Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenübernahme des Multigenexpressionstests Oncotype DX (Brustkrebstest)

 

Leitsatz (amtlich)

Der Multigenexpressionstest Oncotype DX (Brustkrebstest) stellte Anfang 2018 eine neue Untersuchungsmethode dar, für die der GBA noch keine Empfehlung ausgesprochen hatte. Auch ein Kostenerstattungsanspruch unter dem Gesichtspunkt eines Systemversagens wegen der Dauer des Verfahrens vor dem GBA scheidet aus.

 

Orientierungssatz

Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 6.12.2005 - 1 BvR 347/98 = BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5) wegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Umstritten ist ein Anspruch der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse, ihr die für die Durchführung eines Multigenexpressionstests Oncotype DX® (Brustkrebstest) entstandenen Kosten zu erstatten.

Für die Klägerin fragte die S. GmbH unter dem 13. Dezember 2017 bei der Beklagten an, ob sie die Kosten für den beabsichtigten Oncotype DX® Brustkrebstest erstatte. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der Klägerin sei ein invasiver, hormonrezeptor-positiver Brustkrebs diagnostiziert worden. Da die vorliegenden Ergebnisse der klassischen pathologischen Untersuchungen keinen eindeutigen Schluss auf die weitere Behandlung zuließen, sei vom Tumorboard der behandelnden Klinik leitliniengerecht beschlossen worden, zusätzliche Informationen durch diesen Test einzubeziehen. Der Test sei der zurzeit einzige Test, der auf der Grundlage vorliegender Studien eine Aussage zur Wirksamkeit einer Chemotherapie und der Wahrscheinlichkeit des Wiederauftretens der Erkrankung machen könne.

Mit weiteren Schreiben unter dem selben Datum stellte die Gesellschaft einen Kostenübernahmeantrag und führte aus, die vorliegenden klinisch-diagnostischen Daten erlaubten der Klägerin und ihren Ärzten keine klare Einschätzung, ob sie von einer Chemotherapie profitieren oder unnötigerweise unter deren Nebenwirkungen leiden würde. Um über weitere therapeutische Maßnahmen entscheiden zu können, würden die behandelnden Ärzte die Durchführung des Tests empfehlen. Beigefügt war eine Erklärung der Klägerin vom 13. Dezember 2017, wonach sie ihren Anspruch auf Kostenerstattung an die Gesellschaft abgetreten habe. Gleichzeitig habe sie alle im Bereich Oncotype DX angestellten Mitarbeiter des Servicecenters entsprechend § 13 SGB X bevollmächtigt, die Kosten für den Test in ihrem Namen bei der Beklagten geltend zu machen. Weiterhin erklärte sie, sie habe ihren Arzt beauftragt, den Test durchzuführen. Der Test sei derzeit noch nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Sie sei darüber aufgeklärt, dass diese Leistung privatärztlich nach den Bestimmungen der GOÄ liquidiert werden könne. Daher trete sie ihren Anspruch auf Kostenerstattung für die Durchführung des Tests gegenüber der Krankenversicherung an die Gesellschaft ab.

Beigefügt war ein Kostenvoranschlag in Höhe von 3.296,14 Euro.

Durch Bescheid vom 15. Dezember 2017 lehnte die Beklagten die Kostenübernahme ab. Eine Bewilligung könne nicht erfolgen. Es handle sich um keine Regelleistung der GKV.

Der Widerspruch hiergegen hatte keinen Erfolg. Im Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2018, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird, führte der Widerspruchsausschuss unter anderem an, der GKV-Spitzenverband habe im Oktober 2013 einen Bewertungsantrag für biomarkerbasierte Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Chemotherapie beim primären Mammakarzinom gestellt. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) habe den Antrag mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 angenommen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) untersuche derzeit den Nutzen, den bestimmte Brustkrebspatientinnen von Biomarkertests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante systemische Chemotherapie hätten. Die vorläufigen Ergebnisse habe das Institut am 10. November 2015 veröffentlicht. Demnach sei weder der Nutzen noch ein Schaden einer solchen biomarkerbasierten Strategie für diese Patientinnen belegt (Frauen mit primären hormonrezeptor-positivem, HER2/neu-negativen Mammakarzinom und bis zu drei befallenen Lymphknoten). Weiterhin verwies der Ausschuss auf ein Gutachten des Kompetenzzentrums Onkologie des MDK Nordrhein (Stand 06. Mai 2013), wonach die wissenschaftliche Erkenntnislage zum Nutzen und der medizinischen Notwendigkeit der Testanwendung als nicht ausreichend gesichert beurteilt werde. Ein solcher Test solle nur im Rahmen von klinischen Studien erfolgen. Das Sozialgericht Wiesbaden habe mit Urteil vom 11. Februar 2015 (S 1 KR 235/13) in einer vergleichbaren Fallkonstellation die Auffassung der Krankenkasse bestätigt. Der Ausschuss lehnte auch einen Anspruch gem. § 2 Abs. 1a SGB V ab. Der Test diene dazu, die Patientinnen zu ermitteln, bei denen gegebenen...

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