästchen.
Für das Erinnerungsverfahren sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Für das Erinnerungsverfahren ist Prozesskostenhilfe nicht zu gewähren.
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel in dem Verfahren S 40 AS 480/10 ER vom 20.12.2010 wird geändert.
Die dem Erinnerungsführer von dem Erinnerungsgegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 226,10 € festgesetzt.
Die festgesetzten Kosten sind wie im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ausgesprochen zu verzinsen.
Das Verfahren ist kostenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Der Erinnerungsführer hatte - anwaltlich vertreten - am 03.09.2010 wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Kosten der Unterkunft) beim Sozialgericht Kiel einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Das Verfahren endete durch stattgebenden Beschluss vom 01.10.2010. Der Erinnerungsgegner wurde verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsführers zu tragen.
Mit Antrag vom 04.10.2010 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung wie folgt:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG (Mittelgebühr) |
250,-- € |
Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG |
20,-- € |
19 % Umsatzsteuer (7008 VV-RVG) |
51,30 € |
Gesamt |
321,30 € |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.12.2010 die Verfahrensgebühr auf 114,-- € mit der Begründung, es sei bereits eine anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren vorausgegangen. Daher sei die Rahmengebühr nach der Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) in Höhe von 20,-- bis 320.-- € zu bemessen. Außerdem habe es sich um ein unterdurchschnittliches Verfahren gehandelt. Daher seien lediglich 2/3 der Mittelgebühr billig. Den zu erstattenden Betrag setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach anteiliger Kürzung der Umsatzsteuer insgesamt 159,46 € fest.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 03.01.2011 Erinnerung eingelegt, mit der sie sich gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach der Nr. 3103 VV-RVG und der Kürzung auf 2/3 der Mittelgebühr wendet.
Der Erinnerungsgegner hält die Festsetzung für zutreffend.
II.
Die Erinnerung ist zulässig. Nach § 197 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setzt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges auf Antrag der Beteiligten oder ihrer Bevollmächtigten den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Nach § 197 Abs. 2 SGG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden.
Die Erinnerung ist auch zum Teil begründet.
anwendbare Gebührenvorschriften:
Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).
Nach dieser Anlage sind die Gebühren wie folgt festgesetzt:
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Nr. |
Gebührentatbestand |
Gebühr |
3102 |
Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) .............. |
40,00 bis 460,00 € |
3103 |
Es eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen: Die Gebühr 3102 beträgt…………………………………………....... Bei der Bemessung der Gebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist. |
20,00 bis 320,00 € |
Die anwaltliche Gebühr bemisst sich in diesem Fall nach der Nr. 3102 VV-RVG. Die seit 2011 für die Erinnerungen in Kostensachen allein zuständige 21. Kammer des Sozialgerichts Kiel folgt in nunmehr ständiger Rechtsprechung der Kostenrechtsprechung des Sozialgerichts Schleswig: Ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt eine Rechtsschutzform dar, die eigenen Entscheidungsmaßstäben folgt und somit nicht auf ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren aufbaut, so dass der Gebührentatbestand der Nr. 3102 VV, nicht derjenige der Nr. 3103 VV heranzuziehen ist (SG Duisburg, Beschluss vom 15.05.2007 - S 7 AS 249/06 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.08.2007 - L 20 B 91/07 AS -; LSG Mecklenburg-Vorpommern,...