Leitsatz (amtlich)

I. Ein Gesellschafter einer GmbH, welcher 50 v.H. der Anteile an deren Stammkapital hält und durch einfachen Beschluss der Gesellschafterversammlung zum Geschäftsführer bestellt wurde, unterliegt in dieser Tätigkeit zumindest solange der Sozialversicherungspflicht, wie die Bestellung zum Geschäftsführer nicht im Handelsregister eingetragen wurde und die Träger der Sozialversicherung nicht positive Kenntnis von dem Beschluss erlangt haben.

II. Ob die Sozialversicherungspflicht bereits ab dem Zeitpunkt entfällt, zu dem die Träger der Sozialversicherung positive Kenntnis von dem Geschäftsführerbestellungsbeschluss erlangt haben, konnte vorliegend dahingestellt bleiben.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf EUR 1.415,02 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung aufgrund einer Betriebsprüfung.

Die mit Gesellschaftsvertrag vom 18.09.2013 gegründete und hier klagende GmbH betreibt unter ihrer Firma u.a. die Organisation und Durchführung von Veranstaltungen, die Produktion und Auslieferung von Lebensmitteln sowie den Einzelhandel mit Food- und non-Food-Produkten. Ihr Stammkapital beträgt EUR 25.000. Besondere Bestimmungen zur Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung wurden im Gesellschaftsvertrag nicht getroffen. Gemäß § 12 des Gesellschaftsvertrages sollen, soweit keine abweichenden Bestimmungen getroffen sind, die Bestimmungen des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) in dessen jeweils geltender Form Anwendung finden.

Der für die Klägerin tätige Beigeladene war von jener zunächst als abhängig Beschäftigter zur Sozialversicherung angemeldet und wurde zum Ablauf des Januar 2019 von ihr wieder abgemeldet. Seit dem 27.02.2019 hält der Beigeladene die Hälfte der Geschäftsanteile der Klägerin. Mit Beschluss vom selben Tag wurde der Beigeladene zum weiteren Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Die Bestellung des Beigeladenen zum Geschäftsführer wurde unter dem 01.03.2019, beim Registergericht am 04.03.2019 eingegangen, zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet und schließlich am 28.03.2019 im Handelsregister eingetragen. Die Änderung wurde am 29.03.2019 bekannt gemacht.

Die Beklagte führte bei der Klägerin ab dem 04.10.2021 eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.12.2020 durch. Mit Anhörungsschreiben vom 14.12.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie beabsichtige, Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 6.054,15 nachzuerheben. Hierin enthalten waren Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von EUR 2.564,71 für die Tätigkeit des Beigeladenen in der Zeit vom 01.02.20219 bis zum 28.03.2019. Sozialversicherungsrechtlich wirksam sei der Beigeladene erst am 28.03.2019 zum Geschäftsführer bestellt worden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei er noch als abhängig Beschäftigter tätig gewesen; in der Zeit vom 01.02. bis zum 26.02.2019 als abhängig Beschäftigter Arbeitnehmer und in der Zeit vom 27.02. bis zum 28.03.2019 als mitarbeitender Gesellschafter.

Die Klägerin wandte hiergegen ein, dass es für die Wirksamkeit der Bestellung zum Geschäftsführer nicht darauf ankomme, dass sie im Handelsregister eingetragen werde. Vielmehr sei die Bestellung bereits zuvor wirksam; die Eintragung habe lediglich deklaratorische Bedeutung. Soweit das Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 13.11.2020 eine anderslautende Entscheidung getroffen habe, könne man dem nicht folgen. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung. Höchstrichterlich sei diese Frage noch nicht geklärt.

Unter dem 22.12.2021 erließ die Beklagte den angekündigten Bescheid. Zur Begründung der Beitragsnachforderung für den Beigeladenen führte sie aus, dass auch wenn die Eintragung ins Handelsregister keine Wirksamkeitsvoraussetzung sei, diese doch erst mit Eintragung ins Handelsregister gemäß § 15 des Handelsgesetzbuches (HGB) Außenwirkung zu entfalte. § 15 HGB solle der Sicherheit im Rechtsverkehr dienen. Vor der Eintragung ins Handelsregister sei für die Sozialversicherungsträger nicht sicher erkennbar, ob überhaupt die Eintragungsfähigkeit des Geschäftsführers gegeben sei. Dies werde vom Registergericht erst nach der Anmeldung zur Eintragung geprüft.

Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, dass die Einordnung der Tätigkeit des Beigeladenen als abhängige Beschäftigung unter Inkaufnahme unüberwindbare Widersprüche erfolge. Obwohl die Beklagte konstatiere, dass die Eintragung ins Handelsregister keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Geschäftsführerbestellung sei, werde der Beigeladene dennoch als mitarbeitender Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion beurteilt. Der Beigeladene sei außerdem bereits vor der Eintragung ins Handelsregister gemäß § 35 GmbHG gesetzlicher Vertreter der Klägerin gewesen. Er habe auch eine entsprechende Rechtsmacht nach außen gehabt. Soweit die Beklagte für ihre abweichende Rechtsans...

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