Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt mit Doppelqualifikation. Abrechnung. neurologischer Ordinationskomplex. Rechtswidrig- und Nichtigkeit der Nr 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM-Ä 2005

 

Leitsatz (amtlich)

Nr 6.1 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 ist insofern rechtswidrig und nichtig, als die Bestimmung den Arzt mit einer Doppelqualifikation (hier: Neurologie und Augenheilkunde), mit der er auch zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, hinsichtlich der Abrechnung des Ordinationskomplexes auf den Versorgungsauftrag auf der Grundlage der Arztabrechnungsnummer beschränkt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.05.2011; Aktenzeichen B 6 KA 2/10 R)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2006 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nummern 16210 bis 16212 EBM 2005 ab dem Quartal I/06 und ff. zu erteilen.

2. Die Beklagte hat die Verfahrenskosten zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nrn. 12210 bis 16212 EBM 2005 für die Quartale ab I/06 ff.

Die Klägerin mit einer sog. Doppelqualifikation ist seit September 1993 als Fachärztin für Augenheilkunde und Fachärztin für Neurologie zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen.

Am 03.04.2006 erhob die Klägerin Einspruch gegen die Abrechnung des Quartals II/05. Zur Begründung führte sie aus, im Rahmen der Besitzstandswahrung beantrage sie, wieder den neurologischen Ordinationskomplex abrechnen zu können. Sie sei bundesweit die einzige niedergelassene Neuroophthalmologin. Es entspreche nicht dem Grundgesetz, ihr die Möglichkeit der freien Berufswahl in dieser Form zu nehmen und ihre ganz besondere Spezialisierung einfach zu streichen. Ein Patient mit einer neuroophthalmologischen Erkrankung bedürfe einer das Vielfache betragenden Zeit für Diagnostik, Anamneseerhebung und eines wesentlich höheren Zeitaufwands für persönliche Gespräche.

Mit Bescheid vom 10.07.2006 wies die Beklagte den Antrag zurück. Den Antrag der Klägerin wertete sie als Antrag auf Genehmigung zur Abrechnung des neurologischen Ordinationskomplexes nach den Nrn. 16210 bis 16212 EBM 2005. Zur Begründung führte Sie aus, gemäß ihres Zulassungsstatus könne die Klägerin nur die in den Kapiteln 6 und 16 des EBM 2005 genannten fachgruppenspezifischen Leistungen sowie die in den Präambeln der Kapitel 6.1 und 16.1 genannten Leistungen außerhalb der fachgruppenspezifischen Kapitel erbringen und abrechnen, wenn sie die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen erfülle. Die Nrn. 16210 bis 10212 EBM 2005 könne sie weiterhin abrechnen, allerdings nur nach den Nrn. 06110 und 06112 EBM 2005 des entsprechenden fachgruppenspezifischen Kapitels. Ursächlich hierfür sei, dass nach den allgemeinen Bestimmungen des EBM 2005 der anzusetzende Ordinationskomplex grundsätzlich nach dem Versorgungsauftrag (Identifikation über die Arztabrechnungsnummer) richtet. Insoweit könne von der Klägerin nur der Ordinationskomplex des Kapitels 6 EBM 2005 berechnet werden.

Hiergegen legte die Klägerin am 11.08.2006 Widerspruch ein. Darin führte sie aus, wie ihren bisherigen Abrechnungen zu entnehmen sei, habe sie zum Beispiel im Falle einer Bindehautentzündung natürlich nur die hierfür relevanten Ziffern der Augenheilkunde in Abrechnung gebracht. Bei einem Bandscheibenvorfall im Lendensäulenbereich rechne sie keine augenärztlichen Ziffern ab. Die Untersuchungsleistung sei auf die Beschwerden in der unteren Körperhälfte beschränkt, und daher rechne sie nur neurologische Ziffern ab. Bei einer länger bestehenden Kopfschmerzsymptomatik oder Amaurosis fugax Attacken müssten natürlich beide Fachbereiche abgeklärt werden. Wenn die Beklagte unter Hinweis auf ihre Stempelnummer sie allein auf die augenärztlichen Ordinationsziffern hinweise, werde sie offiziell zur Falschabrechnung aufgefordert. Sie beantrage, dass sie die indikationsabhängig tatsächlich erbrachten Leistungen und Beratungen mit den der Diagnose entsprechenden Ziffern zur Abrechnung bringen könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den Bescheidgründen führte sie aus, der angegriffene Antragsbescheid sei rechtmäßig. Er beruhe auf der Grundlage wirksamer Regelungen in Form der seit dem 01.04.2005 geltenden Gebührenordnungsbestimmungen. Die Bestimmungen des EBM 2005 beinhalteten eine fachgruppenspezifische Abrechnungssystematik. Zugleich sei in den Präambeln der einzelnen Kapitel zusätzlich niedergelegt worden, dass grundsätzlich ausschließlich die dort genannten Leistungen außerhalb des fachgruppenspezifischen Kapitels zur Abrechnung kommen könnten. Ausschlaggebend sei deshalb die fachgruppenspezifische Zuordnung der Leistungen. Gemäß ihres Zulassungsstatus könne die Klägerin die in den Kapiteln 6 und 16 genannten augenärztlichen bzw. neurologischen Leistungen des ...

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