Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 4
Die Vorschrift richtet sich an alle Leistungserbringer, es sei denn, eine Norm bestimmt etwas anderes. Justitiable Rechtsgebote und -pflichten lassen sich aus dem allgemeinen Sicherstellungsauftrag nicht entnehmen (Ostertag, in: BeckOGK Sozialrecht, SGB V, § 72 Rz. 37). Sicherstellung der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung bedeutet, dass gemessen an der Zahl der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung ausreichend und flächendeckend Vertragsärzte, Vertragspsychotherapeuten, Vertragszahnärzte oder ermächtigte bzw. zugelassene ärztlich geleitete Einrichtungen zur Verfügung stehen, die eine zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung als Sachleistung nach den gesetzlichen Vorschriften und den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (vgl. § 92) gewährleisten. Verbunden damit ist gleichzeitig eine ständige Weiterentwicklung bzw. Verbesserung der ambulanten Versorgung, insbesondere durch die gemeinsame Selbstverwaltung der Ärzte (Psychotherapeuten), Zahnärzte und Krankenkassen. Bereits in der Begründung des Gesetzes über Kassenarztrecht (GKAR) v. 17. 8.1955 (BGBl. I S. 513) war der Gesetzgeber davon ausgegangen, "dass die ärztliche Versorgung um so besser und wirkungsvoller ist, je mehr die eigene Verantwortung aller Beteiligten, der Versicherten, der Krankenkassen und ihrer Verbände, der Ärzte und ihrer Vereinigungen geweckt wird. Staatliche Regelungen und staatlicher Zwang können gerade auf diesem Gebiet niemals so fruchtbare Ergebnisse zeitigen wie die Selbstverwaltung der Beteiligten". Für die gemeinsame Selbstverwaltung der Ärzte (Psychotherapeuten)/Zahnärzte und Krankenkassen beinhalten diese nach wie vor aktuellen Begründungen Chancen, aber auch Risiken, derer sie sich immer wieder bewusst sein sollte.
Die Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung ist der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren (dargestellt durch die KV/KBV), der Zahnärzte (dargestellt durch die KZV/KZBV) und der Krankenkassen einschließlich ihrer Verbände als Gemeinschaftsaufgabe übertragen. Das gesetzlich vorgeschriebene Zusammenwirken macht deutlich, dass alle Beteiligten ihre von der Natur der Sache her unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder auf diese Gemeinschaftsaufgabe hin auszurichten haben. Bei allen Gegensätzen zwischen den Beteiligten, die Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung der Versicherten hat für alle immer an vorderster Stelle zu stehen. Schon bei der Einführung des Kassenarztrechts waren die Rechtsgarantien in der Gesetzesbegründung wie folgt skizziert worden:
"Durch den Vorbehalt der staatlichen Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen und ihre Verbände, die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen und Bundesvereinigungen, der Aufsicht über alle Gemeinschaftseinrichtungen sowie den Vorbehalt des staatlichen Eingreifens, wenn die Tätigkeit der Selbstverwaltungsorgane versagt, und schließlich durch den Vorbehalt gerichtlicher Nachprüfung von Entscheidungen der Selbstverwaltungsorgane über die Rechte und Pflichten des Versicherten und des (zahn-)ärztlichen Leistungserbringers durch die Sozialgerichte ist die Gewähr gegeben, dass die berechtigten Interessen der Allgemeinheit und des Einzelnen nicht beeinträchtigt oder verletzt werden können." Daran hat sich bisher nichts geändert.
In materieller Hinsicht bezieht sich die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung auf alle Dienstleistungen, die von zugelassenen oder ermächtigten Ärzten (einschließlich Psychotherapeuten), ermächtigten ärztlich geleiteten Einrichtungen oder zugelassenen medizinischen Versorgungszentren sowie zugelassenen oder ermächtigten Zahnärzten (vgl. § 95) für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden. Dienstleistungen in diesem Sinne sind die ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen der Krankenbehandlung, zur Vorsorge und Verhütung von Krankheiten, zur Krankheitsfrüherkennung, bei Rehabilitation, bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie zur Empfängnisregelung und bei Abbruch einer Schwangerschaft. Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung ist Bestandteil der Krankenbehandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung (§ 27 Abs. 1; zur "Durchführung" vgl. § 28 Abs. 3). Auch ärztliche, psychotherapeutische oder zahnärztliche Leistungen medizinischer Versorgungszentren gehören zur vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung. Als Besonderheit rechnen die belegärztlichen Leistungen zur vertragsärztlichen Versorgung. Belegarzt in diesem Sinne ist ein in freier Praxis niedergelassener Vertragsarzt, der seine krankenversicherten Patienten vorübergehend stationär in einem Krankenhaus behandelt. Neben diesen medizinischen Dienstleistungen erstreckt sich die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung auf die gesetzlich oder vertraglich geregelten Bedingungen, zu denen die ärztlichen/zahnärztlichen Dienstleistungen erbracht, vergütet und abgerechnet werden.
Die Regelungen der Sicherstellung können nach al...