Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 2
Die Vorschrift gehört zum Vierten Kapitel SGB V "Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern" und dort zum Zweiten Abschnitt "Beziehungen zu Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten". Sie ist Teil des Siebten Titels, der mit "Voraussetzungen und Formen der Teilnahme von Ärzten und Zahnärzten an der Versorgung" überschrieben ist.
Obwohl sich die Überschrift der Vorschrift auf die "Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung" bezieht, gilt sie in gleicher Weise für die Teilnahme der Zahnärzte an der vertragszahnärztlichen Versorgung, da nach § 72 Abs. 1 Satz 2 die auf Ärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren (MVZ) bezogenen Vorschriften des Vierten Kapitels SGB V entsprechend für Zahnärzte gelten, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist. Die "entsprechende Geltung" führt aber nicht automatisch zu einer unterschiedslosen Anwendung aller für die Ärzte geltenden Bestimmungen. Eine Übertragung der für Ärzte geltenden Vorgaben ist daher nicht nur dann ausgeschlossen, wenn das Gesetz ausdrücklich von (nur) vertragsärztlichen oder (nur) vertragszahnärztlichen Regelungen spricht, sondern immer schon dann, wenn sich aus dem systematischen Zusammenhang der maßgeblichen Vorschriften und dem Wesen der jeweiligen Regelungsmaterie ergibt, dass eine entsprechende Anwendung nicht in Betracht kommt.
Zur besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit wird in den nachfolgenden Ausführungen hauptsächlich die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung abgehandelt bzw. die Teilnahme an der vertragszahnärztliche Versorgung nur dann, wenn gesetzliche Abweichungen gegenüber der vertragsärztlichen Versorgung bestehen.
Die Vorschrift regelt die Grundsätze der Teilnahme an der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung, die nähere Ausgestaltung dieser Rechtsgrundlagen ergibt sich, falls notwendig, aus den Zulassungsverordnungen für Ärzte bzw. Zahnärzte nach § 98 oder aus den Bundesmantelverträgen für Ärzte und Zahnärzte nach § 82 Abs. 1 in den jeweils geltenden Fassungen. Sie trifft eine Kernaussage für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die Vorschrift bedeutet für den Patienten die freie Arztwahl innerhalb eines Sicherstellungsauftrages des Arztes.
Rz. 3
Die auf Freiwilligkeit beruhende Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung setzt voraus, dass der Arzt/Psychotherapeut sowie das MVZ oder die medizinische Einrichtung vor Erteilung der Zulassung oder der Ermächtigung (Teilnahmeformen) besondere Bedingungen bzw. die gesetzlich vorgegebenen Gründungsvoraussetzungen erfüllen. Die Tatsache, dass jemand approbierter, freiberuflicher, niedergelassener oder angestellter Arzt, Psychotherapeut und als solcher berechtigt ist, im Bundesgebiet Patienten ärztlich bzw. psychotherapeutisch zu behandeln, reicht für die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung noch nicht aus. Das gilt auch für ein MVZ oder die in Abs. 1 Satz 1 aufgeführten medizinischen Einrichtungen, wenn sie an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen möchten. Wollen sie das nicht, dürfen sie die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, abgesehen von Notfällen, nicht ambulant behandeln, sondern müssen sich auf die Behandlung von Privatpatienten beschränken. Im Jahr 2019 waren z. B. im Vergleich in Deutschland ca. 73 Mio. Menschen in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, die privaten Krankenversicherungen wiesen demgegenüber einen Bestand von 8,74 Mio. Vollversicherten auf. Jeder vertragsärztliche Leistungserbringer kann damit zunächst für sich selbst abschätzen und entscheiden, ob er an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen möchte oder sich auf die Behandlung von Privatpatienten beschränken will.
Rz. 4
Die rechtlichen Grundlagen für die Teilnahme an der vertragsärztlichen bzw. vertragszahnärztlichen Versorgung sind in der gesetzlichen Vorschrift gleich, die entsprechenden rechtlichen Ausführungsbestimmungen, wie z. B. Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) und Zulassungsverordnung-Zahnärzte (Zahnärzte-ZV), Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte und Bedarfsplanungs-Richtlinie-Zahnärzte sowie Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z), sind aber wegen des differenten berufsbezogenen Sachverhalts zwischen Ärzten und Zahnärzten unterschiedlich geregelt, obwohl sie vom Aufbau her redaktionell weitgehend identisch sind.
Der künftige Vertragsarzt, Vertragspsychotherapeut, das MVZ und die medizinische Einrichtung sollen bei ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit im Wesentlichen mit den Grundzügen des umfassenden Regelwerks der vertragsärztlichen bzw. -psychotherapeutischen Versorgung vertraut sein und sich insbesondere im Umgang mit dem durch die Richtlinien nach § 92 konkretisierten Versorgungsumfang, der Versorgungsqualität, dem Wirtschaftlichkeitsgebot und den aus dem Regelwerk resultierenden Rechten und Pflichten der genannten Leistungserbringer auskennen. Ihre Teilnahmeberechtigung ergibt sich deshalb erst aus der Zulassung oder der Ermächtigung zur vertragsärztlichen bzw. vertra...