Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. einstweiliges Rechtsschutzverfahren. Verfahrensgebühr. Nichtanwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV. Ermittlung der "billigen" Gebühren nach dem Kieler Kostenkästchen
Orientierungssatz
1. Ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt eine Rechtsschutzform dar, die eigenen Entscheidungsmaßstäben folgt und somit nicht auf ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren aufbaut, so dass der Gebührentatbestand der Nr 3102 RVG-VV und nicht derjenige der Nr 3103 RVG-VV heranzuziehen ist (Anschluss an SG Schleswig vom 14.8.2009 - S 12 SF 94/09 E; entgegen LSG Schleswig vom 28.2.2007 - L 1 B 467/06 SK = NZS 2008, 55).
2. Zur Ermittlung der "billigen" Gebühren gem § 14 Abs 1 RVG nach dem Kieler Kostenkästchen.
Tenor
Die Erinnerung gegen den Festsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel in dem Verfahren S 39 AS 429/10 ER vom 12.11.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Erinnerungsführer hatte in dem Verfahren am 04.08.2010 wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beim Sozialgericht Kiel einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 18.08.2010 wurde Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt. Das Verfahren endete nach der Gewährung der Leistungen mit Schriftsatz vom 17.08.2010 gütlich durch Annahme eines Teilanerkenntnis und im Übrigen durch Erledigungserklärung. Mit Beschluss vom 18.08.2010 wurde das Jobcenter verpflichtet, die Hälfte der ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Mit Antrag vom 24.08.2010 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung der anwaltlichen Vergütung wie folgt:
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Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV-RVG (Mittelgebühr) |
250,-- € |
Postpauschale, Nr. 7002 VV-RVG |
20,-- € |
19 % Umsatzsteuer (7008 VV-RVG) |
51,30 € |
Gesamt |
321,30 € |
Davon die Hälfte: |
160,65 € |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle kürzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.11.2010 die Verfahrensgebühr auf 170,-- € mit der Begründung, es sei bereits eine anwaltliche Tätigkeit im Widerspruchsverfahren vorausgegangen. Daher sei die Rahmengebühr nach der Nr. 3103 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV-RVG) in Höhe von 20,-- bis 320.-- € zu bemessen. Den zu erstattenden Betrag setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nach anteiliger Kürzung der Umsatzsteuer insgesamt auf 226,10 €, davon die Hälfte 113,05 € fest.
Hiergegen hat der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 25.11.2010 Erinnerung eingelegt, mit der er sich gegen die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach der Nr. 3103 VV-RVG wendet.
Der Erinnerungsgegner hält die Festsetzung für zutreffend.
II. Die Erinnerung ist zulässig. Nach § 55 Abs. 1 RVG wird die aus der Staatskasse zu gewährende anwaltliche Vergütung vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges festgesetzt. Nach §§ 56 Abs 1 Satz 1 RVG kann gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle das Gericht, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, angerufen werden.
Die Erinnerung ist zwar hinsichtlich der rechtlichen Würdigung, nicht aber im Ergebnis begründet.
anwendbare Gebührenvorschriften:
Die Vergütung für anwaltliche Tätigkeiten bemisst sich nach dem RVG (§1 Abs. 1 Satz 1 RVG). In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen - wie im vorliegenden Fall - das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RVG).
Nach dieser Anlage sind die Gebühren wie folgt festgesetzt:
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Nr. |
Gebührentatbestand |
Gebühr |
3102 |
Verfahrensgebühr für Verfahren vor den Sozialgerichten, in denen Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) . |
40,00 bis 460,00 € |
3103 |
Es eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen: Die Gebühr 3102 beträgt…………………………………………. Bei der Bemessung der Gebühr ist nicht zu berücksichtigen, dass der Umfang der Tätigkeit infolge der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren geringer ist. |
20,00 bis 320,00 € |
Die anwaltliche Gebühr bemisst sich in diesem Fall nach der Nr. 3102 VV-RVG. Die nunmehr für die Kostensachen allein zuständige 21. Kammer des Sozialgerichts Kiel folgt der Kostenrechtsprechung des Sozialgerichts Schleswig: Ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt eine Rechtsschutzform dar, die eigenen Entscheidungsmaßstäben folgt und somit nicht auf ein vorangegangenes Verwaltungsverfahren aufbaut, so dass der Gebührentatbestand der Nr. 3102 VV, nicht derjenige der Nr. 3103 VV heranzuziehen ist (SG Duisburg, Beschluss vom 15.05.2007 - S 7 AS 249/06 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.08.2007 - L 20 B 91/07 AS -; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 29.07.2008 - ...