Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenzahnärztliche Vereinigung. Honorarkürzung nach § 95d Abs 3 S 3 SGB 5. keine Disziplinarmaßnahme im engeren Sinne. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Krankenkassen
Leitsatz (amtlich)
Bei Vergütung der vertragszahnärztlichen Leistungen im Wege der Einzelleistungsvergütung haben die Krankenkassen einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf Auskehrung der von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung vorgenommenen Honorarkürzungen nach § 95d Abs 3 S 3 SGB V.
Orientierungssatz
1. Zu Leitsatz vgl zB BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 57.
2. Die Honorarkürzung nach § 95d Abs 3 S 3 SGB 5 ist keine Disziplinarmaßnahme im engeren Sinne, sondern hat lediglich einen disziplinierenden/sanktionierenden Charakter.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über die Höhe der seit dem 01.01.2011 von ihr vorgenommenen Honorarkürzungen nach § 95d Abs. 3 S. 3 SGB V zu erteilen, soweit sie anteilig auf die Klägerin entfallen und an die Klägerin den nach Erteilung der Auskunft sich ergebenden Betrag auszubezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Auskunft über die nach § 95d Abs. 3 S. 3 SGB V wegen Verletzung der Fortbildungspflicht vorgenommenen Honorarkürzungen zu erteilen und ihr deren Anteil daran auszubezahlen hat.
Die Klägerin erhob am 18.12.2015 Klage zum Sozialgericht München und verwies auf die in § 95d Abs. 3 S.3 SGB V enthaltene Verpflichtung der Beklagten, Honorare aus der Vergütung vertragszahnärztlicher Tätigkeit zu kürzen, wenn der Vertragszahnarzt den Fortbildungsnachweis nicht oder nicht vollständig erbringt. Diese Honorarkürzungen seien zwingend vornehmen, es bestehe kein Ermessensspielraum seitens der Beklagten. Werde der Fortbildungsnachweis nicht geführt, bestehe kein Anspruch auf die vollumfängliche Vergütung der erbrachten Leistungen, der Honoraranspruch reduziere sich entsprechend den zeitlichen und prozentualen Abstaffelungen nach § 95d Abs. 3 S. 3 SGB V. Demgegenüber habe die Klägerin an die Beklagte Honorarzahlungen in ungekürzter Höhe geleistet, so dass es in Höhe der verpflichtend zu kürzenden Beträge zu einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung gekommen sei, die der Klägerin von der Beklagten zu erstatten sei. Die Beklagte sei in mehreren Schreiben erfolglos aufgefordert worden, der Klägerin zeitnah die entsprechenden Kürzungsbeträge mitzuteilen. Mit Schreiben vom 07.12.2015 habe die Klägerin ihre Erstattungsansprüche dem Grunde nach bei der Beklagten geltend gemacht. Da die Beklagte auf die Erhebung der Einrede der Verjährung nicht verzichtet habe und mögliche Ansprüche für 2011 zu verjähren drohten, sei Klage geboten. Die Klägerin verwies im Weiteren auf ein Urteil des SG Münster (Az: S 2 KA 33/13), in dem das Gericht die Auffassung vertrete, dass es sich bei den streitigen Honorarkürzungen systematisch um sachlich-rechnerische Berichtigungen aufgrund einer Qualitätssicherungsmaßnahme handle. Die Verpflichtung zur Honorarkürzung bestehe unabhängig davon, ob die Leistungserbringung vollständig und ordnungsgemäß erfolgt sei, sie erfolge als Abschlag für die - potentiell - schlechtere Qualität der ärztlichen Leistungen. Unstreitig sei, wie von der Beklagten ausgeführt, dass §95d Abs. 3 SGB V keinen ausdrücklichen Hinweis enthalte, dass Honorarkürzungen wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht den Krankenkassen zufließen. Einer solchen speziellen Regelung habe es aber vorliegend gar nicht bedurft, da sich bereits aus der Rechtsnatur der Honorarkürzung selbst eine Auszahlungsverpflichtung der Beklagten zu Gunsten der Klägerin ergebe. Durch die Einführung sanktionsbewehrter Nachweispflichten über die Fortbildung habe der Gesetzgeber auf die aus einer unzureichenden ärztlichen Fortbildung resultierenden Gefahren für die gesundheitliche Versorgung der Versicherten reagiert. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage für die Durchführung einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung aufgrund einer Qualitätssicherungsmaßnahme geschaffen. Es handle sich hierbei um einen pauschalierten Umfang von potentiellen Schlechtleistungen, welche letztlich unabhängig von der konkret erbrachten Leistung seien. Nach der Gesetzesbegründung hätten die pauschalen Honorarkürzungen zwar eine ähnliche Funktion wie ein Disziplinarverfahren, sollten sie doch den Vertragsarzt nachdrücklich zur Einhaltung der Fortbildungsverpflichtung anhalten; zum anderen seien sie aber gerade auch ein Abschlag für die schlechtere Qualität der Leistungen. Für eine Qualifikation der Honorarkürzung nach § 95 d Abs. 3 S. 3 SGB V als sachlich-rechnerische Berichtigung spreche auch, dass die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung des Vertragsarztes gerade auf die Feststellung abziele, ob die abgerechneten Leistungen im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungs...