Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Zweipersonenhaushalt in Aschersleben im Salzlandkreis in Sachsen-Anhalt. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts des Grundsicherungsträgers. Beweislastverteilung
Leitsatz (amtlich)
1. Das Konzept des Jobcenters Salzlandkreis ist weiterhin, auch über den 1.1.2017 hinaus, nicht als schlüssig anzusehen (entgegen LSG Halle vom 15.4.2021 - L 5 AS 526/16).
2. Entscheidungserhebliche Unklarheiten im Rahmen eines schlüssigen Konzeptes gehen regelmäßig zulasten des beklagten Jobcenters. Die Kläger trifft diesbezüglich keine Beweislast.
3. An das Erstellen eines schlüssigen Konzeptes dürfen im Hinblick auf die betroffenen existenzsichernden Leistungen, jedenfalls in Bezug auf das Alter der herangezogenen Bestandsmieten, keine niedrigeren Anforderungen gestellt werden als an das Erstellen eines qualifizierten Mietspiegels.
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 27.10.2016 in der Gestalt der Bescheide vom 18.02.2017, vom 07.03.2017, des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017 und des Bescheides vom 09.01.2018 wird abgeändert und der Beklagte wird verurteilt, den Klägern für die Zeit von November 2016 bis April 2017 ein höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate November 2016, Januar, Februar und April 2017 in Höhe von jeweils 456,35 € und für Dezember 2016 und März 2017 in Höhe von jeweils 479,81 €.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit von November 2016 bis April 2017.
Die Kläger bewohnten im streitgegenständlichen Zeitraum eine 61,78 m² große Mietwohnung in Aschersleben. Hierfür zahlten sie eine Kaltmiete von 324,35 €, Betriebskosten von 63 € und Heizkosten von 69 € monatlich. Des Weiteren waren vierteljährlich die Abschläge für die Abfallentsorgung zu entrichten i.H.v. 23,46 €. Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. 497,09 € netto bzw. ab Januar 2017 i.H.v. 495,97 € netto. Der Kläger ging einer selbständigen Tätigkeit nach.
Sie beantragten am 04.10.2016 die Fortzahlung ihrer Leistungen, welche der Beklagte mit Bescheid vom 27.10.2016 vorläufig für die Zeit von November 2016 bis April 2017 bewilligte. Hierbei berücksichtigte er eine Kaltmiete von 258,- €, Nebenkosten von 57,- € und Heizkosten von 69 € sowie die Abfallgebühren. Dagegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 09.11.2016 Widerspruch. Der Beklagte erließ noch die vorläufigen Änderungsbescheide vom 18.02.2017 und vom 07.03.2017. Den Widerspruch wies er mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2017 als unbegründet zurück.
Dagegen haben die Kläger am 22.03.2017 Klage erhoben mit dem Ziel, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu erhalten. Der Beklagte erließ noch in den endgültigen Bewilligungsbescheid vom 09.01.2018, wobei er eine Kaltmiete von 258 €, Nebenkosten von 57 € und Heizkosten von 69 € im Jahr 2016 und eine Kaltmiete von 262,80 €, Betriebskosten von 57 € und Heizkosten von 69 € im Jahr 2017 berücksichtigte zuzüglich der Abschläge für die Abfallgebühren.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 27.10.2016 in der Gestalt der Bescheide vom 18.02.2017, vom 07.03.2017 des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017 und des Bescheides vom 09.01.2018 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Klägern für die Zeit von November 2016 bis April 2017 ein höheres Arbeitslosengeld 2 zu zahlen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist dabei, ob in dem hier streitigen Zeitraum insgesamt ein Anspruch auf höhere Leistungen bestand, wobei die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen ist (siehe hierzu BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Die weiteren Voraussetzungen für ein Grundurteil in einem Höhenstreit liegen vor, wenn eine so umfassende Aufklärung zu Grund und Höhe des Anspruchs zugrunde liegt, dass mit Wahrscheinlichkeit von einer höheren Leistung ausgegangen werden kann, weil die Beschränkung der Prüfung auf eine Rechtsfrage oder einzelne Rechtsfragen ansonsten einer unzulässigen Elementenfeststellung gleichkäme (BSG, Urteil vom 23. August 2012 - B 4 AS 167/11 R -, Rn. 12, juris). Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da sich aus den höheren Kosten der Unterkunft und Heizung insgesamt ein höherer Individualanspruch ergibt.
Die Beteiligten haben zudem den Streitgegenstand zul...