Rechtsverordnung zur Aufteilung grenzüberschreitender Betriebsstätteneinkünfte
Um die Regelungen zur Gewinnermittlung und -aufteilung konkreter fassen zu können, ermächtigt § 1 Abs. 6 AStG das BMF, Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes in einer Rechtsverordnung festzulegen. Diese Rechtsverordnung, die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV), liegt nun vor und wurde dem Bundesrat zur Zustimmung zugeleitet (BR-Drucks. 401/14 v. 28.8.2014). Sie wird anzuwenden sein für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen (§ 40 BsGaV).
Aufbau der BsGaV
Die BsGaV enthält detaillierte Regelungen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für Betriebsstätten. Sie besteht aus 7 Abschnitten:
- Abschnitt 1 (Allgemeiner Teil, §§ 1 bis 17 BsGaV) enthält allgemein geltende Regelungen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes: Regelungen für die Zurechnung von Einkünften zu einer Betriebsstätte (§ 1 BsGaV), Begriffsbestimmungen (§ 2 BsGaV), Regelungen für die Aufstellung einer Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 BsGaV), Einzelne Zuordnungsregelungen (§§ 4 bis 17 BsGaV).
- Die Abschnitte 2 bis 5 (Besonderer Teil, §§ 18 bis 38 BsGaV) enthalten besondere Regelungen für bestimmte Branchen.
- Abschnitt 6 (§ 39) regelt die Anwendbarkeit der BsGaV auch für ständige Vertreter.
- Abschnitt 7 (§§ 40 und 41) enthält Regelungen für die Anwendbarkeit und das Inkrafttreten.
Regelungen für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes
Für die Betriebsstättenbesteuerung ist der Fremdvergleichsgrundsatz anzuwenden. Dies gilt sowohl für die Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte als auch für die Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens (§ 1 Abs. 5 Satz 1 AStG). Der Fremdvergleichsgrundsatz besagt, dass Einkünfte nach Bedingungen zu ermitteln sind, wie sie voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbaren würden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG). Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist eine Betriebsstätte daher wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln (§ 1 Abs. 5 Satz 2 AStG).
Zuordnungsregelungen für die Aufteilung der Einkünfte
Für die Behandlung der Betriebsstätte wie ein eigenes Unternehmen ist ein 2-stufiges Verfahren durchzuführen (§ 1 Abs. 5 Satz 3 und 4 AStG, § 1 BsGaV):
Im ersten Schritt ist eine Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte als Teil der Geschäftstätigkeit des Unternehmens durchzuführen (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG, § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BsGaV):
- Ausgangspunkt ist eine Feststellung der Personalfunktionen, die der Betriebsstätte oder dem übrigen Unternehmen zuzuordnen sind (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr 1 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV, Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 3 bis 5 BsGaV, Einzelheiten in § 4 BsGaV).
- Ausgehend von den maßgeblichen Personalfunktionen sind der Betriebsstätte Vermögenswerte, Chancen und Risiken zuzuordnen (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 und 3 AStG, § 1 Abs. Abs. 2 Nr. 2 BsGaV, Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 6 BsGaV, Einzelheiten in §§ 5 bis 8, 10 und 11 BsGaV).
- Ausgehend von den zugeordneten Vermögenswerten, Chancen und Risiken ist der Betriebsstätte ein angemessenes Eigenkapitel (Dotationskapital) zuzuordnen (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BsGaV, Einzelheiten in §§ 12 und 13 BsGaV).
- Soweit dies aufgrund der Zuordnung von Vermögenswerten, Chancen und Risiken sowie Dotationskapital erforderlich ist, sind der Betriebsstätte Passivposten zuzuordnen (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 BsGaV, Einzelheiten in §§ 14 und 15 BsGaV).
- Der Betriebsstätte sind Geschäftsvorfälle des Unternehmens mit unabhängigen Dritten und mit nahestehenden Personen i. S. d. § 1 Abs. 2 AStG zuzuordnen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 BsGaV, Einzelheiten in § 9 BsGaV).
- Es sind die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i. S. d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG zu bestimmen, die die Betriebsstätte zum übrigen Unternehmen unterhält (§ 1 Abs. 2 Nr. 6 BsGaV, Einzelheiten in §§ 16 und 17 BsGaV, „Dealings“).
Die Gründe für die vorgenommenen Zuordnungen müssen aufgezeichnet und dokumentiert werden (§ 3 Abs. 3 BsGaV i. V. m. § 90 Abs. 3 Satz 4 AO und der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung (GAufzV)).
Im zweiten Schritt ist eine Vergleichbarkeitsanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte durchzuführen. Auf der Grundlage der vorherigen Zuordnungen sind die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte und die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen zu bestimmen (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG, § 1 Abs. 1 Satz 2 BsGaV).
Hilfs- und Nebenrechnung
Für die Betriebsstätte ist eine Hilfs- und Nebenrechnung aufzustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Die Hilfs- und Nebenrechnung muss alle Bestandteile beinhalten, die der Betriebsstätte aufgrund ihrer Personalfunktionen zuzuordnen sind. Dazu gehören die Vermögenswerte, das Dotationskapital, die übrigen Passivposten sowie die mit den zugeordneten Bestandteilen zusammenhängenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben. Ebenso gehören dazu fiktive Betriebseinnahmen und fiktive Betriebsausgaben, die aufgrund anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen entstehen (§ 3 Abs. 2 BsGaV).
Die Hilfs- und Nebenrechnung ist zum Beginn eines Wirtschaftsjahres aufzustellen, während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Entsprechendes gilt für die Begründung und die Beendigung einer Betriebsstätte (§ Abs. 4 BsGaV). Der Abschluss der Hilfs- und Nebenrechnung beinhaltet das Ergebnis der Betriebsstätte. Die Hilfs- und Nebenrechnung muss spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung erstellt sein (§ 3 Abs. 1 Satz 2 und 3 BsGaV).
Sonderregelungen für bestimmte Branchen
Für Betriebsstätten in bestimmten Branchen enthält die BsGaV besondere Regelungen:
- Bankbetriebsstätten (§§ 18 bis 22 BsGaV),
- Versicherungsbetriebsstätten (§§ 23 bis 29 BsGaV),
- Bau- und Montagebetriebsstätten (§§ 30 bis 34 BsGaV),
- Förderbetriebsstätten (§§ 35 bis 38 BsGaV).
Praxishinweis
Die BsGaV regelt detailliert die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes für die Betriebsstättenbesteuerung. Unternehmen, die Betriebsstätten in anderen Staaten haben, sollten überprüfen, ob die bislang vorgenommene Aufteilung der Einkünfte den Regelungen der BsGaV entspricht und erforderlichenfalls Anpassungen vornehmen. Auch ist zu prüfen, ob die Gründe für die vorgenommenen Zuordnungen ordnungsgemäß dokumentiert sind. Zudem ist darauf zu achten, dass für jede grenzüberschreitende Betriebsstätte für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2014 beginnen, eine Hilfs- und Nebenrechnung nach den Grundsätzen der BsGaV zu führen ist.
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