Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 22
Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift gilt als Programmsatz sowohl für die vertragsärztliche als auch für die vertragszahnärztliche Versorgung. Danach haben die KVen/die KZVen und die KBV/KZBV die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang sicherzustellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Der in Abs. 1 normierte Sicherstellungsauftrag stellt für die KVen/KZVen sowie für die KBV/KZBV gleichzeitig ein Sicherstellungsmonopol dar, aus dem ihnen Rechte, aber auch Pflichten erwachsen. Daraus hat das BSG (Urteil v 30.11.2016, B 6 KA 38/15 R) abgeleitet, dass Vertragsärzten kein Streikrecht zusteht.
Zu den Rechten nach Abs. 2, die sich aus dem Sicherstellungsauftrag ergeben, gehört u. a., dass die KV oder KZV einerseits gegenüber den Krankenkassen die Rechte der Vertrags(zahn)ärzte auf eine angemessene Honorierung ihrer Leistungen wahrnehmen und andererseits, dass sie im Interesse der Krankenversicherung die Erfüllung der ihren ärztlichen bzw. zahnärztlichen Mitgliedern obliegenden vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten überwachen. Falls notwendig, haben sie die Vertrags(zahn)ärzte durch Disziplinarmaßnahmen nach § 81 Abs. 5 zur Erfüllung dieser Pflichten anzuhalten.
Rz. 23
Mit Wirkung zum 23.7.2015 sind durch die Streichung des Abs. 1 Satz 2 bis 4 und die Einführung der Abs. 1a und 1b sowie die Änderungen aufgrund des TSVG die inhaltlichen Vorgaben zum Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche Versorgung neu geregelt worden. Die vertragszahnärztliche Versorgung ist davon nicht tangiert, was sich explizit aus Abs. 1a Satz 13 ergibt.
Die Neuregelung bezieht sich einerseits auf die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen der ambulanten Notfallversorgung (vgl. Abs. 1b) und andererseits auf die Beseitigung des häufiger vorgekommenen Ärgernisses, dass der Versicherte keinen geeigneten Vertragsarzt findet, bei dem er in angemessener Zeit einen Behandlungstermin bekommt (vgl. Abs. 1a). Insbesondere bei der fachärztlichen Versorgung hatten bisher viele Patienten über lange Wartezeiten geklagt. Die aufgetretenen langen Wartezeiten sind in der Praxis häufig Anlass gewesen, lokale oder qualifikationsbezogene Sonderbedarfszulassungen geltend zu machen (§§ 36, 37 Ärzte-ZV), um in den Genuss bedarfsunabhängiger vertragsärztlicher Versorgung zu kommen. Der inhaltlich unbestimmte bisherige Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift, dass "die Sicherstellung auch die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der fachärztlichen Versorgung umfasst", haben für die Patienten, aber auch für deren Krankenkassen diese Ärgernisse nicht verhindern können. Zur Konkretisierung der Begriffe "angemessen und zeitnah" z. B. im Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) war es bisher nicht gekommen, wohl auch deshalb, weil die Ärzteschaft immer wieder behauptet hatte, dass sie zwar wisse, dass es in bestimmten Fachgruppen längere Wartezeiten gebe, aber dass das Thema aus ihrer Sicht längst nicht so dramatisch sei, wie es in der Öffentlichkeit dargestellt werde.
Einige Krankenkassen hatten die Patientenbeschwerden aber zum Anlass genommen, lange vor dem GKV-VSG mit der regionalen KV vermittelnde Absprachen zu treffen, dass der Behandlungstermin beim Facharzt kurzfristig zustande kommen konnte. Die KV Nordrhein z. B. hatte dafür einen Patienteninformationsdienst (PID) eingerichtet, über den die Patienten die Namen und Praxisanschriften der Haus- und Fachärzte (auch von spezialisierten Fachärzten) in Wohnortnähe erfahren konnten. Eine Vermittlung eines Behandlungstermins durch die KV war damit aber nicht verbunden. Die weiteste Entwicklung für einen zeitnahen fachärztlichen Behandlungstermin gab es bei der KV Sachsen, bei der ein elektronisches Facharztvermittlungssystem schon seit Ende 2014 in Betrieb war. Auch einige, jedoch nicht alle behandelnden Hausärzte hatten sich darum bemüht, dass ihre Patienten im dringenden Überweisungsfall einen zeitnahen fachärztlichen Behandlungstermin erhielten.
Diese positiven Einzellösungen hatten aber das grundsätzliche Ärgernis über lange Wartezeiten nicht beseitigt können, sodass der Gesetzgeber zuerst mit dem GKV-VSG und noch konkreter mit dem TVSG die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung zunächst der fachärztlichen und mit Wirkung zum 11.5.2019 der vertragsärztlichen Versorgung verbindlich geregelt hat. Die Terminservicestellen sind damit verpflichtet worden, nicht nur Behandlungstermine bei Fachärzten, sondern auch bei Hausärzten und Kinder- und Jugendärzten zu vermitteln.