Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. Angemessenheitsprüfung. kein schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Nachbesserung. Berücksichtigung des Ursprungskonzepts. fehlerhafte Vergleichsraumbildung. Ghettobildung
Leitsatz (amtlich)
1. Handelt es sich bei einem Konzept um die Nachbesserung eines für unschlüssig erklärten Konzepts, so kann das Ursprungskonzept für die Beurteilung des nachgebesserten Konzept herangezogen werden; dies ergibt sich aus dem Charakter einer Nachbesserung.
2. Die Vergleichsraumbildung ist fehlerhaft, wenn sie zu einer Gettobildung führt.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 24.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11.12.2018 und 28.12.2018 wird dahingehend abgeändert, dass der Beklagte der Klägerin für die Monate September 2018 bis Januar 2019 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich jeweils 56,40 EUR zu gewähren hat.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung für Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung (KDU) für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis zum 31.01.2019.
Die am ... 1956 geborene, alleinlebende Klägerin bewohnte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum eine seit dem 01.10.2014 von ihr angemietete 58 m² große mittels Gas beheizte Erdgeschoßwohnung in Ballenstedt in einem Haus mit einer Gesamtgebäudefläche von 230 m². Die Warmwasseraufbereitung erfolgt zentral. Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum betrug die Bruttokaltmiete monatlich 328,40 EUR, die Heizkosten zunächst monatlich 55 EUR, ab Dezember 2018 monatlich 67 EUR.
Mit Kostensenkungsaufforderung vom 24.02.2017 wies der Beklagte darauf hin, dass die seiner Meinung nach angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung überschritten sein. Die angemessene Bruttokaltmiete betrage 267,50 EUR monatlich. Die Klägerin erhielt Gelegenheit bis spätestens 20.04.2017 ihre Bemühungen zur Kostensenkung nachzuweisen; nach Ablauf der Frist werde der Beklagte nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernehmen. Mit weiterem Schreiben vom 13.06.2017 teilte der Beklagte mit, er werde ab dem 01.09.2017 nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft gewähren.
Mit Bescheid des Beklagten vom 24.08.2018 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 11.12.2018 und 28.12.2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis zum 31.08.2019. Hierbei wurde eine Bruttokaltmiete i.H.v. 272 EUR monatlich und die Heizkosten in tatsächlicher Höhe berücksichtigt.
Bereits am 11.09.2018 hatte die Klägerin gegen den Bescheid vom 24.08.2018 Widerspruch eingelegt, der mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10.10.2018 zurückgewiesen worden war.
Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 15.10.2018 erhobenen Klage, mit der sie geltend macht, die Kosten der Unterkunft und Heizung seien vollständig zu übernehmen. Das von dem Beklagten angewandte KDU-Konzept sei unschlüssig.
Die Klägerin, die zunächst die Gewährung höherer Leistungen bis zum 31.08.2019 beantragt hatte, beantragt, nachdem ihr ab Februar 2019 eine bedarfsdeckende Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurde, nunmehr noch,
das beklagte Jobcenter unter Änderung des Bescheides vom 24.08.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.10.2018 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 01.09.2018 bis zum 31.01.2019 zu bewilligen und zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat sich für seine Entscheidung zunächst auf ein im Jahre 2016 erstelltes und im Jahr 2018 fortgeschriebenes KDU-Konzept gestützt. Dieses wurde im Jahre 2020 nachgebessert, worauf sich der Beklagte nunmehr stützt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, das dem Gericht vorliegende KDU-Konzept 2016 mit der Fortschreibung 2018 und das dem Gericht vorliegende nachgebesserte Konzept aus dem Jahr 2020, sowie die Verwaltungsakten des Beklagten, die zur Entscheidungsfindung vorlagen, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme Ihrer Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher Höhe im noch streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.09.2018 bis zum 31.01.2019.
Die Klägerin gehörte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zum Kreis der hilfebedürftigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind, soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfall...