Leitsatz (amtlich)
Überträgt der Erbbauberechtigte das Erbbaurecht deshalb auf den Grundstückseigentümer zurück oder wird das Erbbaurecht deshalb aufgehoben, weil der Erbbauberechtigte eine Bebauungspflicht, die er im Erbbaurechtsbestellungsvertrag übernommen hat oder die Geschäftsgrundlage dieses Vertrages ist, aus wirtschaftlichen Gründen nicht erfüllen kann, so kann ein Fall des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG vorliegen (Einschränkung des Beschlusses vom 26. Februar 1975 II B 44/74, BFHE 115, 149, BStBl II 1975, 418).
Normenkette
GrEStG NS § 17 Abs. 2; GrEStG 1983 § 16 Abs. 2 GrEStG 1983)
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin schloß am 31. März 1971 mit dem Bauern B einen notariell beurkundeten Erbbaurechtsvertrag. Ausweislich dieses Vertrages bestellte B an einem Grundstück ein Erbbaurecht für die Dauer von 99 Jahren. Die Klägerin war berechtigt, auf dem Grundstück ein Hotel zu errichten. Im § 2 des Erbbaurechtsvertrages war weiter bestimmt:
"Sie (die Klägerin) erklärt sich hiermit bereit, Herrn Architekten ... zusammen mit einem noch zu benennenden Architekten ihrer Wahl zu beauftragen.
Der Bauantrag für das Hotel muß bis spätestens zum 1. 8. 1971 beim Landkreis H eingereicht sein. Die Erbbauberechtigte verpflichtet sich, mit dem Bauvorhaben spätestens drei Monate nach Erteilung der Baugenehmigung zu beginnen."
Im § 7 des Erbbaurechtsvertrages wurde u. a. folgendes vereinbart:
"Falls die Erbbauberechtigte ihre Verpflichtungen auch trotz schriftlicher Mahnung innerhalb eines Monats nach der erfolgten Mahnung nicht erfüllt hat, hat der jeweilige Grundbesitzeigentümer unbeschadet seiner Befugnisse, die Einhaltung seines Vertrages zu erzwingen, das Recht, die Übertragung des Erbbaurechtes auf sich zu verlangen.
Bei Verzug mit dem Erbbauzins ist er dazu nur berechtigt, wenn wenigstens ein Jahresbeitrag rückständig ist."
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Es erließ auch gegen B als Gesamtschuldner einen Grunderwerbsteuerbescheid. B zahlte die Steuer. Sie ist ihm von der Klägerin erstattet worden.
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 1978 beantragte die Klägerin die Erstattung der Grunderwerbsteuer gemäß § 17 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes in der damals in Niedersachsen geltenden Fassung (GrEStG). Sie übersandte die Ablichtung einer notariellen Urkunde vom 2. Februar 1978, in der die Klägerin die Löschung des Erbbaurechts bewilligte und die Vertragspartner ihre Einigung erklärten, daß darüber hinaus keine gegenseitigen Ansprüche mehr beständen. Im einzelnen erklärten sie weiter, sie seien sich darüber einig, daß der Erbbaurechtsvertrag von Anfang an unwirksam sein solle. Geschäftsgrundlage des Vertrages sei die Errichtung eines größeren Hotelkomplexes gewesen. Mangels Zahlungsfähigkeit der als Bauherrin vorgesehenen R GmbH, was nicht bekannt gewesen sei, habe die Bebauung nicht mehr durchgeführt werden können. Die vorhandene Baugenehmigung sei verfallen. Die Geschäftsgrundlage sei somit von Anfang an nicht vorhanden gewesen bzw. unmittelbar nach Vertragsschluß weggefallen. Im übrigen habe B sich bei Vertragsschluß darüber geirrt, daß die Klägerin und die R GmbH nicht in der Lage gewesen seien, das Projekt durchzuführen. Deshalb habe er den Vertrag angefochten. Hilfsweise sei B gemäß § 326 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) von dem Vertrag zurückgetreten, weil die Klägerin trotz Mahnung und Fristsetzung den Erbbauzins nicht gezahlt habe.
Das FA lehnte den Erstattungsantrag ab. Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nrn. 2, 3 GrEStG seien nicht erfüllt.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage hat die Klägerin ihren Erstattungsantrag weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Erbbaurechtsvertrag sei von Anfang an als nichtig anzusehen, weil die Geschäftsgrundlage für die Durchführung des Vertrages nicht vorhanden gewesen sei. Es sei somit kein Heimfallanspruch ausgeübt worden.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und in der Urteilsbegründung die Auffassung vertreten, daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt worden seien.
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG sei schon deshalb nicht anwendbar, weil der Aufhebungsvertrag nicht innerhalb der maßgebenden Zweijahresfrist geschlossen worden sei. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG scheitere daran, daß die Voraussetzungen für eine Anfechtung des Erbbaurechtsbestellungsvertrages nicht vorgelegen hätten und der Vertrag deshalb nicht als nichtig angesehen werden könne. Insbesondere habe kein Eigenschaftsirrtum i. S. des § 119 Abs. 2 BGB vorgelegen.
Daß die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG nicht erfüllt seien, folge aus dem Beschluß des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Februar 1975 II B 44/74 (BFHE 115, 149, BStBl II 1975, 418). Dort habe der BFH in der Rückübertragung des Erbbaurechts infolge Ausübung des Heimfallrechts keine Rückgängigmachung i. S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gesehen. Im vorliegenden Fall könne nichts anderes gelten, auch wenn die Vertragspartner sich auf die Aufhebung des Erbbaurechts geeinigt hätten. Dies ändere nichts daran, daß der Grundstückseigentümer Vertragsverletzungen allein mit den Mitteln des Erbbaurechts (vor allem durch Ausübung des Heimfallrechts) hätte verfolgen können.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Die Klägerin ist berechtigt, den Anspruch auf Festsetzung des behaupteten Erstattungsbetrages gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GrEStG verfahrensrechtlich geltend zu machen, obwohl sie den Steuerbetrag seinerzeit nicht an das FA bezahlt hat. Dies folgt bereits daraus, daß gegen sie durch Bescheid vom 25. April 1972 Grunderwerbsteuer unanfechtbar festgesetzt worden ist. Wer als Steuerschuldner durch einen Steuerbescheid in Anspruch genommen wird, darf den nachträglichen Wegfall der Steuerschuld infolge Eintritts der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 GrEStG verfahrensrechtlich auch dann geltend machen, wenn die Steuer von einem anderen Gesamtschuldner gezahlt worden ist.
Eine andere, in diesem Zusammenhang nicht zu entscheidende Frage ist die, an welchen Gesamtschuldner ggf. ein Erstattungsbetrag auszuzahlen ist.
2. Im vorliegenden Fall ist entgegen der Auffassung des FG nicht auszuschließen, daß die Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Erbbaurechts durch die Klägerin gemäß § 17 Abs. 2 GrEStG (wobei dessen Nr. 1 nicht in Betracht kommt) zu erstatten ist.
In Betracht kommen dürfte in erster Linie die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG, wobei die Frage der Rückgängigmachung wegen Nichterfüllung einer Bebauungsverpflichtung bzw. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage im Vordergrund stehen wird.
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ist die Grunderwerbsteuer bei einem Rückerwerb des veräußerten Grundstücks für den vorangegangenen Erwerbsvorgang nicht zu erheben oder zu erstatten, wenn die Vertragsbedingungen des Rechtsgeschäfts, das den Anspruch auf Übereignung begründet hat, nicht erfüllt werden und das Rechtsgeschäft deshalb aufgrund des Rechtsanspruchs rückgängig gemacht wird. Vertragsbedingungen sind die Vereinbarungen des den Übereignungsanspruch begründenden Rechtsgeschäfts (vgl. die Urteile des Senats vom 23. Februar 1956 II 286/55 U, BFHE 62, 356, BStBl III 1956, 131, und vom 15. Februar 1978 II R 177/75, BFHE 124, 550, BStBl II 1978, 379). Als Gründe für die Rückgängigmachung eines Erwerbsvorganges in diesem Sinne kommen z. B. in Betracht (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 17 Tz. 64 ff., 96, m. w. N.): das Recht der Wandlung, das gesetzliche Rücktrittsrecht, der Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn sich daraus die Verpflichtung zur Rückübertragung des Grundstücks ergibt, das Wiederkaufsrecht bei Nichteinhaltung von Vertragsbestimmungen.
§ 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG gilt nicht nur bei Rückgängigmachung eines Grundstückserwerbs, sondern auch bei der Rückgängigmachung des Erwerbs eines Erbbaurechts; denn Erbbaurechte stehen gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG den Grundstücken gleich. Dies ist unproblematisch, soweit der Inhaber eines Erbbaurechts das Recht weiterveräußert hat. Tritt er z. B. gemäß §§ 326, 327 BGB wegen Verzugs des Käufers von dem Veräußerungsvertrag zurück und wird demgemäß der Erwerb des Erbbaurechts rückgängig gemacht, so ist ohne jeden Zweifel § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG anwendbar. Dieser Fall läßt sich eindeutig von dem Fall abgrenzen, daß der mit dem Verkäufer des Erbbaurechts nicht identische Grundstückseigentümer seinen Heimfallanspruch wegen rückständiger Erbbauzinsen ausübt (vgl. § 2 Nr. 4, § 9 Abs. 3 der Verordnung über das Erbbaurecht -- ErbbauV --). Im letzteren Fall wäre § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG wohl nicht anwendbar.
§ 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG ist grundsätzlich auch dann anwendbar, wenn der rückgängig gemachte Erwerbsvorgang auf einem schuldrechtlichen Vertrag beruht, der den Grundstückseigentümer zur Bestellung des Erbbaurechts verpflichtet hat und der als kaufähnlicher Vertrag zu beurteilen ist (vgl. von Oefele in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 11 ErbbauV Tz. 7). Diese Verträge weisen allerdings die zivilrechtliche Besonderheit auf, daß wegen des § 1 Abs. 4 Satz 2 ErbbauV z. B. ein Rücktritt ausgeschlossen ist, so daß für eine erforderliche zivilrechtliche Rückabwicklung nur das Rechtsinstitut des Heimfalls zur Verfügung steht (vgl. Ingenstau, Kommentar zum Erbbaurecht, 5. Aufl., § 1 Rdnr. 125; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1 ErbbauV Tz. 84). Eine sachgerechte Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf derartige Fälle darf unter diesen Umständen nicht daran scheitern, daß bei Nichterfüllung der Vertragsbestimmungen die Rückabwicklung weitgehend nur in den Formen des Heimfalls möglich ist. Andererseits fällt der Heimfall grundsätzlich nicht unter § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG. Entscheidend für die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in Ausnahmefällen wird sein, ob der Heimfallanspruch auf die Nichterfüllung von Vertragspflichten zurückgeht, die in einem schuldrechtlichen auf die Erbbaurechtsbestellung gerichteten Vertrag übernommen worden sind und die zivilrechtlich eine Hauptleistung beinhalten (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., § 17 Tz. 67 b).
Eine solche Vertragspflicht kann z. B. vorliegen, wenn der Erwerber sich gegenüber dem Besteller des Erbbaurechts zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet, auf dem ein Erbbaurecht bestellt wird, und für den Fall der Nichteinhaltung dieser Verpflichtung der Heimfall vereinbart wird oder in diesem Fall ein entsprechender Anspruch sich aus § 242 BGB ergibt. (Wegen der Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auf die Ausübung eines Wiederkaufsrechts vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., § 17 Tz. 66 unter Hinweis auf das Urteil des Reichsfinanzhofs -- RFH -- vom 19. Juli 1932 II A 19/32, RFHE 31, 214.)
Eine Bebauungsverpflichtung wird regelmäßig eine Hauptverpflichtung sein und nicht nur eine bei der Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG zu vernachlässigende Nebenverpflichtung beinhalten. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn die Bebauungsverpflichtung gemäß § 2 ErbbauV zum Inhalt des Erbbaurechts gemacht wird und damit auch gegenüber dem Sonderrechtsnachfolger gilt. Auch diese sogenannte Verdinglichung der Bebauungsverpflichtung ändert nichts daran, daß sie eine im Zusammenhang mit der Bestellung des Erbbaurechts eingegangene Hauptverpflichtung des Erbbauberechtigten sein kann und deren Nichterfüllung eine Rückgängigmachung i. S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG auszulösen vermag. Die Verdinglichung der Bebauungsverpflichtung, die ggf. mit der Eintragung des Erbbaurechts eintritt, läßt sich nicht etwa mit der Stundung des Kaufpreises vergleichen, bei der die Literatur angenommen hat, daß die Verpflichtung zur Entrichtung des Kaufpreises als erfüllt anzusehen ist, wenn der Verkäufer sich statt der Zahlung mit einer befristeten Forderung begnügt hat (Boruttau/Egly/Sigloch, a. a. O., § 17 Tz. 67).
Aus allem ergibt sich, daß bei einer Rückgängigmachung der Bestellung eines Erbbaurechts wegen Nichteinhaltung der Bebauungsverpflichtung die Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG in Betracht kommen kann. Dies gilt sowohl dann, wenn die Beteiligten wegen des § 1 Abs. 4 Satz 2 ErbbauV lediglich die Übertragung des Erbbaurechts auf den Grundstückseigentümer durchführen können, als auch dann, wenn es z. B. wegen Nichtbelastung des Erbbaurechts ohne weiteres möglich ist, durch Vereinbarung zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Erbbauberechtigten die Löschung des Erbbaurechts herbeizuführen.
Der Beschluß des Senates vom 26. Februar 1975 II B 44/74 (BFHE 115, 149, BStBl II 1975, 418), durch den allgemein ausgesprochen worden ist, es sei nicht ernstlich zweifelhaft, daß der Heimfall eines Erbbaurechts, der zur Übertragung des Rechts auf den Grundstückseigentümer selbst führe, nicht unter § 17 GrEStG falle, bedarf unter diesen Umständen der Einschränkung.
Sollte im vorliegenden Fall keine Bebauungsverpflichtung vereinbart worden sein (das FG ist dieser Auffassung, obwohl der Inhalt des Erbbaurechtsvertrages auch einen anderen Schluß zulassen könnte), so kann sich ein Übertragungsanspruch ggf. auch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ergeben.
Auf die von der Revision aufgeworfene Frage einer Anfechtung des schuldrechtlichen Erbbaurechtsbestellungsvertrages wegen eines Irrtums des B über die Bonität der Klägerin (vgl. § 119 Abs. 2 BGB) kann der Senat nicht eingehen, da weder der Vortrag der Klägerin noch die Feststellung des FG ausreichende Tatsachen enthalten, die eine rechtliche Würdigung zulassen. Unter diesen Umständen muß sich der Senat auf den Hinweis beschränken, daß entgegen der Auffassung des FG auch bei Veräußerungsverträgen das Vorliegen der Voraussetzungen des § 119 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Eigenschaften des Erwerbers nicht auszuschließen ist (vgl. hierzu Lindacher in Monatsschrift für Deutsches Recht 1977, 797).
Daß die Vertragspartner sich gütlich über die Aufhebung des Erbbaurechts geeinigt haben, steht der etwaigen Anwendung des § 17 Abs. 2 Nrn. 3 bzw. 2 GrEStG nicht entgegen. Erforderlich ist aber, daß ein Rückabwicklungsanspruch bestand, daß z. B. ein Anfechtungsgrund vorgelegen hat und das Anfechtungsrecht ohne schuldhaftes Zögern ausgeübt worden ist, bzw. daß der Anspruch auf Rückübertragung bzw. Löschung des Erbbaurechts zu Recht geltend gemacht worden ist (vgl. das Urteil des Senats vom 10. Juni 1969 II 41/65, BFHE 96, 76, 77, BStBl II 1969, 559).
Fundstellen
Haufe-Index 74726 |
BStBl II 1983, 683 |
BFHE 1984, 94 |