Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht. abhängige Beschäftigung eines zugelassenen Rechtsanwalts in der Kanzlei eines anderen Rechtsanwalts
Leitsatz (amtlich)
Ein zugelassener Rechtsanwalt kann in der Kanzlei eines anderen Rechtsanwalts sowohl als abhängig Beschäftigter als auch als freier Mitarbeiter tätig sein. Im Rahmen des Gesamtbildes sprachen folgende Gesichtspunkte für eine abhängige Beschäftigung: Vertragliche Vereinbarung, die Arbeitsleistung während der Bürozeiten der Kanzlei zu erbringen, feste Arbeitszeiten und Führung eines Anwesenheitsbuches, Durchführung von Arbeiten im Auftrag der Kanzleiinhaber, Zahlung eines monatlichen Festbetrags, Fortzahlung im Krankheitsfall, fehlendes Unternehmerrisiko, steuerrechtliche Behandlung.
Nachgehend
Tenor
Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 2. Dezember 2004 werden zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten, mit Ausnahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 3., die die Kläger je zur Hälfte tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 3) in der Zeit vom 1. März 1995 bis 30. September 1996 sozialversicherungspflichtig bei den Klägern beschäftigt war.
Der Beigeladene zu 3) war vom 1. März 1995 bis zum 30. September 1996 in der Kanzlei der Kläger als Rechtsanwalt tätig. Mit Wirkung zum 1. März 1995 beantragte er bei der Beklagten aufgrund der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit die freiwillige Versicherung in der Krankenversicherung. Am 17. Juni 1996 wiederholte er ihr gegenüber, selbstständig tätig zu sein.
Am 15. Juni 1999 wandte er sich an die Beklagte mit dem Anliegen, die Kläger zur Nachentrichtung der Sozialversicherungsbeiträge heranzuziehen. Bei seiner Tätigkeit habe es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt. Aufgrund der (mündlich) getroffenen Vereinbarungen habe er von Montag bis Freitag in der Zeit von 9:00 Uhr bis 18:00 Uhr bei einer Stunde Mittagspause in einem ihm zugeteilten Büro in den Kanzleiräumen gearbeitet. Sein Urlaubsanspruch habe 20 Tage jährlich betragen, das Arbeitsentgelt sollte bei Krankheit bis zu zwei Wochen fortgezahlt werden. Als monatliche Grundpauschale seien 3.500,00 DM vereinbart worden, die er zuzüglich Mehrwertsteuer den Klägern am Ende eines Monats in Rechnung stellen sollte. Über die Grundpauschale hinaus sollte er in engem Rahmen bei Neumandanten der Kanzlei - die vom Büropersonal in einer Spalte des Terminsbuches eingetragen wurden - bei möglichen Folgemandaten 50 v. H. des Honorars gegenüber der Kanzlei abrechnen dürfen. 1995 habe er nahezu nur die Grundpauschale abrechnen können. Die Abrechnung für April 1996 habe akzeptable Höhen erreicht. Schon im Mai 1996 habe er aber feststellen müssen, dass der kaum noch neue Mandate empfangen durfte. Auf Nachfrage bei einigen Büromitarbeiterinnen sei ihm mitgeteilt worden, die Klägerin zu 1) habe die Anweisung gegeben, ihm zunächst möglichst keine neuen Mandanten zuzuteilen. In den ersten Monaten seiner Tätigkeit habe er seine Arbeitszeit nahezu ausschließlich damit verbracht, Akten zu bearbeiten, die ihm die Kläger vorlegten. Später - insbesondere 1996 - habe die Bearbeitung der von ihm angenommenen Mandantenakten etwa 20 v.H. seiner Arbeitszeit in Anspruch genommen. Er sei weisungsabhängig gewesen, während der gesamten 19 Monate ausschließlich für die Kläger tätig gewesen und habe nicht das Recht gehabt, die Bearbeitung einzelner Akten abzulehnen. Dies gelte auch für die ständige Praxis der Kläger, ihm und dem zu den gleichen Bedingungen damals tätigen Zeugen Rechtsanwalt W. kurzfristig Gerichtstermine vorzugeben, bei denen er den Akteninhalt nicht gekannt habe. Er sei oft zu weit außerhalb liegenden Gerichtsterminen (Gera, Gotha, Weimar, Meiningen, Mülhausen, Eschwege, Eisenach, Bad Salzungen, Arnstadt, Sömmerda) geschickt worden, obwohl diese Fälle der Kläger betroffen hätten. Er sei nicht am Gewinn der Kanzlei beteiligt gewesen. Seine Anwesenheit sei anhand eines Anwesenheitsbuches kontrolliert worden. Die Beiträge zur Rechtsanwaltskammer und die Vermögenshaftpflichtversicherung habe die Kanzlei übernommen. Das Finanzamt E. habe sich seiner Argumentation angeschlossen und ihn als Arbeitnehmer eingestuft.
Auf Rückfrage führten die Kläger aus, der Beigeladene zu 3) sei als selbstständiger Rechtsanwalt beauftragt worden, was sich exemplarisch aus seinen Abrechnungen ergebe. Er habe Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgeld als Rechtsanwalt abgerechnet. Die Zahlung der Pauschale bedeute nicht, dass eine Weiterzahlung im Krankheitsfall zugesagt wurde bzw. eine Urlaubsabgeltung erfolgen sollte. Ein wesentlicher Teil seiner Einkünfte habe aus eigenen Auftraggebern resultiert. Eine geregelte Arbeitszeit sei nicht vereinbart gewesen. Der Beigeladene zu 3) habe sich seine Arbeitszeit während der üblichen Bü...