Rz. 5

Die Verordnungsermächtigung für das BMG zum Aufbau einer Koordinierungsstelle bei der gematik, die die Interoperabilität und die Anforderungen an Schnittstellen fördert und die notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen bereitstellt, wurde bereits mit dem Digitale–Versorgung–und–Pflege–Modernisierungs–Gesetz (DVPMG) v. 3.6.2021 in Form des ehemaligen § 394a eingeführt. Einzelheiten dieses Governance-Prozesses wurden durch die IOP-Governance-Verordnung (GIGV) v. 7.10.2021 geregelt. Das BMG stimmt sich bei allen Interoperabilitätsregelungen, die unmittelbar oder mittelbar auch Bereiche des SGB VII und die elektronische Arbeitsunfähigkeitsmeldung (eAU) nach § 295 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 10 betreffen, frühzeitig mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ab.

Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag wurde eine neue Koordinierungsstelle für Interoperabilität im Gesundheitswesen eingerichtet, deren Aufgabe es ist, die Bedarfe für die Standardisierung zu identifizieren und Empfehlungen für die Nutzung von Standards, Profilen und Leitfäden zu entwickeln und fortzuschreiben. Die durch die Koordinierungsstelle und das von ihr ernannte Expertengremium in der Praxis gewonnen Erkenntnisse sind unmittelbar in die Gesetzgebung eingeflossen und haben zur Neugestaltung der zugrundeliegenden Rechts- und Ermächtigungsgrundlage beigetragen. Diese findet sich nunmehr systematisch in § 385 und wurde entsprechend der fachlichen Anforderungen weiterentwickelt.

Bisher wurden Regelungen zur Interoperabilität informationstechnischer Systeme im Gesundheitswesen an verschiedenen systematischen Stellen im SGB V getroffen. Die gesetzlichen Aufträge und Verantwortlichkeiten zur Spezifikation und Festlegung von technischen, semantischen und syntaktischen Standards, Profilen und Leitfäden wurden dabei auf verschiedene Akteure verteilt. So war beispielsweise nach § 355 a. F. die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) u. a. mit der Spezifikation der Medizinischen Informationsobjekte betraut, wohingegen die gematik nach den §§ 371 bis 374 a. F. für die Spezifikation von Schnittstellen in der ambulanten, stationären und pflegerischen Versorgung verantwortlich war. Des Weiteren hat die Koordinierungsstelle bereits nach dem alten § 394a die Aufgabe der Identifikation und Priorisierung von technischen, semantischen und syntaktischen Standards, Profilen und Leitfäden unter Berücksichtigung europäischer und internationaler Standards inne. Darüber hinaus werden bislang im SGB V zwar Interoperabilitätsanforderungen festlegt, es fehlt oftmals jedoch an einheitlichen Standards für die Implementierung dieser Anforderungen. Gleichzeitig sind bestehende Zertifizierungs- und Bestätigungsverfahren hinsichtlich eben dieser Interoperabilitätsanforderungen unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen zugeordnet. Daraus resultieren zum einen unterschiedliche Standards, Vorgaben und Verfahrensschritte in der Durchführung der Zertifizierungs- und Bestätigungsverfahren, zum anderen ergibt sich so oftmals auch eine Fokussierung auf einzelne Bereiche des Gesundheitswesens, wie z. B. im Falle von ISiK oder ISiP nach § 373 a. F. Als Folge haben sich in der Vergangenheit sowohl Inkompatibilitäten, Widersprüchlichkeiten und Mehrfachspezifikationen ergeben als auch Qualitätsunterschiede in den letztlich zertifizierten informationstechnischen Systemen. Diese Probleme resultieren unter anderem aus einer fehlenden Koordination, einer fehlenden übergreifenden Priorisierung von Spezifikationen und einer zu starken Fragmentierung der Zuständigkeiten bei einer hohen Anzahl unterschiedlicher Akteure im Gesundheitswesen (BT-Drs. 20/9048 S. 135 f.).

 

Rz. 6

Interoperabilität beschreibt die Fähigkeit eines Systems, Gerätes oder einer Anwendung bei vergleichbarer Systemumgebung mit anderen Systemen, Geräten oder Programmen desselben Standards zu kommunizieren (www.dev-insider.de/was-ist-interoperabilitaet-a-957439; abgerufen: 5.5.2021). Das zentrale Verzeichnis der gematik enthält neben IT-Standards und Telemedizinprojekten elektronische Anwendungen mit neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz, Big Data und Blockchain sowie europäische Aktivitäten, Begriffsdefinitionen und agierende Organisationen (www.ina.gematik.de). Als interoperabel hinsichtlich der Aufnahme in andere digitale Verzeichnisse gelten alle Festlegungen von Inhalten der elektronischen Patientenakte sowie die empfohlenen Standards und Profile (Digitale Gesundheitsanwendungen-Verordnung v. 8.4.2020, BGBl. I S. 768). Das Interoperabilitätsverzeichnis stellt Transparenz über die technischen und semantischen Standards, Profile und Leitfäden für die informationstechnischen Systeme im Gesundheitswesen her. Es fördert mithin die Interoperabilität zwischen informationstechnischen Systemen im Gesundheitswesen (Deprins, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 385 Rz. 24).

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