Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Sozialversicherungspflicht. Fliesenleger. indizielle Bedeutung der fehlenden schriftlichen Vereinbarung über zu erbringendes Werk. abhängige Beschäftigung. selbständige Tätigkeit. Freelancer-Entscheidung des BSG
Leitsatz (amtlich)
1. In Tätigkeitsbereichen (hier: Fliesenverlegearbeiten), in denen bei Beauftragung einer Fremdfirma regelmäßig ein Werkvertrag geschlossen wird, hat das Fehlen einer Vereinbarung über ein zu erbringendes Werk Indizcharakter für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses.
2. Wird in einem solchen Bereich dennoch lediglich die eigene Arbeitskraft geschuldet, so kann auch vor dem Hintergrund einer Freelancer Entscheidung des BSG mit Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R eine selbständige Tätigkeit nur dann vorliegen, wenn die sonstigen Umstände eindeutig gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 13.143,07 Euro und Säumniszuschlägen in Höhe von 4.823,50 Euro.
Der Beigeladene zu 1) betreibt laut Gewerbeanmeldung vom 10. Mai 2006 seit dem 01. September 2005 ein Gewerbe mit Forstbetrieb und Fliesenverlegung.
Am 17. Dezember 2009 wurde bei dem Beigeladenen zu 1) eine Betriebsprüfung durchgeführt. Der Beigeladenen zu 1) gab dabei an, seit ca. März 2008 bis ca. Juni/Juli 2009 für die Klägerin als Fliesenleger tätig gewesen zu sein. Bei größeren Baustellen habe er quasi als Vorarbeiter für die Beschäftigten der Klägerin fungiert und mit diesen zusammen gearbeitet. Zu den Baustellen sei er gekommen, indem er beim Treffpunkt am Lager der Klägerin in deren Firmenbus gestiegen sei bzw. von zu Hause abgeholt worden sei. Er habe - wie jeder andere Angestellte der Klägerin auch - Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und die Baustellen geführt. Der Firmenleitung der Klägerin sei das Problem der Scheinselbständigkeit bewusst gewesen und er habe darauf achten müssen, dass seine monatlichen Arbeitsstunden nicht über 150 Stunden liegen, damit er auch noch andere Aufträge annehmen könne.
Im Fragebogen zur Beurteilung der Sozialversicherungspflicht gab der Beigeladene zu 1) an, dass er im Jahr 1993 für 2 bis 3 Monate bei der Klägerin angestellt gewesen sei. Es bestehe kein Unterschied zwischen seiner jetzigen und seiner damaligen Tätigkeit. Er sei während seiner Tätigkeit für die Klägerin auch noch für andere Auftraggeber tätig ge-worden. Er habe bei seiner Tätigkeit eigenes Werkzeug mit einem Wert von ca. 2000 bis 3000 Euro eingesetzt. Eigene Geschäfts- und Büroräume unterhalte er nicht. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit habe er Aufträge nicht ablehnen können.
Er habe der Klägerin für seine Tätigkeit 22 Euro pro Stunde, zuletzt 26 Euro pro Stunde in Rechnung gestellt. Sonstige Vergütung habe er nicht erhalten. Einen schriftlichen Vertrag habe es nicht gegeben. Er musste regelmäßige Arbeits- oder Anwesenheitszeiten mit einem Beginn um 7:00 Uhr am Lager in A-Stadt bis ca. 15:00 oder 17:00 Uhr einhalten. Eigene Werbung betreibe er nicht. Die Klägerin habe ihm aufgegeben, den Firmenbus zu benutzen. Sonstige Arbeitsmittel seien ihm von der Klägerin nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Klägerin habe ihn aufgefordert, Fremdrechnungen von anderen Auftraggebern beizubringen, um den Anschein der Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Die Ausführung eigener Aufträge sei aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit und Einbringung in den Betriebsablauf der Klägerin jedoch nicht möglich gewesen.
Im Rahmen der Betriebsprüfung wurden zahlreiche Rechnungen des Beigeladenen zu 1) sichergestellt. In den sichergestellten Unterlagen finden sich auch drei Rechnungen über Fliesenarbeiten für eine Privatperson in W... (Bl. 57 der Verwaltungsakte) sowie verschiedene Rechnungen über Forstarbeiten und Zufällung sowie Material für verschiedene Forstbetriebe.
Mit Schreiben vom 09. November 2011 hörte die Beklagte die Klägerin zu einer Nach-forderung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Beigeladenen zu 1) an.
Mit Bescheid vom 20. Dezember 2011 forderte die Beklagte von der Klägerin Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 17.966,57 Euro inklusive Säumniszuschlägen in Höhe von 4.823,50 Euro nach. Zur Begründung führte sie sinngemäß aus, dass der Beigeladene zu 1) bei wertender Betrachtung in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert gewesen sei und seine Tätigkeit für die Klägerin somit nicht als selbständige Tätigkeit, sondern als abhängige Beschäftigung zu qualifizieren sei.
Mit Schreiben vom 12. Januar 2012 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2011 ein. Zur Begründung führte sie aus, bei der Beurteilung sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, dass der Beigeladene zu 1) seit 2005 selbständig tätig sei und mehrere Auftraggeber habe. Zudem habe er immer eigenes Werkzeug eingesetzt. Dass er keine ...