Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Einpersonenhaushalt in Jena in Thüringen. schlüssiges Konzept des Grundsicherungsträgers. Vergleichsraumbildung. Repräsentativität der Datenerhebung. Abbildung der Vermieterstruktur

 

Leitsatz (amtlich)

Die zur Erstellung des schlüssigen Konzepts eines Grundsicherungsträgers erhobenen Daten müssen ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes liefern. Wird der Wohnungsmarkt nicht deutlich überwiegend oder nahezu ausschließlich durch große Wohnungsunternehmen und Genossenschaften geprägt, bedarf es zur repräsentativen Abbildung des Wohnungsmarktes der Sicherstellung, dass auch ausreichend Daten von kleineren Vermietern in die Erhebung einfließen.

 

Orientierungssatz

Die Stadt Jena mit rund 110.000 Einwohnern bildet einen homogenen Lebensraum, der keine örtlichen Besonderheiten aufweist, die eine Aufteilung in verschiedene Vergleichsräume rechtfertigen könnten.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 04.10.2022; Aktenzeichen B 4 AS 28/22 B)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 6. April 2017 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. September 2014 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum Juni bis November 2014 weitere 68,00 € monatlich zu zahlen.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum Juni bis November 2014.

Der 1985 geborene, erwerbsfähige Kläger bewohnte eine 50 m² große Wohnung, für die eine Kaltmiete von 350,00 € sowie Vorauszahlungen auf Betriebs- und Heizkosten von insgesamt 150,00 € zu zahlen waren. Eine Aufschlüsselung zwischen Betriebs- und Heizkosten erfolgte bei den Vorauszahlungen nicht. Der Kläger befand sich seit 2009 im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II, seit Dezember 2009 wurden - nach vorangegangener Kostensenkungsaufforderung - nur noch die von dem Beklagten für angemessen erachteten Unterkunftskosten berücksichtigt.

Der Stadtrat der Stadt J beschloss am 29. Januar 2014 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 eine neue Richtlinie zu den angemessenen Unterkunftskosten. Diese basierte auf dem Methodenbericht der Firma F GmbH zur Festlegung der Angemessenheitsgrenzen gemäß SGB II und SGB XII auf Basis des qualifizierten Jenaer Mietspiegels 2013. Als Vergleichsraum wurde das gesamte Stadtgebiet des Beklagten betrachtet. Als Datengrundlage wurden Mieter- und Vermieterbefragungen durchgeführt, von Großvermietern in Form der Abfrage aus entsprechenden elektronischen Mieterdateien. Durch die gewählte Art der Datenerhebung sollte sichergestellt werden, dass alle relevanten Teilwohnungsmärkte erfasst werden. Stichtag der Datenerhebung war der 1. Oktober 2012. Hierbei gab es von Mietern einen Rücklauf von 2.590 Fällen, von Kleinvermietern von 46 Fällen und von Großvermietern, welche die Daten aus Bestandsdateien zur Verfügung stellten, von 2.757 Fällen. Von den insgesamt 5.393 Mietdaten wurden nach Ausschluss 484 unplausibler Daten, nicht erhebungsrelevanter Fälle wie z.B. Untervermietung sowie Wohnungen ohne Bad, WC oder Sammelheizung 4.909 Daten ausgewertet. Eine Beschränkung auf mietspiegelrelevante Daten (Neuvermietung oder Mietänderung innerhalb der letzten vier Jahre) fand nicht statt.

Jena verfügt nach Ausschluss von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Sonderwohnbereichen und geförderten Wohnungen über ca. 40.884 frei finanzierte Mietwohnungen. Der Anteil der Großvermieter am Gesamtbestand freifinanzierter Mietwohnungen beträgt 51,2 %. Bei der Auswertung der Daten ergab sich bei Wohnungen bis 45 m² ein Median von 5,47 € je m² als Nettokaltmiete. Angesichts der Wohnungsmarktsituation wurde entschieden, diesen Wert als Basis für die weitere Berechnung zu wählen. Bei den Betriebskosten ergab sich für Wohnungen bis 45 m² ein Durchschnittswert von 1,08 € je m². Als maximal angemessene Bruttokaltmiete wurde für eine Person daher ein Wert von 295,00 € (6,55 € x 45 m²) festgelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Methodenbericht Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2014 bewilligte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum Juni bis November 2014 Unterkunftskosten in Höhe von 295,00 € Bruttokaltmiete zuzüglich 60,00 € Heizkosten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Im Juli 2014 legte er die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2013 vor, wonach eine Nachforderung in Höhe von 185,70 € im Juni 2014 zu zahlen war.

Mit Widerspruchbescheid vom 23. September 2014 bewilligte der Beklagte für Juni 2014 weitere 13,80 € und wies den Widerspruch als im Übrigen unbegründet zurück. Die Bruttokaltmiete des Klägers sei unangemessen. Es seien jedoch für Juni wegen der Betriebskostennachforderung weitere 13,80 € zu gewähren, weil im Jahr 2013 nur insgesamt 720,00 € Heizkosten geza...

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