Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verfahrensrevision bei Verstößen gegen Vorschriften über Terminsverlegung und Abkürzung der Ladungsfrist
Leitsatz (NV)
Verstöße gegen die Vorschriften über die Aufhebung und Verlegung der mündlichen Verhandlung, die nicht zur Folge haben, daß der Beteiligte von dem Termin keine Kenntnis erhält, und die es ihm nicht tatsächlich unmöglich machen, an der Verhandlung teilzunehmen, können mit der zulassungsfreien Verfahrensrevision ebensowenig gerügt werden wie ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Abkürzung der Ladungsfrist.
Normenkette
FGO § 91 Abs. 1 S. 2, § 116 Abs. 1, § 124 Abs. 2, § 128 Abs. 2; ZPO § 227; GG Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) streitet im zweiten Rechtsgang um die steuerliche Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen in Höhe von ... DM.
Auf die Ladung zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung beantragte der Prozeß bevollmächtigte der Klägerin, den Termin aufzuheben, weil er verhindert sei. Das FG verlegte den Verhandlungstermin unter Abkürzung der Ladungsfrist. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin teilte daraufhin mit, auch der neue Termin könne durch ihn nicht wahrgenommen werden; zudem seien keine Gründe ersichtlich, warum die Ladungsfrist abgekürzt worden sei.
Das FG verhandelte über die Streitsache. Zu der Verhandlung erschien lediglich die Klägerin, deren persönliches Erscheinen das FG angeordnet hatte. Sie äußerte sich zur Sache.
In seinem Urteil setzte das FG die Jahressteuer der Klägerin um nur ... DM herab.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie geltend macht, nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein. Sie trägt vor, ihr Prozeßbevollmächtigter sei zu dem Verhandlungstermin nicht ordnungsgemäß geladen worden, weil die 14-tägige Ladungsfrist ohne Angabe von Gründen nicht eingehalten worden sei. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes sei der Prozeßbevollmächtigte als Beteiligter daher nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Der BFH habe zwar entschieden, daß die Nichteinhaltung der Ladungsfrist kein Fall der mangelnden Vertretung i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO sei, weil dies keinen besonders schwerwiegenden Verstoß darstelle. Dem Gesetz könne aber nicht entnommen werden, daß ein besonders schwerwiegender Verstoß vorliegen müsse. Der Fall sei im übrigen nicht anders zu sehen als der mit Urteil vom 14. Dezember 1971 VIII R 13/67 (BFHE 104, 491, BStBl II 1972, 424) vom BFH entschiedene, in dem zwar der Steuerpflichtige, nicht aber sein Prozeßbevollmächtigter zur mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Hier sei der Prozeßbevollmächtigte zwar geladen worden, aber an der Teilnahme verhindert gewesen. Da er deshalb bei der Vernehmung der Klägerin durch das FG nicht anwesend gewesen sei, sei die Klägerin nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Denn die Vertretung durch einen Steuerberater sei jederzeit möglich und von der Klägerin auch gewollt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist gemäß §§ 124 Abs. 1, 126 Abs. 1 FGO durch Beschluß zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Die Revision findet nach Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1993 (BGBl I, 2236), nur statt, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Ohne Zulassung ist die Revision nur dann zulässig, wenn wesentliche Mängel des Verfahrens i. S. von § 116 Abs. 1 FGO gerügt werden. Das FG hat die von der Klägerin eingelegte Revision nicht zugelassen und der BFH hat die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluß vom heutigen Tage als unbegründet zurückgewiesen. Die Revision ist auch nicht ohne Zulassung statthaft. Die Revision rügt sinngemäß, daß das FG die mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin durchgeführt hat, obwohl die Ladungsfrist nicht gewahrt worden sei und auch nicht habe abgekürzt werden dürfen und obwohl ein begründeter Vertagungsantrag gestellt worden sei. Mit diesem Vorbringen werden jedoch keine Tatsachen bezeichnet, aus denen sich einer der in § 116 Abs. 1 FGO aufgeführten Verfahrensmängel, insbesondere ein Vertretungsmangel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO, der allenfalls in Betracht kommt, ergeben kann.
Nach § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO bedarf es einer Zulassung zur Einlegung der Revision nicht, wenn als wesentlicher Mangel des Verfahrens gerügt wird, daß ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war. In der Revisionsbegründung ist nicht dargelegt, daß in der mündlichen Verhandlung ein solcher Vertretungsmangel vorlag. Er kann sich weder daraus ergeben, daß das FG die Ladungsfrist abgekürzt hat, noch daraus, daß es trotz der Mitteilung des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, den Termin nicht selbst wahrnehmen zu können, die mündliche Verhandlung nicht auf einen anderen Tag verlegt hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH rechtfertigen Mängel der Ladung zu einem Verhandlungstermin die Rüge mangelnder Vertretung i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nur dann, wenn ein Beteiligter -- oder sein gemäß § 62 Abs. 3 Satz 5 FGO zu ladender Bevollmächtigter -- zu einem Verhandlungstermin überhaupt nicht geladen worden ist und deshalb von ihm keine Kenntnis hatte (BFH-Beschluß vom 25. Juli 1979 VI R 3/79, BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654, und BFH-Urteil in BFHE 104, 491, BStBl II 1972, 424, sowie BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 1992 VIII R 14/91, BFH/NV 1993, 250, und vom 4. März 1992 II R 48/91, BFH/NV 1993, 30). Hingegen ist die zulassungsfreie Revision im Falle eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Aufhebung und Verlegung eines Verhandlungstermins (§ 155 FGO i. V. m. § 227 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --) nicht gegeben (BFH-Beschlüsse vom 11. April 1978 VIII R 215/77, BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401, und in BFH/NV 1993, 30; vom 4. Januar 1993 VII R 111/92, BFH/NV 1993, 737; vom 19. September 1991 XI R 48/89, BFH/NV 1992, 187; vom 16. September 1991 IX R 43/91, BFH/NV 1992, 187 sowie vom 9. Februar 1988 VII B 86/87, BFH/NV 1988, 585). Die in § 116 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 FGO aufgeführten Verfahrensmängel haben nämlich das gemeinsame Kennzeichen, daß sie besonders schwerwiegende Verstöße gegen die Verfahrensordnung darstellen (BFH-Beschlüsse in BFHE 128, 176, BStBl II 1979, 654, und in BFHE 125, 28, BStBl II 1978, 401). Verstöße gegen die Vorschriften über die Aufhebung und Verlegung der mündlichen Verhandlung, die nicht zur Folge haben, daß der Beteiligte von dem Termin keine Kenntnis erhält, und die es ihm nicht tatsächlich unmöglich machen, an der Verhandlung teilzunehmen, haben kein solches Gewicht, das es nach der dem Gesetz zugrundeliegenden Wertung rechtfertigen würde, die Revision ohne Zulassung zu eröffnen (vgl. BFH-Beschluß vom 22. September 1993 II R 55/93, BFH/NV 1994, 486). Gegen sie kann nur die Rüge der Versagung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --) erhoben werden. Diese Rüge gehört nicht zu den in § 116 Abs. 1 FGO abschließend bezeichneten Verfahrensfehlern.
Ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 2 FGO über die Abkürzung der Ladungsfrist kann mit der zulassungsfreien Revision ebensowenig, und zwar schon deshalb nicht gerügt werden, weil die Abkürzung der Ladungsfrist -- ebenso wie die Terminsbestimmung selbst (BFH-Beschluß vom 22. August 1989 IV B 147/88, BFH/NV 1990, 646), die Aufhebung eines Verhandlungstermins, eine Terminsverlegung oder ihre Ablehnung (BFH-Beschluß vom 2. Dezember 1987 IX B 138 und 139/87, BFH/NV 1988, 382) -- eine im Ermessen des Gerichts stehende prozeßleitende Verfügung ist (vgl. BFH-Beschluß vom 15. Dezember 1982 I B 41/82, BFHE 137, 224, BStBl II 1983, 230), die nach § 128 Abs. 2 FGO nicht angefochten werden kann. Sie unterliegt nach § 124 Abs. 2 FGO nicht der Beurteilung im Revisionsverfahren, es sei denn, die Abkürzung hat eine Versagung des rechtlichen Gehörs zur Folge, so daß eine diesbezügliche Rüge erhoben werden kann.
Fundstellen