Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. kein Anfall einer (fiktiven) Terminsgebühr bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs ohne mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine (fiktive) Terminsgebühr fällt nicht an, wenn in einem Verfahren vor dem Landessozialgericht, für das eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen die Kostenfestsetzungsverfügung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Stuttgart vom 7.9.2010 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer begehrt die Festsetzung einer Terminsgebühr für den Abschluss eines Vergleiches im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Nr. 3205 VV RVG i. V. m. Nr. 3106 VV RVG.

Gegenstand des seit dem 10.6.2009 anhängigen, unter der Aktenzeichen L 8 SB 2642/09 geführten Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg war die Zuerkennung eines Grades der Behinderung in Höhe von 50 vom Hundert ab Februar 2007 unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 30.4.2009 (Az.: S 20 SB 8840/07) und des Bescheides des Versorgungsamtes Stuttgart vom 26.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes vom 19.11.2007. Durch Beschluss vom 30.10.2009 wurde dem Berufungskläger hierfür Prozesskostenhilfe bewilligt und zur Wahrung seiner Rechte der Erinnerungsführer beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 12.7.2010 unterbreitete der Berufungsbeklagte ein Vergleichsangebot über die Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 50 vom Hundert ab Juli 2009 ohne Erstattung der außergerichtlichen Kosten. Mit Schriftsatz vom 23.7.2010 nahm der Erinnerungsführer das Vergleichsangebot für den Berufungskläger an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Schreiben vom 17.8.2010 beantragte der Erinnerungsführer die Festsetzung seiner Gebühren gegen die Staatskasse wie folgt:

- 310 Euro Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG.

- 200 Euro Terminsgebühr gemäß Nr. 3205 VV RVG.

- 250 Euro Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1007 VV RVG.

- 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und

  Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG.

Zwischensumme netto:

780 Euro

- 148,20 Euro Umsatzsteuer in Höhe von 19 % gemäß Nr. 7008 VV RVG.

Gesamtsumme:

928,80 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Stuttgart setzte die von der Landeskasse zu erstattenden außergerichtlichen Kosten am 7.9.2010 in folgender Höhe fest:

- 310 Euro Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3204 VV RVG.

- 250 Euro Einigungsgebühr gemäß Nr. 1005, 1007 VV RVG.

- 20 Euro Pauschale für Entgelte für Post- und

  Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG.

Zwischensumme netto:

580 Euro

- 110,20 Euro Umsatzsteuer in Höhe von 19 % gemäß Nr. 7008 VV RVG.

Gesamtsumme:

690,20 Euro

Zur Begründung der Absetzung der beantragten Terminsgebühr und der darauf entfallenden Umsatzsteuer führte die Urkundsbeamtin aus, dass eine Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG nicht angefallen sei, da weder eine mündliche Verhandlung stattgefunden habe noch die in Nr. 3106 VV RVG genannten Voraussetzungen für die Entstehung einer Terminsgebühr erfüllt seien. Der Abschluss eines Vergleichs im schriftlichen Verfahren löse in Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstehen, im Gegensatz zu Verfahren, dessen Gebühren nach Gegenstandswert berechnet werden, keine Terminsgebühr aus.

Hiergegen richtet sich die am 12.11.2010 bei Gericht eingegangene Erinnerung des Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers vom 11.11.2010. Er meint, dass auch beim Abschluss eines Vergleiches im schriftlichen Verfahren in analoger Anwendung von Nr. 3104 Anm. 1 Ziff. 1 VV RVG eine Terminsgebühr anfalle. Die erkennende Kammer des Sozialgerichts Stuttgart habe durch Beschluss vom 30.10.2007 (Az.: S 20 AL 6741/07 KE) ausgeführt, dass es sich bei der Nichtaufnahme des Abschlusses eines schriftlichen Vergleichs in Nr. 3106 VV RVG um ein gesetzgeberisches Versehen handle. Andernfalls würde nämlich die vom Gesetzgeber gerade nicht mehr gewollte Praxis, einen gerichtlichen Verhandlungstermin nur um der anwaltlichen Gebühr willen anzusetzen, perpetuiert werden.

Der Erinnerungsführer beantragt (sachdienlich gefasst),

die Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 7.9.2010 abzuändern und die im Wege der Prozesskostenhilfe von der Staatskasse zu erstattende Vergütung des Erinnerungsführers auf 928,80 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,

die Erinnerung zurückzuweisen.

Der Bezirksrevisor beim Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in seiner Stellungnahme vom 30.12.2010 ausgeführt, dass keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Eine der Nr. 3104 Anm. 1 Ziff. 1 VV RVG entsprechende Regelung sei vom Gesetzgeber bewusst nicht in Nr. 3106 VV RVG aufgenommen worden. Dem Gesetzgeber sei erkennbar bekannt gewesen, dass bei der Entwicklung der neuen Vergütungsstruktur zu bedenken und entscheiden war, ob bei Beendigung eines sozialgerichtlichen Verfahren...

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