Entscheidungsstichwort (Thema)
Neues Zulassungsrecht
Leitsatz (NV)
- Auch nach neuem Recht sind Nichtzulassungsbeschwerden, soweit sie sich nicht auf die Rüge von Verfahrensmängeln beschränken, nur zulässig, wenn ihre Begründung ein über das Interesse des einzelnen am Prozessausgang hinausreichendes Interesse der Allgemeinheit an der (abermaligen) höchstrichterlichen Klärung bestimmter Rechtsfragen erkennen lässt.
- Die fehlende Unterschrift eines Ehegatten unter die gemeinsame eheliche Steuererklärung berührt die Rechtmäßigkeit des daraufhin gegen beide Ehegatten ergehenden Steuerbescheids nicht, jedenfalls nicht unmittelbar.
- Soweit ein solcher Unterschriftsmangel einen Bekanntgabemangel nach sich zieht und als solcher die Wirksamkeit des daraufhin ergehenden Steuerbescheids beeinflusst, wird dieser nach ständiger Rechtsprechung des BFH durch eine wirksame Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt.
- Nach Ablauf der nunmehr für Nichtzulassungsbeschwerden geltenden Begründungsfrist eingereichte Schriftsätze können allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Ergänzung oder Erläuterung des bisher Vorgebrachten bedeutsam sein.
- Zur Zulässigkeit und Begründetheit einer auf einen Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde gelten die bisherigen Erkenntnisse unverändert weiter.
Normenkette
AO 1977 §§ 150, 162, 164, 168; EStG § 25 Abs. 3 Sätze 4-5, § 26 Abs. 3; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Dies ist, weil das angefochtene Urteil am 14. Februar 2001 zugestellt wurde, nach der seit dem 1. Januar 2001 geltenden neuen Fassung der Finanzgerichtsordnung (FGO n.F.) zu beurteilen (s. dazu Art. 4 und 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze ―2.FGOÄndG― vom 19. Dezember 2000). Die ―ausreichend substantiiert― geltend gemachten Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 und Nr. 3 FGO n.F. sind nicht gegeben: Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfenen Fragen erfordern weder unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts noch unter demjenigen einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Auch ist ein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des Finanzgerichts (FG) beruhen kann, nicht erkennbar.
1. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 FGO n.F. liegen nicht vor. Vor allem fehlt hinsichtlich der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen das nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO n.F. unerlässliche, über das individuelle Interesse der Beteiligten am Ausgang dieses Prozesses hinausreichende allgemeine Interesse an der Klärung durch eine (abermalige) höchstrichterliche Entscheidung (vgl. zur Fortgeltung dieses Zulassungserfordernisses auch im neuen Recht die amtliche Begründung in BTDrucks 14/4061, S. 6; BFH-Beschluss vom 30. April 2001 VII B 325/00, BFH/NV 2001, 1227; zum bisherigen Recht: z.B. BFH-Beschluss vom 18. Mai 2000 V B 178/99, BFH/NV 2000, 1504, 1505; Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 115 Rz. 7 ff., m.w.N.).
a) Der Umstand, dass die Erklärung zur Einkommensteuer für 1996 zwar von ihrem Ehemann, nicht aber von der Klägerin unterschrieben war, berührt, für sich allein gesehen, die Rechtmäßigkeit des daraufhin ergangenen Einkommensteuerbescheids ―zumindest unmittelbar― nicht: Ein solcher Formmangel (§ 150 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 150 Abs. 3 der Abgabenordnung ―AO 1977― und § 25 Abs. 3 Sätze 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―),
- bedeutet, dass die Klägerin ―zunächst― die Verantwortung für den Inhalt der Erklärung nicht übernommen hat (Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 150 AO 1977 Rz. 19),
- löst hinsichtlich der Zusammenveranlagung die Vermutung des § 26 Abs. 3 EStG aus,
- beeinflusst den Lauf der Verjährungsfrist (BFH-Urteil vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203) und
- hätte den Beklagten und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) u.U. zur Schätzung nach § 162 AO 1977 berechtigt (vgl. § 162 Abs. 2 Satz 1 AO 1977).
Die fehlende Unterschrift macht aber den Einkommensteuerbescheid 1996 weder unbestimmt noch unrichtig oder sonst fehlerhaft. Das von der Klägerin zuletzt zitierte Urteil (des FG Köln vom 6. Februar 2001 8 K 7667/94, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 870) steht dem nicht entgegen: Es betrifft den Spezialfall der Steueranmeldung, d.h. einer "qualifizierten" Steuererklärung (§ 150 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 z.B. i.V.m. § 18 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes ―UStG―), die kraft Gesetzes (§ 168 AO 1977) als Steuerverwaltungsakt i.S. des § 164 AO 1977 anzusehen und dann gegebenenfalls eben auch mit den Mängeln einer solchen Willensbekundung behaftet ist. Dies gilt aber nicht für den "Normalfall" einer Steuererklärung i.S. des § 150 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, der hier zu beurteilen ist.
All dies ergibt sich unmissverständlich aus den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften sowie der hierzu vorhandenen Rechtsprechung und Literatur, bedarf also keiner höchstrichterlichen Klärung.
b) Der Mangel, den im Streitfall die zunächst fehlende Unterschrift der Klägerin unter die Einkommensteuererklärung für 1996 mittelbar (wegen der infolgedessen fehlenden Vollmacht) für die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheids bedeutet hatte, ist, wie das FG im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, durch die wirksame Zustellung der zum angefochtenen Verwaltungsakt ergangenen Einspruchsentscheidung geheilt worden (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 7. März 1995 XI R 79/94, BFH/NV 1995, 1035, m.w.N.).
2. Ein Verfahrensmangel, der die Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO n.F. rechtfertigen könnte, liegt ebenfalls nicht vor.
- Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten ist nicht ordnungsgemäß gerügt. Er liegt im Übrigen auch nicht vor, weil das FG ausdrücklich festgestellt hat, dass die Klägerin die Steuererklärung für 1996 nicht unterschrieben hatte.
- Das Vorbringen der Klägerin in den nach Ablauf der Beschwerdefrist eingereichten Schriftsätzen vom 12. August 2001, 20. August 2001 und 16. Oktober 2001 kann nur insoweit berücksichtigt werden, als rechtzeitig mit einem Mindestmaß an Klarheit und Verständlichkeit vorgetragene Beschwerdegründe lediglich erläutert und vervollständigt werden (BFH-Beschlüsse vom 22. Oktober 1994 V B 40/94, BFH/NV 1995, 610; vom 26. Oktober 1998 X B 62/98, BFH/NV 1999, 607, ständige Rechtsprechung). Zu dem verspäteten Vorbringen bemerkt der Senat:
- Die zu Anfang des Verwaltungsverfahrens fehlende Unterschrift der Klägerin unter die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr ist nicht als Fehler des Gerichtsverfahrensrechts zu werten (dazu Gräber, a.a.O., § 115 Rz. 25 ff., m.w.N.);
- die Zusammenveranlagung von Ehegatten zur Einkommensteuer ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung kein Fall notwendiger Beiladung (§ 60 Abs. 3 FGO, Gräber, a.a.O., § 60 Rz. 101, m.w.N.). Das gilt umso mehr dann, wenn ―wie hier― die Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung des nicht klagenden Ehegatten ohne weiteres auszuschließen ist.
Von einer weiteren Begründung des Beschlusses wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO n.F.).
Fundstellen