Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Rechtskonformität des hessischen Rahmenvertrages über die ambulante ärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Zahlungsanspruch der Kassenärztlichen Vereinigung 20 Tage nach Rechnungsstellung. kein vorheriges Prüfungsrecht oder Zurückbehaltungsrecht eines zu Unrecht in Anspruch genommenen kommunalen Leistungsträgers. Erstattungsanspruch des kommunalen Leistungsträgers gegen den zuständigen Leistungsträger. Risikosphäre bei Zuständigkeitswechsel
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kassenärztliche Vereinigung Hessen hat nach dem hessischen Rahmenvertrag über die ambulante ärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG vom 14.1.1999 bereits 20 Tage nach Rechnungstellung gegenüber dem kommunalen Leistungsträger einen Zahlungsanspruch für die Behandlung von Asylbewerbern. Die kommunalen Leistungsträger haben kein vorheriges Prüfungsrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht.
2. Stellt sich die Unzuständigkeit der kommunalen Leistungsträger nachträglich heraus, haben sie ggf einen Erstattungsanspruch gegen den zuständigen Leistungsträger, idR eine gesetzliche Krankenkasse. Damit fällt ein Zuständigkeitswechsel grundsätzlich in die Risikosphäre des einen Behandlungsschein ausstellenden kommunalen Leistungsträgers.
3. Der Rahmenvertrag verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 10.422,35 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 10.422,35 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten noch um die Vergütung für die Behandlung von Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in den zehn Quartalen IV/16 bis I/19 in Höhe von insgesamt 10.422,35 €.
Die Klägerin ist eine Kassenärztliche Vereinigung nach § 77 Abs. 1 SGB V. Die Beklagte ist eine kreisfreie Stadt in Hessen.
Die Klägerin schloss am 23.01.1988 mit dem Hessischen Städtetag und dem Hessischen Landkreistag einen Rahmenvertrag über die ambulante ärztliche Versorgung der Hilfeberechtigten nach dem BSHG und den Anspruchsberechtigten nach § 276 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) (im Folgenden: RV-B), der die Rahmenvereinbarung aus den Jahren 1955/1956 ersetzte. Die Beklagte und der Hessische Städtetag sowie der Hessische Landkreistag schlossen am 14.01.1999 ferner mit Geltung ab 01.04.1998 einen Rahmenvertrag über die ambulante ärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungs-Gesetz (AsylbLG) (im Folgenden: RV-A). Nach diesem Rahmenvertrag übernimmt die Kassenärztliche Vereinigung durch ihre vertragsärztlichen Mitglieder, soweit es sich um Ärzte im Vertrag genannter Fachrichtungen handelt, die ärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG, denen ärztliche Leistungen im Umfang nach § 4 AsylbLG gewährt werden. Für die Vergütung wird in § 8 RV-A auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen (EBM) unter Bezugnahme auf die zwischen der Beklagten und den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen gem. § 72 Abs. 2 SGB V geschlossenen Vereinbarungen ein Punktwert in Höhe von 0,085 DM (bzw. 0,075 DM für Laborleistungen) vereinbart. Im Übrigen wird, u. a. für die Abrechnung, auf einzelne Bestimmungen des RV-B verwiesen (§ 9 RV-A).
Beiden Verträgen trat die Beklagte nach ihrem unstreitigen Vorbringen bei. Die Vertragsärzte und Mitglieder der Klägerin rechneten auf der Grundlage des BMÄ bzw. EBM die erbrachten Leistungen ab, die ihnen die Beklagte mit einem festen Punktwert vergütete. Die Beklagte rechnete wiederum die Leistungen aller Vertragsärzte gegenüber der Klägerin ab.
Die Klägerin hat am 23.12.2019 die Klage zum Az.: S 12 KA 418/19 erhoben. Die Kammer hat mit Beschluss vom 17.02.2021 das Verfahren hinsichtlich der Behandlungsfälle Bek, F. (Quartal I/17; Honorarforderung 11,08 €; Nr. 70 der Liste der Beklagten), B., C. bzw. Cx. (Quartal III/17; Honorarforderung 9,26 €; Nr. 81 der Liste der Beklagten), D., E. (Quartal II/18; Honorarforderung 12,79 €; Nr. 100 der Liste der Beklagten) und D., E. (Quartal III/18; Honorarforderung 177,37 €; Nr. 103 der Liste der Beklagten) unter dem Az.: S 12 KA 32/21 abgetrennt.
Die Klägerin trägt vor, sie habe nach dem zwischen ihr und dem Hessischen Städtetag und dem Hessischen Landkreistag geschlossenen Rahmenvertrag über die ambulante ärztliche Versorgung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz i. d. F. vom 14.01.1999 die ambulante ärztliche sowie stationäre belegärztliche Versorgung der nach dem Asylbewerberleistungsgesetz Leistungsberechtigten übernommen. Die Beklagte habe die Rechnungen ab dem Quartal IV/16 zu Unrecht gekürzt und nur teilweise ausgeglichen. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 19.02.2020 bzw. 22.11.2019 betreffend das Quartal I/19 weitere Beträge anerkannt. Im Einzelnen handele es sich um folgende Kürzungen: