Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Überprüfung der Billigkeit der Gebührenbestimmung des beigeordneten Rechtsanwalts durch den Urkundsbeamten
Leitsatz (amtlich)
Bei dem Vergütungsanspruch des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts ist die Billigkeit der geforderten Gebühren bei der Festsetzung von Amts wegen von den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu prüfen. Dem steht nicht der Beschluss des BGH vom 20.1.2011 - V ZB 216/10 = ASR 2011, 211 entgegen, denn die Staatskasse ist dann nicht Dritter iS des § 14 Abs 1 S 4 RVG.
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2012 aufgehoben und die aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren für das Verfahren Az.: S 26 AS 5197/10 auf 304,64 Euro festgesetzt.
Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Gotha (Az.: S 26 AS 5197/10) streitig. Die Kläger, eine Bedarfsgemeinschaft von drei Personen, wandten sich gegen die Berechnung der Leistungen für Unterkunft, die zuerkannten Kosten der Warmwasserversorgung und rügten die Nichtbeachtung der Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). In der 25 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung am 25. Mai 2011 gewährte das Sozialgericht (SG) den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete Rechtsanwalt Maurer bei. Die Beklagte erklärte sich bereit, den Klägern für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2009 0,67 Euro zu zahlen. Der für Rechtsanwalt M. erschienene Rechtsanwalt T. nahm daraufhin die Klage im Übrigen zurück.
In der Kostenrechnung vom 9. Juni 2011 beantragten die Rechtsanwälte M. und R. die Festsetzung von 585,48 Euro:
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG |
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170,00 Euro |
Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG |
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102,00 Euro |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG |
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200,00 Euro |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 Euro |
Summe |
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492,00 Euro |
MWSt |
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93,48 Euro |
Gesamtsumme |
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585,48 Euro |
Unter dem 13. Juli 2011 kürzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) den Betrag auf 212,06 Euro (Verfahrensgebühr 1/3 der Mittelgebühr 57,00 Euro, Erhöhung 34,20 Euro, Terminsgebühr 1/3 der Mittelgebühr 67,00 Euro, Post- und Telekommunikation 20,00 Euro, Umsatzsteuer 33,86 Euro). Sie führte aus, die Bedeutung des Rechtsstreits sowie Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien unterdurchschnittlich gewesen und mit einem Drittel der Mittelgebühr ausreichend und angemessen vergütet.
Am 16. August 2011 hat die Beschwerdeführerin Erinnerung eingelegt und u.a. ausgeführt, die Bedeutung der Angelegenheit sei überdurchschnittlich, weil Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums im Streit gestanden hätten. Auch könne sie die Reduzierung der Terminsgebühr nicht nachvollziehen, weil alle Verfahren am 25. Mai 2011 getrennt geladen und verhandelt wurden. Ein Synergieeffekt habe sich allenfalls bei der Anreise ergeben. Der Beschwerdegegner hat in seiner Erwiderung auf die Ausführungen der UKB verwiesen. Am 10. Juli 2012 hat Rechtsanwalt M. seine Vergütungsansprüche der Beschwerdeführerin abgetreten.
Mit Beschluss vom 27. August 2012 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Die Klage sei nur mit einem Schriftsatz, der im Wesentlichen aus Textbausteinen bestanden habe, begründet worden. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien daher deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren habe die Beschwerdeführerin die geforderten Leistungen beziffert. Auch die Festsetzung der Terminsgebühr sei nicht zu beanstanden. Es komme u.a. auch auf die Dauer des Termins an.
Gegen den am 6. September 2012 zugestellten Beschluss hat die Beschwerdeführerin am 27. September 2012 Beschwerde eingelegt und im Ergebnis den Vortrag im Erinnerungsverfahren wiederholt. Angemessen seien die Gebühren jeweils in Höhe der Mittelgebühr.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gotha vom 27. August 2012 aufzuheben und die von der Staatskasse zu erstattenden Gebühren auf 585,48 Euro festzusetzen.
Der Beschwerdegegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf den Beschluss des SG vom 27. August 2012.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 27. November 2012) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.
II.
Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebührenist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 15. März 2011 - Az.: L 6 SF 975/10 B, 25 Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 B, 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Beschluss fehlerhaft ist. Nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG bet...