Wegfall der zinslosen Stundung bei Wegzugsbesteuerung
Verzieht der im Sinne des § 17 EStG (Beteiligung mind. 1 %) beteiligte Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nach Großbritannien, ordnet § 6 AStG die Aufdeckung der stillen Reserven an, welche in dem Gesellschaftsanteil des verziehenden Gesellschafters vorhanden sind. Entsprechendes gilt u. a., wenn der Gesellschaftsanteil über die Grenze hinweg verschenkt oder vererbt wird.
Bleibt der Gesellschafter bzw. Gesellschaftsanteil innerhalb der EU bzw. im EWR, kann die aus der Aufdeckung der stillen Reserven resultierende Steuer allerdings zinslos gestundet werden und zwar grundsätzlich bis zur tatsächlichen Veräußerung der Gesellschafsanteile. Für Wegzugsfälle nach dem Brexit wird diese Möglichkeit der dauerhaften zinslosen Steuerstundung voraussichtlich nicht mehr bestehen. Der Wezug des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft nach Großbritannien würde dann grundsätzlich Steuerzahlungen auslösen, obwohl dem Gesellschafter – im Unterschied zu einem tatsächlichen Anteilsverkauf – keine Liquidität zufließt, mit der die Steuern bezahlt werden könnten.
Sind Gesellschafter bereits vor dem Brexit nach Großbritannien verzogen, werden sich die Gesellschafter bzw. Gesellschaftsanteile mit dem Brexit nicht mehr innerhalb der EU (sowie voraussichtlich dem EWR) befinden, sodass insofern die Stundungsvoraussetzungen ebenfalls nicht mehr gegeben sind. Dies wirft die Frage nach den Möglichkeiten zum Widerruf der Stundung auf. Letztlich besteht auch hier die Gefahr einer Steuerzahlung, ohne dass beim Steuerpflichtigen ein Liquiditätszufluss stattfindet, aus dem die Steuer bezahlt werden könnte.
Wegfall der Exkulpationsmöglichkeit bei der Hinzurechnungsbesteuerung
Sind Steuerinländer an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, ermöglichen es die §§ 7 ff. AStG unter bestimmten Voraussetzungen, niedrig besteuerte Einkünfte der ausländischen Gesellschaft den Einkünften des Gesellschafters hinzuzurechnen, mithin auch ohne Ausschüttung beim Gesellschafter zu besteuern. Im Fall von Beteiligungen an EU-/EWR-Gesellschaften besteht jedoch nach § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit, von dieser Hinzurechnungsbesteuerung Abstand zu nehmen. Voraussetzung ist der Nachweis, dass die entsprechende Auslandsgesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit im jeweiligen Staat nachgeht und der ausländische Staat Amtshilfe leistet.
Befinden sich hingegen weder Sitz noch Geschäftsleitung der Auslandsgesellschaft innerhalb der EU oder dem EWR, besteht die Exkulpationsmöglichkeit von der Hinzurechnungsbesteuerung nicht. Folglich wächst mit dem Brexit die Gefahr der Hinzurechnungsbesteuerung. Dies gilt auch, weil die für die Hinzurechnungsbesteuerung erforderliche Niedrigbesteuerung in Großbritannien bereits heute, unabhängig von den momentan in Großbritannien politisch diskutierten Steuersenkungen, gegeben ist. Die steuerlichen Belastungen aufgrund von Unternehmensbeteiligungen können sich folglich durch die Hinzurechnungsbesteuerung beim Gesellschafter – ohne einen entsprechenden Liquiditätszufluss – deutlich erhöhen.
Ausnahme bei der Zurechnungsbesteuerung entfällt
Vergleichbar der Hinzurechnungsbesteuerung sieht § 15 AStG eine ähnlich wirkende Regelung für ausländische Stiftungen und Trusts vor. Sind Stifter oder bezugs- bzw. anfallsberechtigte Personen in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, können ihnen unter gewissen weiteren Voraussetzungen die Einkünfte der ausländischen Stiftung steuerlich unmittelbar zugerechnet werden, ohne dass sie ihnen tatsächlich zufließen.
Befindet sich allerdings der Sitz oder die Geschäftsleitung der Stiftung innerhalb der EU oder dem EWR, kann eine Ausnahme von dieser Einkünftezurechnung greifen. Momentan müssen die deutschen Bezugsberechtigten eines englischen Trusts folglich regelmäßig nur die tatsächlich empfangenen Bezüge aus dem Trust versteuern, nicht jedoch sämtliche Trusteinkünfte. Mit dem Brexit dürfte sich dies ändern und unabhängig von einem Liquiditätszufluss eine Besteuerung in Deutschland stattfinden.