Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage. Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung. Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wegen Zuständigkeit eines anderen Staates für die Durchführung des Asylverfahrens
Orientierungssatz
1. Im Falle der Abwendung eines Eingriffs in grundrechtlich geschützte Positionen kann die aufschiebende Wirkung nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG angeordnet werden, wenn das Gericht ernstliche Zweifel hat, ob die von der Behörde für ihren Verwaltungsakt beanspruchte Ermächtigungsgrundlage verfassungsgemäß ist.
2. An der Regelung des § 1a Abs 7 AsylbLG bestehen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.1.2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.1.2020 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Der Antragsteller begehrt ungekürzte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz- AsylbLG - von dem Antragsgegner.
Der am C. 1988 geborene Antragsteller ist am 12.11.2019 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hat einen Asylantrag gestellt. Er ist kolumbianischer Staatsangehöriger. Zuvor hatte er in der Schweiz ein Asylverfahren betrieben.
Mit Bescheid vom 5.12.2019 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - BAMF - den Asylantrag als unzulässig ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - nicht vorliegen und ordnete die Abschiebung in die Schweiz an. Zur Begründung stellte es fest, dass nach der Dublin III-Verordnung die Schweiz zuständig für die Bearbeitung des Asylantrags sei. Diese habe ihre Zuständigkeit mit Schreiben vom 4.12.2019 erklärt. Eine hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht D. ist noch nicht beendet. Den gegen die Abschiebungsanordnung gestellten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte das Verwaltungsgericht D. mit Beschluss vom 14.1.2020 ab.
Seit dem 11.12.2019 ist der Antragsteller bei dem Antragsgegner in der Außenstelle D. untergebracht. Mit Bescheid vom 25.11.2019 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller für die Zeit vom 15.11.2019 bis zum 31.12.2019 Leistungen nach den §§ 3, 3a i. V. m. § 1 AsylbLG. Mit Schreiben vom 20.12.2019, dem Antragsteller am 30.12.2019 zugegangen, hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einer beabsichtigten Einschränkung seines Anspruchs gemäß § 1a Abs. 7 AsylbLG an. Mit Bescheid vom 2.1.2020 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller ab dem 1.1.2020 Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG AsylbLG für den Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung und Gesundheitspflege in Form von Sachleistungen und daneben eine Bargeldleistung in Höhe von 139 € monatlich sowie einen Wertgutschein in Höhe von 33,93 € monatlich.
Mit Bescheid vom 15.1.2020 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 25.11.2019 und vom 2.1.2020 auf und gewährte dem Antragsteller ab dem 15.1.2020 bis zu seiner Ausreise oder Abschiebung, längstens bis zum 14.7.2020 (sechs Monate) lediglich eingeschränkte Leistung in Höhe des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung sowie Gesundheit und Körperpflege als Sachleistung sowie Leistungen bei Krankheit, bei vorliegender Notwendigkeit nach § 4 AsylbLG.
Mit Schreiben vom 22.1.2020 erhob der Antragsteller hiergegen Widerspruch. Er machte die Verfassungswidrigkeit der Anspruchseinschränkung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG geltend. Die Vorschrift sei migrationspolitisch motiviert, was nach den Urteilen vom 18.07.2012 zu den Az.: 1 BvL10/10, 1 BvL 2/11 nicht hinnehmbar sei. Zudem meldete er an, dass er keine Leistungen zur Deckung seines Bedarfs an körperlicher Pflege und Hygiene erhalte. Es fehle ihm an Waschmitteln für den Körper, Zahnpasta und Zahnbürste sowie Artikeln zur Rasur. Insoweit stellte er gleichzeitig Antrag die Gegenstände zu bewilligen.
Über den Widerspruch hat der Antragsgegner - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden.
Unter dem 24.1.2020 hat der Antragsteller das Sozialgericht Oldenburg um Eilrechtsschutz nachgesucht. Er macht geltend, dass die Einschränkung seines soziokulturellen Existenzminimums verfassungswidrig sei. Er verweist auch auf das Urteil des BVerfG vom 5.11.2019 zu dem Az. 1 BvL 7/16, wonach zu dem menschenwürdigen Existenzminimum die physische und soziokulturelle Existenz gleichermaßen zähle. Im Übrigen sei nach der Rspr. des EuGH ein menschenwürdiger Lebensstandard zu gewährleisten (Rechtssache Haqbin C- 233/18).
Er beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 22.1.2020 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 15.1.2020 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners sowie de...