Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehlerhafte Unterlassung der notwendigen Beiladung von Erben eines Mitunternehmers
Leitsatz (NV)
1. Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde ist eine zu Unrecht unterlassene notwendige Beiladung als Verfahrensverstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens als Verfahrensmangel ordnungsgemäß zu rügen.
2. Ausgeschiedene Gesellschafter sind im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns stets notwendig beizuladen, und zwar auch hinsichtlich derjenigen Feststellungen, für die an sich nur der zur Vertretung berufene Geschäftsführer klagebefugt ist.
3. Ein Alleinerbe eines Personengesellschafters, auch wenn er nicht Mitunternehmer wird, ist notwendig an einem Rechtsstreit der Personengesellschaft für die Zeit bis zum Eintritt der Erbfolge zu beteiligen.
4. Wird die Gesellschaft ohne den Erben fortgesetzt, ist dieser wie ein ausgeschiedener Gesellschafter notwendig beizuladen, wenn der Rechtsstreit den Zeitraum bis zum Erbfall betrifft.
5. Nur ausnahmsweise darf dann von der notwendigen Beiladung abgesehen werden, wenn der an sich Beizuladende unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt vom Ausgang des Klageverfahrens betroffen sein kann, etwa weil der Rechtsstreit ausschließlich den Sonderbetriebsbereich eines anderen klagenden Gesellschafters betrifft.
6. Eine vom Finanzgericht verfahrensfehlerhaft nicht vorgenommene notwendige Beiladung kann der BFH im Rahmen eines zulässigen Revisionsverfahrens mit heilender Wirkung nachholen, nicht indes im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde.
Normenkette
FGO § 48 Abs. 1 Nrn. 1-3, § 60 Abs. 3 S. 1, § 116 Abs. 3 S. 3, Abs. 6, § 123 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
FG Nürnberg (Urteil vom 12.11.2007; Aktenzeichen V 110/2003) |
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und der im September 1996 verstorbene Herr Z waren in den Streitjahren 1995 und 1996 zu je 50 % Gesellschafter der … OHG. Der Gesellschaftsanteil von Z wurde von dessen Gesamtrechtsnachfolgerin, Frau Z, rückwirkend auf den Todestag mit Vertrag vom … (1997) an den Kläger veräußert, der in der Folgezeit die Kanzlei als Einzelpraxis fortführte.
Im Klageverfahren ist streitig, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) verpflichtet ist, für das Streitjahr 1995 eine geänderte gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung entweder neu --für einen abweichenden Zeitraum-- oder zumindest inhaltlich geändert zu erlassen, hilfsweise bei der Gewinnermittlung für 1996 Rückstellungen wegen Schadensersatzansprüchen aufgrund von Beratungsfehlern zu berücksichtigen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Eine Beiladung der Rechtsnachfolgerin von Z beurteilte das FG wegen der Anteilsübernahme durch den Kläger als entbehrlich.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, die er u.a. auch auf das Vorliegen eines Verfahrensmangels gestützt hat. Das FG habe nämlich die ebenfalls klagebefugte Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Gesellschafters Z notwendig beiladen müssen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet.
1. Der im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eigenständig zu rügende Verfahrensmangel der zu Unrecht unterlassenen notwendigen Beiladung als Verfahrensverstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens ist hinreichend dargetan (zu den Rügeanforderungen Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Januar 2005 VIII B 326/03, BFH/NV 2005, 994).
2. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das FG die Witwe des im September 1996 verstorbenen Mitgesellschafters, Z, nicht zu den die Streitjahre 1995 und 1996 betreffenden Verfahren gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nrn. 2 und 3 FGO notwendig beigeladen hat.
Gemäß § 116 Abs. 6 FGO hat dies die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zur Folge.
Die Rechtsnachfolgerin war in dem vorliegenden Klageverfahren betreffend die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung für 1995 und 1996 notwendig beizuladen. Der Rechtsvorgänger, ihr verstorbener Ehemann, war Gesellschafter der bis zu seinem Tode bestehenden OHG.
Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO muss eine Beiladung notwendig erfolgen, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann.
Ausgeschiedene Gesellschafter sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns stets notwendig beizuladen, und zwar auch dann, wenn es um Feststellungen geht, für die an sich nur der zur Vertretung berufene Geschäftsführer nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative FGO klagebefugt ist.
Dabei ist es unerheblich, ob der Gesellschafter bereits vor Bekanntgabe des angefochtenen Feststellungsbescheides ausgeschieden ist (BFH-Beschluss vom 8. Mai 2008 IV B 138/07, BFH/NV 2008, 1499, m.w.N.).
Eine Alleinerbin eines Personengesellschafters, auch wenn sie nicht Mitunternehmerin wird, ist notwendig an einem Rechtsstreit der Personengesellschaft für die Zeit bis zum Eintritt der Erbfolge zu beteiligen (BFH-Urteile vom 5. Februar 1985 VIII R 272/81, BFH/NV 1985, 89; vom 30. Juli 1987 IV R 44/85, BFH/NV 1989, 502; BFH-Beschluss vom 29. Januar 2003 VIII B 33/02, BFH/NV 2003, 927).
Wird die Gesellschaft ohne den Erben fortgesetzt, ist dieser wie ein ausgeschiedener Gesellschafter notwendig beizuladen, wenn der Rechtsstreit --wie hier-- den Zeitraum bis zum Erbfall betrifft (BFH-Urteil vom 23. Mai 1973 I R 121/71, BFHE 101, 1, BStBl II 1973, 746).
Nur ausnahmsweise darf von der notwendigen Beiladung abgesehen werden, wenn der an sich Beizuladende unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt vom Ausgang des Klageverfahrens betroffen sein kann, wie dies der Fall ist, wenn der Rechtsstreit ausschließlich den Sonderbetriebsbereich des klagenden Gesellschafters betrifft (BFH-Beschluss vom 4. Mai 1999 VIII B 94/98, BFH/NV 1999, 1483).
Im Streitfall geht es indes um die --inzwischen vollbeendete-- OHG betreffende Besteuerungsgrundlagen, nämlich die Bildung von Rückstellungen zu Lasten des Gesellschaftsgewinns entweder für den Feststellungszeitraum 1995 oder --hilfsweise-- für den Feststellungszeitraum 1996.
Die unterbliebene notwendige Beiladung stellt trotz der Regelung in § 123 Abs. 1 FGO einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar. § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO eröffnet dem BFH lediglich die Möglichkeit, eine notwendige Beiladung nachzuholen. Die angefochtene Entscheidung kann deshalb auf dem Verfahrensmangel beruhen (BFH-Beschluss vom 17. Juli 2003 X B 28/03, BFH/NV 2003, 1539).
Die Vorschrift über die notwendige Beiladung stellt eine unverzichtbare Sachentscheidungsvoraussetzung dar. Deshalb bedarf es keiner besonderen Begründung, inwieweit das Urteil auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.
Eine zu Unrecht unterbliebene notwendige Beiladung kann der BFH zwar gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO noch in einem zulässigen Revisionsverfahren mit heilender Wirkung nachholen, nicht indes im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2002 III B 74/02, BFH/NV 2003, 195).
Der Senat sieht davon ab, die Beiladung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO in einem möglichen Revisionsverfahren selbst nachzuholen. Der Rechtsstreit betrifft nämlich auch die Frage, ob ein Beratungsauftrag ausschließlich den Kläger oder aber die Personengesellschaft betroffen hat. Selbst im Falle der Stattgabe der Revision müsste der Rechtsstreit ggf. an das FG zurückverwiesen werden. Deshalb hält es der Senat für zweckmäßig, gemäß § 116 Abs. 6 FGO das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zwecks Nachholung der notwendigen Beiladung an das FG zurückzuverweisen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002 IX B 146/01, BFH/NV 2002, 796).
Fundstellen