Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung für ein Werbeunternehmen

 

Orientierungssatz

1. Das KSVG unterwirft Unternehmen ohne Rücksicht auf die Rechtsform der Kunst, der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit ohne Rücksicht auf die Rechtsform der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung. § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 KSVG setzt eine professionelle Kunst- bzw. Publizistikverwertung als wesentlichen Unternehmenszweck voraus. Erforderlich ist eine nachhaltige, nicht nur gelegentliche Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit für Dritte.

2. Für die Werbung eines Unternehmens ist es erforderlich, dass der Werbeunternehmer versucht, die umworbenen Personen für das Werbeziel eines Dritten zu gewinnen. Die Tätigkeit eines Organisators gemeinsamer Mitgliederinteressen als Verein außerhalb einer Objektpräsentation erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

3. Eine lediglich gelegentliche Erteilung von Aufträgen an Künstler erfüllt auch nicht die Voraussetzungen der Auffangvorschrift des § 24 Abs. 2 KSVG. Diese muss ein Mindestmaß von drei Veranstaltungen pro Jahr überschreiten (BSG Urteil vom 20. 3. 1997, 3 RK 17/96).

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 20.09.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2018 wird aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger im Prüfzeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014 nicht der Abgabepflicht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz unterlag. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Künstlersozialabgabe (KSA).

Der Kläger ist ein Zusammenschluss von Grund- und Immobilieneigentümern sowie Geschäftsinhabern und selbstständig Tätigen des Bahnhofsviertels in Münster/Westf. Er wendet sich dagegen, dass die Beklagte ihn im Rahmen angenommener Künstlersozialabgabepflicht nach § 24 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2014 auf Zahlung von 18.126,31 Euro als KSA an die beigeladene Künstlersozialkasse bei umstrittener Verwertung künstlerischer Leistungen in Anspruch nimmt. Der Kläger ist seit dem Jahr 2005 in der Rechtsform eines eingetragenen, nicht gemeinnützigen Vereins tätig. Er unterfällt auch nicht dem öffentlich-rechtlichen, strukturfördernden "ISG"-Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW). Ordentliche Mitglieder sind laut Satzung ausschließlich Grundstückseigentümer oder Gewerbetreibende im Bahnhofsviertel der Stadt Münster, § 4.2 der Satzung. Vereinszweck ist es nach § 2 der im Übrigen in vollem Umfang aktenkundigen gültigen Satzung, "durch geeignete Maßnahmen auf eine Steigerung der Attraktivität und auf eine Verbesserung der Strukturen in ökonomischer, stadtgestalterischer und sozialräumlicher Hinsicht" hinzuwirken. Dafür will der Verein "eine Koordination und Bündelung von privaten und öffentlichen Maßnahmen zur Forcierung der Entwicklung des Bahnhofsviertels Münster unter Einbeziehung von sowohl Grund- und Immobilieneigentümer als auch der gewerblichen Mieter und freiberuflichen Unternehmen sowie der Betreiber sonstiger Nutzungen im Quartier erreichen." Die Mitglieder zahlen an den Verein nach einer eigens beschlossenen Beitragsordnung Mitgliedsbeiträge, deren Berechnung sich nach Flächengröße der Immobilien bzw. der Gewerbefläche bemisst. Der Mindestbeitrag für "bloße" Eigentümer beträgt 600 Euro jährlich.

Zur Förderung seiner Ziele und des Vereinszwecks unterstützt bzw. initiiert er unterschiedliche Projekte zur Aufwertung des öffentlichen Raumes, u.a. Aktionen zum Thema "Licht", "Infrastruktur", "Weihnachten", "Quartiersdienst", "Schauraum" und "Schaltschränke". So beteiligte sich der Kläger in den Jahren 2011 und 2013 an dem bereits damals vom Kulturamt der Stadt Münster veranstalteten städtischen Ausstellungsprojekt "Schauraum" mit einer Fensterausstellung im Bahnhofsviertel. Es wurden Künstlern Schaufenster von Mitgliedern des Vereins im Bahnhofsviertel zur Errichtung von Kunstwerken zur Verfügung gestellt. Die Koordination und Umsetzung des Projektes erfolgte damals in Kooperation mit dem Verein d. e.V. Zum damaligen "Schauraum" wurde ein Katalog erstellt und Interessierten kostenlos überlassen. Bei beiden Projekten "Schauraum" und "Schaltschränke" bestand Gelegenheit zum kostenlosen Zugang für Interessierten zu den jeweiligen Veranstaltungen. Einnahmen gab es allein bei den zu Schauraum 2011 bzw. 2013 erstellten Katalogen durch Anzeigen dort (Sponsoren). Gewinne wurden damit insoweit unstreitig nicht erwirtschaftet. Im Übrigen erfolgte bei dem maßgeblichen Großprojekt, den "Schaltschränken", die Finanzierung anteilig mittels öffentlicher Zuschüsse des Landes NRW bzw. der Stadt Münster und privater Sponsoren. Der Verein erhielt 50 % der Projektkosten durch Zuschüsse des Landes NRW, der Sparkasse und der Stadt. Weitere 50 % der Projektkosten wurden von einzelnen Mitgliedern des Vereins sowie Unternehmen aus der Region als Sponsoren aufgebracht. Hinzukamen vom Kläger erzielten Gewinne aus dem ...

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