Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 25
Die gesetzliche Grundlage des § 73 Abs. 1 steht neben dem ärztlichen Berufsrecht sowie den dortigen Gebietsbezeichnungen und verändert nicht die Leistungsinhalte und Grenzen des Fachgebietes der hausärztlichen Versorgung. Das folgt schon daraus, dass der Gesetzgeber des Vertragsrechts auf der Grundlage seiner aus Art. 74 Nr. 12 GG abgeleiteten Annexkompetenz zum Sozialversicherungsrecht vertragsärztliche Regelungen getroffen hat und damit die Grundlagen des ärztlichen Berufsausübungsrechts nicht abändern kann (Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 73 Rz. 7). Der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Hausarzt ist zur Teilnahme an der Versorgung der Versicherten einer Krankenkasse verpflichtet (§ 95 Abs. 3) mit der Einschränkung, dass sie bestimmte den Fachärzten überlassene Leistungen nicht erbringen dürfen, auch wenn sie über die nötigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen oder ihnen die technische Infrastruktur zur Verfügung steht (vgl. Wenner, NZS 2002 S. 2). Die Bindung an sein Fachgebiet und die vertragsärztliche Zulassung berechtigt ihn als Vertragsarzt, nur in diesen rechtlichen Grenzen tätig zu werden.
Die konkreten Aussagen zum Inhalt hausärztlicher Versorgung in Abs. 1 weisen dem Hausarzt eine zentrale Funktion im Behandlungsgeschehen im Sinne eines Lotsen zu. In Abs. 1 Nr. 1 bis 4 sind Eckpunkte enthalten, die der Gesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung der hausärztlichen Versorgung umgesetzt sehen möchte. Die weitere Ausgestaltung der hausärztlichen Versorgung war durch den mit Wirkung zum 1.7.2008 aufgehobenen Abs. 1c weiterhin der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und der Krankenkassen auf Bundesebene übertragen worden, die näher am Geschehen ist und die Versorgungssituation grundsätzlich besser einzuschätzen vermag. Die Eckpunkte 1 bis 4 des Abs. 1 waren von den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) in den mit Wirkung zum 1.1.1994 geltenden Vertrag über die hausärztliche Versorgung übernommen und dort im Laufe der Zeit weiter konkretisiert worden.
Der Vertrag über die hausärztliche Versorgung ist als Anlage 5 in den mit Wirkung zum 1.10.2013 für alle Kassenarten einheitlichen BMV-Ä übernommen worden, was bedeutet, dass er über § 82 Abs. 1 für alle an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer (Ärzte, medizinischen Versorgungszentren und Psychotherapeuten, ermächtigte Einrichtungen) sowie für die Kassenärztlichen Vereinigungen und für die gesetzlichen Krankenkassen bundesweit verbindlich ist.
Der Wegfall der Rechtsgrundlage für den Vertragspartner auf Krankenkassenseite durch Streichung des Abs. 1c ist aber durch die Übernahme des "Vertrages über die hausärztliche Versorgung (§ 73 Abs. 1c SGB V)" als Anlage 5 des BMV-Ä kompensiert worden. Als Bestandteil des BMV-Ä, den die KBV mit dem GKV-Spitzenverband zu vereinbaren hat, gehört der Vertrag über die hausärztliche Versorgung nunmehr zum allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge (vgl. § 82). Der Zweck des Vertrages über die hausärztliche Versorgung ist in § 1 festgelegt. Auf der gesetzlichen Grundlage der funktionalen Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung in die hausärztliche und fachärztliche Versorgung sollen die Vertragsparteien die ergänzenden Regelungen, um eine langfristige Weiterentwicklung der ambulanten Versorgung einleiten.
Zum Inhalt der hausärztlichen Versorgung enthält Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ein Tableau der Eckpunkte von Aufgaben eines Hausarztes. Sie werden noch einmal in § 2 BMV-Ä genauer umschrieben. Die Aufzählung des Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ist nicht abschließend (insbesondere), praktisch lassen sich keine Weiterungen finden. Mit Wirkung zum 11.5.2019 ist in Abs. 1 Nr. 2 der Inhalt der hausärztlichen Versorgung um die Vermittlung eines aus medizinischen Gründen dringend erforderlichen Behandlungstermins bei einem an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer erweitert worden. Eine Anpassung der Anlage 5 des BMV-Ä kann zwar noch anstehen, ist aber nicht zwingend erforderlich, weil die Vermittlung des dringend erforderlichen Behandlungstermins im Gesetz als Aufgabe des Hausarztes vorgeschrieben ist und das Gesetz dem Vertrag vorgeht.
Rz. 26
Der als Anlage 5 zum BMV-Ä geschlossenen Vertrag über die hausärztliche Versorgung unterteilt das hausärztliche Aufgabenspektrum in allgemeine Aufgaben der hausärztlichen Versorgung und in besondere hausärztliche Versorgungsfunktionen. Die allgemeinen hausärztlichen Versorgungsaufgaben nehmen alle an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte entsprechend der durch ihre Weiterbildung bestimmten Kompetenz wahr. Die besonderen hausärztlichen Versorgungsfunktionen gelten ebenfalls für alle Hausärzte, haben aber nichts mit der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b zu tun, bei der die auf freiwilliger Basis teilnehmenden Hausärzte besondere Qualitätsanforderungen zu erfüllen haben, welche über die allgemeinen Aufgaben und die besonderen Versorgungsfunktionen der hausärztlichen Versorgung hinausgehen.
Die allgemeinen...