Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des SG Stade vom 1.2.2007 - S 1 KR 212/05, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 3. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2005 wird aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, den Behandlungsplan der Zahnärztin Dr. I. vom 14. Juli 2004 zu genehmigen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, dem Kläger eine kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe des Behandlungsplans vom 14. Juli 2004 als Sachleistung zu gewähren.
Die notwendigen außergerichtlichen Auslagen des Klägers und der Beigeladenen trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer kieferorthopädischen Behandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der 1993 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich familienversichert. Er leidet unter einer Zahnfehlstellung.
Die Beigeladene ist als Fachzahnärztin für Kieferorthopädie in J. (Kreis K.) niedergelassen. Sie nahm bis zum 30. Juni 2004 an der vertragszahnärztlichen Versorgung im entsprechenden Planungsbereich teil. Ab diesem Zeitpunkt verzichtete die Beigeladene neben vierzig weiteren Fachzahnärzten für Kieferorthopädie bzw kieferorthopädisch tätigen Zahnärzten auf ihre vertragszahnärztliche Zulassung. Zuvor hatte das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit als zuständige Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 3. Juni 2004 festgestellt, dass in den drei Niedersächsischen Planungsbereichen Landkreis L., Landkreis M. und Landkreis N. mehr als 50 % der dort niedergelassenen Vertragszahnärzte, die kieferorthopädische Leistungen erbringen, in einem mit anderen Zahnärzten aufeinander abgestimmten Verfahren oder Verhalten auf ihre Zulassung nach § 95b Abs 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) verzichtet hätten. In der Begründung des Bescheids warf das Ministerium 41 namentlich aufgeführten niedersächsischen (Fach-)Zahnärzten - darunter auch die Beigeladene - die Teilnahme an einem abgestimmten Verhalten vor.
Ende Oktober 2004 reichte die Beigeladene einen privatärztlichen Behandlungsplan für eine kieferorthopädische Behandlung des Klägers für insgesamt sechs Quartale bei der Beklagten ein. Dem Behandlungsplan war eine Kostenaufstellung nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) mit dem einfachen Gebührensatz über insgesamt 2.353,57 EUR sowie ein Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten gemäß § 13 Abs 3 SGB V beigefügt. Mit Schreiben vom 3. November 2004 lehnte die Beklagte diesen Antrag gegenüber dem Kläger unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften ab. Zur Begründung führte sie aus, dass Versicherte gemäß § 76 Abs 1 SGB V nur unter den zur vertragszahnärztlichen Behandlung zugelassenen Zahnärzten/Kieferorthopäden frei wählen können. Die Beigeladene nehme an dieser vertragszahnärztlichen Versorgung nicht (mehr) teil. Dem Schreiben war eine Aufstellung kieferorthopädisch tätiger Zahnärzte beigefügt, mit denen die Beklagte Einzelverträge zur Sicherstellung der kieferorthopädischen Versorgung geschlossen hatte. Zusätzlich wies die Beklagte darauf hin, dass zugelassene Kieferorthopäden in O. oder P. bereit seien, eine entsprechende Behandlung des Klägers durchzuführen. Ein hiergegen eingelegter Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2005).
Der Kläger hat am 21. Februar 2005 Klage erhoben und zunächst die Erstattung der durch die kieferorthopädische Behandlung durch die Beigeladene entstehenden Kosten begehrt. Im Laufe des Verfahrens hat der Kläger seine Klage hinsichtlich der Gewährung einer kieferorthopädischen Behandlung als Sachleistung umgestellt.
Zur Begründung seiner Klage führt er aus, dass er nach den §§ 29, 95b Abs 3 SGB V berechtigt sei, die Beigeladene im Rahmen seines krankenversicherungsrechtlichen Sachleistungsanspruchs aus § 2 Abs 2 SGB V in Anspruch zu nehmen. So habe die Beigeladene gemeinsam mit anderen Ärzten in einem aufeinander abgestimmten Verfahren auf ihre Zulassung als Vertragszahnärztin verzichtet. In einem solchen Fall sei es nach dem Gesetzeswortlaut zulässig, im Rahmen des Rechts auf freie Arztwahl auch die Behandler zu wählen, die entsprechend ihrer Verzichtserklärung nicht mehr als Vertragszahnärzte zugelassen seien.
Der Kläger beantragt zuletzt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 3. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2005 die Beklagte zu verurteilen,
1. den Behandlungsplan der Zahnärztin Dr. I. vom 14. Juli 2004 zu genehmigen und
2. dem Kläger eine kieferorthopädische Behandlung nach Maßgabe dieses Behandlungsplans als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und weist ergänzend darauf hin, dass in § 76 Abs 1 Satz 1 SGB V abschließend geregelt sei, unter welchen Ärzten und Zahnärzten die gesetzlich Krankenversicherten ihren Behandler auswählen können. Danach sei die Wahl eines Kieferorthopäden, der in einem abgestimmte...