Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Anfechtungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Entscheidung. Verletzung von Nachweispflichten durch den Leistungsberechtigten. Nullfestsetzungsbescheid. Rechtszustand wie bei Versagungsbescheiden. keine Anspruchsermittlung. Rechtfolgenbelehrung. Nachholung der Mitwirkungshandlung bis zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Im Fall eines sog Nullfestsetzungsbescheids ist statthafte Klageart die isolierte Anfechtungsklage.
2. Mit der Möglichkeit des § 41a Abs 3 Satz 4 SGB II wollte der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, die einen mit den §§ 60 ff SGB I vergleichbaren Rechtszustand herstellt, was eine Heranziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Versagungsbescheiden zur Folge hat. Ebenso wie ein Versagungsbescheid ist ein Nullfestsetzungsbescheid mangels Anspruchsermittlung kein Leistungsbescheid.
Orientierungssatz
Einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung gem § 41a Abs 3 S 3 SGB 2 muss unmissverständlich zu entnehmen sein, dass der letzte Zeitpunkt der noch möglichen Mitwirkungshandlung nicht mit dem Zeitpunkt des Ablaufs der vom Leistungsträger gesetzten Frist identisch ist, sondern der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist
Tenor
Die Bescheide vom 5. März 2019 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. September 2019 werden aufgehoben.
Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen eine sog. Nullfestsetzung und die hierauf gestützte Erstattung vorläufig bewilligter Leistungen.
Der Kläger zu 2) ist seit 2004 als selbständiger Schausteller im Einzelhandel (Reisegewerbe) tätig. Mit seiner Ehegattin, der Klägerin zu 1), und den beiden Kindern, den Klägern zu 3) und 4), bezog er Grundsicherungsleistungen. Zuletzt bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 7. Dezember 2017 vorläufige Leistungen für die Monate Oktober 2017 bis September 2018.
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 teilte der Beklagte den Klägern mit, um nach Erbringung vorläufiger Leistungen über den Leistungsanspruch endgültig entscheiden zu können, würden folgende Unterlagen zur Selbständigkeit benötigt: „ausgefüllte Anlage EKS für den Zeitraum 01.10.2017 bis 30.09.2018, vollständige Kontoauszüge vom 01.10.2017 bis 30.09.2018, Kassenbücher Oktober 2017 bis September 2018, sonstige Betriebsausgaben sind entsprechend zu belegen“. Im Weiteren enthielt das Schreiben folgenden Hinweis:
„Sollten Sie oder die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bis zum unten genannten Termin der Nachweis- oder Auskunftspflicht nicht nachkommen und die erforderlichen Unterlagen nicht oder nicht vollständig einreichen, werde ich feststellen müssen, dass kein Leistungsanspruch bestand (§ 41a Absatz 3 SGB II). Dies bedeutet, dass die in diesem Zeitraum nur vorläufig bewilligten Leistungen in voller Höhe zu erstatten sind. Ich weise auch darauf hin, dass nach der unten genannten Frist eingereichte Unterlagen nicht mehr berücksichtigt werden können. Bitte reichen Sie mir diese Nachweise bis 30.11.2018 ein.“
Mit Schreiben vom 5. Dezember 2018 erinnerte der Beklagte die Kläger an die Erledigung des Schreibens vom 8. Oktober 2018, wiederholte die angeforderten Nachweise und führte im Weiteren aus:
„Unter der Mitwirkungspflicht ist in diesem Zusammenhang die Verpflichtung zu verstehen, die geforderten Nachweise vorzulegen. Ich bitte Sie daher erneut, die genannten Unterlagen bis spätestens 05.01.2018 vorzulegen. Bitte beachten Sie: Kommen Sie oder die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Ihrer Nachweispflicht nicht, nicht vollständig oder nicht fristgemäß bis zum vorgenannten Termin nach, werde ich die Leistungsansprüche nur für die Monate und nur in der Höhe abschließend festsetzen, in welcher die Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auch nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird dann festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand. Dies bedeutet, dass Sie die gewährten Leistungen für den Bewilligungszeitraum mindestens teilweise, ggf. auch vollständig zurückerstatten müssen. Diese Rechtsfolge beruht auf § 41a Abs. 3 S. 3 u. 4 SGB II und betrifft alle der Bedarfsgemeinschaft vorläufig bewilligten Leistungen. Bitte halten Sie also diesen Termin in Ihrem eigenen Interesse ein.“
In der Folgezeit reichten die Kläger die angeforderten Unterlagen beim Beklagten nicht nach.
Mit Bescheid vom 5. März 2019 setzte der Beklagte die Leistungen der Kläger für die Monate Oktober 2017 bis September 2018 auf 0,00 Euro fest. Die Kläger seien verpflichtet gewesen, die zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen. Deshalb seien sie unter Fristsetzung und Belehrung über die Rechtsfolgen aufgefordert worden, die in den Schreiben vom 8. Oktober und 5. Dezember 2018 genannten Unterlagen einzureichen. Da die Kläger bis zum Tag des Bescheides die angeforderten U...