Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistungen. Leistungsberechtigter. vollziehbare Ausreisepflicht. Ausreisepflicht. Vollziehbarkeit. unerlaubte Einreise. visumfreie Einreise aus Serbien
Orientierungssatz
Ist der bei Einreise eines serbischen Staatsangehörigen beabsichtigte Aufenthaltszweck auf einen Kurzaufenthalt von 90 Tagen im Zeitraum von je 180 Tagen gerichtet, handelt es sich nicht um eine unerlaubte Einreise im Sinne des § 58 Abs 2 AufenthG 2004.
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies ist der Fall, wenn ohne den vorläufigen Rechtsschutz dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 mwN). Die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie des Anordnungsgrundes - die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung durch einstweiligen Rechtsschutz - sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Zivilprozessordnung).
Hiervon ausgehend ist der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargelegt ist. Die Antragstellerin gehört nicht den Leistungsberechtigten, die Anspruch auf Leistungen nach diesem Gesetz haben.
Nach § 1 Abs. 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die
1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz (AsylG) besitzen,
1a. ein Asylgesuch geäußert haben und nicht die in den Nummern 1, 2 bis 5 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllen,
2. über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht
gestattet ist,
3. eine Aufenthaltserlaubnis besitzen
a) wegen des Krieges in ihrem Heimatland nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes,
b) nach § 25 Absatz 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) oder
c) nach § 25 Absatz 5 AufenthG, sofern die Entscheidung über die Aussetzung ihrer
Abschiebung noch nicht 18 Monate zurückliegt,
4. eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen,
5. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht
oder nicht mehr vollziehbar ist,
6. Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5
genannten Personen sind, ohne dass sie selbst die dort genannten Voraussetzungen
erfüllen,
7. einen Folgeantrag nach § 71 AsylG oder einen Zweitantrag nach § 71a AsylG stellen
oder
8.
a) eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Absatz 1 AufenthG besitzen, die
ihnen nach dem 24. Februar 2022 und vor dem 1. Juni 2022 erteilt wurde, oder
b) eine entsprechende Fiktionsbescheinigung nach § 81 Absatz 5 in Verbindung mit Absatz
3 oder Absatz 4 AufenthG besitzen, die nach dem 24. Februar 2022 und
vor dem 1. Juni 2022 ausgestellt wurde,
und bei denen weder eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 AufenthG oder nach § 16 des Asylgesetzes durchgeführt worden ist, noch deren Daten nach § 3 Absatz 1 des AZR-Gesetzes gespeichert wurden; das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung gilt nicht, soweit eine erkennungsdienstliche Behandlung nach § 49 AufenthG nicht vorgesehen ist.
Die Antragstellerin ist als Staatsangehörige der Republik Serbien Ausländerin im Sinne der Vorschrift und hält sich ihren Angaben zufolge in der Bundesrepublik Deutschland bei ihrem Bruder auf. Sie verfügt jedoch über keinen in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 AsylbLG aufgeführten Aufenthaltsstatus, der ihr eine Leistungsberechtigung verschafft. Sie besitzt keine Aufenthaltsgestattung, hat ein Asylgesuch nicht geäußert und einen Asyl- bzw. Asylfolgeantrag nicht gestellt. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 09. November 2022 hat sie zwar die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, hilfsweise einer Duldung beantragt, doch reicht nach dem klaren Wortlaut der Vorschriften § 1 Abs. 1 Nr. 3 und 4 AsylbLG die bloße Beantragung für eine Leistungsberechtigung nicht aus und verfügt sie über Duldung bzw. Aufenthaltserlaubnis bislang nicht; vielmehr ist nach den Ausführungen des Antragsgegners deren Ablehnung beabsichtigt.
Ein Leistungsanspruch ergibt sich weiterhin nicht aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG. Die letzte Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erfolgte offenbar als sog. Drittstaatsangehörige nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreite...