Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Drittanfechtung einer Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB 5. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Interessenabwägung. Beachtung der Interessen des bereits tätigen Arztes
Orientierungssatz
1. Die Eilentscheidung in Anfechtungssachen verlangt vom Gericht eine eigene originäre Entscheidung unter Abwägung der betroffenen Interessen, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das durch Art 19 Abs 4 GG verfassungsrechtlich geschützte Aussetzungsinteresse gegeneinander abzuwägen sind. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung in die Betrachtung einzubeziehen sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (vgl LSG Stuttgart vom 7.1.2002 - L 13 AL 3590/01 ER-B und vom 9.1.2003 - L 13 AL 4269/02 ER-B).
2. Die sonach gebotene Interessenabwägung führt zu einem Überwiegen der Interessen des bereits zugelassenen Arztes gegenüber dem Vollzugsinteresse des Mitbewerbers an der Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a SGB 5. Denn bei der im Eilverfahren gebotenen, aber zugleich ausreichenden summarischen Prüfung sind die Erfolgsaussichten der Klage als offen zu bezeichnen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die dem Beigeladenen erteilte Genehmigung vom 17.03.2010 zur Durchführung künstlicher Befruchtungen in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.07.2011 wird wiederhergestellt.
Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin und der Beigeladene jeweils die Hälfte.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die Anordnung der sofortigen Vollziehung der dem Beigeladenen erteilten Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der Antragsteller ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin und nimmt mit Vertragsarztsitz in S. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er betreibt das Kinderwunsch Zentrum S., Praxis V. H. Er verfügt zudem über eine von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen nach § 121a Abs. 2 SGB V. Der Beigeladene ist ebenfalls Facharzt Frauenheilkunde und Geburtshilfe, gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Er betreibt das Kinderwunsch-Zentrum S.
Unter dem 10.01.2009 beantragte der Beigeladene bei der Antragsgegnerin die Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gem. § 121a SGB V bzgl. Maßnahmen der assistierten Reproduktion.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV BW) nahm mit Schreiben vom 08.09.2008 und 19.10.2009 zum Genehmigungsantrag dahingehend Stellung, nach wie vor liege die Anzahl der Praxen mit Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen im Einzugsgebiet von S. als dem Ort der Niederlassung weit über der für eine ausreichende Versorgung notwendigen Zahl. Mit der dann fünften Genehmigung würde eindeutig die Grenze zur Überversorgung überschritten. Es sei deshalb vorsorglich darauf hinzuweisen, dass ein sechstes IVF-Zentrum so lange nicht als bedarfsgerecht angesehen werden könne, wie in anderen Regionen in Baden-Württemberg noch gar kein Versorgungsangebot bestehe. Zu denken sei hier vorrangig an die Region Heilbronn-Franken, aber auch die Regionen Schwarzwald-Baar-Heuberg, Hochrhein-Bodensee und Bodensee-Oberschwaben, wo bis heute ein solches Zentrum nicht bestehe.
Die Antragsgegnerin erteilte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 17.03.2010 die beantragte Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen. Dagegen legten der Antragsteller mit Schreiben vom 17.03.2011 sowie Frau Prof. Dr. med. U. F. mit Schreiben vom 14.03.2011 jeweils Widerspruch ein. Der Antragsteller begründete seinen Widerspruch mit Schreiben vom 17.05.2011 damit, in Baden-Württemberg und insbesondere im Großraum S.. sei bereits eine viel zu große Zahl von Praxen zur Durchführung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung vorhanden. Von den 21 Zentren in Baden-Württemberg befänden sich alleine zehn im Großraum S. (S., L., A., P., T., E.). Es bestünden daher keine Zweifel an der bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft, auch ohne die Praxis (u.a.) von Prof. Dr. M./Dr. G. Es müsse ein sinnvolles Verhältnis zwischen der Anzahl der Fachpraxen und der möglichen Patienten bestehen, um eine hohe Qualität der Leistung gewährleisten zu können. Es sei auch fraglich, ob die Praxis des Beigeladenen die Voraussetzungen für die fachgerechte Erbringung dieser Leistungen erfülle.
Die Widersprüche wurden von der Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheiden jeweils vom 27.07.2011 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, bei § 121a SGB V handele es sich um keine drittschützende Norm. Eine Drittanfechtungsbefugnis bestehe daher nicht. Durch die Genehmigung nach § 121a SGB V werde kein Basisstatus eröffnet, sondern lediglich die Befug...