Leitsatz (amtlich)
Zwei aneinandergrenzende bebaute Grundstücke, von denen das eine gewerblichen und das andere privaten Zwecken dient, bilden dann eine wirtschaftliche Einhelt, wenn sie in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiet Iiegen, das auf dem prlvat genutzten Grundstück errichtete Wohnhaus nur als Wohnung des Betriebsinhabers genutzt werden kann und die Grundstücke aus baurechtlichen Gründen nur gemeinsam veräußert werden dürfen.
Normenkette
BewG 1965 §§ 2, 70 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Grundstücks in M, das in einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiet liegt. Bis zum Jahre 1975 errichtete er darauf für seinen Kfz-Handels- und Reparaturbetrieb eine Werkstatt, ein Büro, einen Kfz-Unterstand und eine Werkhalle. Mit Bescheid vom 10. September 1976 erhielt er vom Landkreis eine auf Vermessungszwecke beschränkte Bodenverkehrs- und Teilungsgenehmigung. Anschließend wurde das Grundstück für Zwecke der Vermessung in zwei Flurstücke geteilt. Die beiden Grundstücke erhielten gesonderte Grundbuchblätter.
Auf dem kleineren Flurstück errichtete der Kläger 1977 ein Einfamilienhaus, das er seitdem mit seiner Familie bewohnt. Die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus war nur unter der Voraussetzung erteilt worden, daß es sich um die Wohnung des Betriebsinhabers handele. In der Baugenehmigung heißt es dazu unter Nr. 13:
"Sollte eventuell aus Finanzierungsgründen die Abtrennung eines Teilgrundstückes einschließlich des Betriebsinhaber-Wohnhauses von dem Betriebsgrundstück beabsichtigt werden, kann die hierzu erforderliche Teilungsgenehmigung gemäß § 19 Bundesbaugesetz nur dann in Aussicht gestellt werden, wenn nachstehend aufgeführte Baulasterklärungen abgegeben worden sind:
a) Das Trenngrundstück und das seitliche Betriebsgrundstück bilden ein Baugrundstück im Sinne des § 4 Abs. 1 NBauO und Regelung über Zugang und Stellplätze.
b) Eine Veräußerung des Trenngrundstückes darf nicht für sich allein, sondern nur zusammen mit dem Betriebsgrundstück vorgenommen werden."
Eine entsprechende Baulasterklärung gab der Kläger nicht ab.
Die vom Kläger für eigene Wohnzwecke genutzte Grundstücksfläche reicht über das mit dem Einfamilienhaus bebaute kleinere Flurstück hinaus. Sie schließt sich an die hintere Hälfte des rechteckig zwischen der Straße und einem Bahnkörper gelegenen größeren Flurstücks an. Zur Straße hin ist ihr ein im Eigentum der Stadt Munster stehender Parkplatz vorgelagert. Der Zugang zum Wohngrundstück erfolgt entweder über den Parkplatz durch eine kleine Gartenpforte oder über das Gewerbegrundstück des Klägers. Das Wohngrundstück wird durch die Rückseite der Werkhalle, den Bahnkörper, den Parkplatz und das Nachbargrundstück begrenzt; es ist gärtnerisch angelegt.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) bewertete durch Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1978 das Wohnhaus und den gewerblich genutzten Teil des Grundstücks als eine wirtschaftliche Einheit -- Geschäftsgrundstück und Betriebsgrundstück -- im Sachwertverfahren.
Der Einspruch war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Es war der Auffassung, daß es sich bei den Wohnzwecken und den Betriebszwecken dienenden Grundstücksteilen um zwei wirtschaftliche Einheiten handele, da die Zweckbestimmung verschieden sei, eine eindeutige optische Abgrenzung vorliege und für das Wohnhaus ein vom Gewerbebetrieb unabhängiger Zugang vorhanden sei. Gegenüber dieser eindeutigen Trennung träte die fehlende selbständige Veräußerbarkeit in den Hintergrund.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 2 des Bewertungsgesetzes (BewG). Entgegen der Auffassung des FG sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit der Verkehrsauffassung davon auszugehen, daß nur dann zwei wirtschaftliche Einheiten vorlägen, wenn die eine wirtschaftliche Einheit unabhängig von der anderen verkauft werden könne. Dies sei hier nicht möglich, da die Teilungsgenehmigung versagt worden sei.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. a) Gemäß § 70 Abs. 1 BewG bildet jede wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ein Grundstück im Sinne des BewG. Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, bestimmt sich nach den Anschauungen des Verkehrs (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG 1965). Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 4 BewG). Dementsprechend sind neben rein objektiven auch subjektive Merkmale maßgebend. Stehen allerdings subjektive Merkmale, wie z. B. die Zweckbestimmung, im Widerspruch zu objektiven Merkmalen, wie beispielsweise der örtlichen Gewohnheit, so sind die objektiven Merkmale entscheidend (BFH-Urteil vom 16. Februar 1979 III R 67/76, BFHE 127, 58, BStBl II 1979, 279). Darüber hinaus setzt die Annahme einer wirtschaftlichen Einheit bei Wohngrundstücken voraus, daß jede wirtschaftliche Einheit für sich veräußert werden kann (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 23. Februar 1979 III R 73/77, BFHE 128, 83, BStBl II 1979, 547 mit weiteren Hinweisen).
Neben diesen Merkmalen ist es für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens grundsätzlich ohne Einfluß, ob eine Grundstücksfläche katastertechnisch verselbständigt ist und ein eigenes Flurstück bildet. Denn das bewertungsrechtliche Grundstück kann mehrere Flurstücke umfassen, es kann aber auch nur Teil eines Flurstücks sein (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 70 BewG Anm. 2.1 und 15.1).
b) Das FG ist von diesen Merkmalen, die nach § 2 Abs. 1 BewG und der Rechtsprechung des Senats für die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit des Grundvermögens gemäß § 70 BewG zu beachten sind, ausgegangen. Es beruft sich jedoch hinsichtlich des objektiven Merkmals wirtschaftliche Zusammengehörigkeit zu Unrecht auf das Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 23. Februar 1933 III A 156/32 (RStBl 1933, 787). Der RFH hat dort, ohne diese Frage zu entscheiden, darauf hingewiesen, daß der räumliche und wirtschaftliche Zusammenhang der Grundstücksteile nicht untrennbar sein dürfe. Gerade in der Veräußerungsmöglichkeit eines Grundstücksteiles offenbart sich aber die Möglichkeit der Trennung des tatsächlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Restgrundstück.
Im Gegensatz zum FG sieht der Senat im Streitfall einen Widerspruch zwischen der Zweckbestimmung, die der Kläger dem privatgenutzten Teil seines Grundstücks zugemessen hat, und dem objektiven Merkmal örtliche Gewohnheit. Nach Auffassung des erkennenden Senats wird das objektive Merkmal örtliche Gewohnheit wesentlich bestimmt durch das jeweilige Bauordnungs- und Bauplanungsrecht; denn das Bauordnungs- und Bauplanungsrecht trifft umfassende Regelungen zur Gestaltung und Nutzung der betroffenen Flächen. Bei dieser Auslegung des bewertungsrechtlichen Begriffs "wirtschaftliche Einheit" handelt es sich um die Entscheidung einer Rechtsfrage und nicht um die Würdigung der vom FG festgestellten Tatsachen, so daß der Senat insoweit an die Würdigung des FG nicht gebunden ist.
c) Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf den Streitfall an, so sind die beiden streitbefangenen Flurstücke als eine wirtschaftliche Einheit anzusehen.
Der Grundbesitz des Klägers liegt in einem durch bestandskräftigen Bebauungsplan ausgewiesenen Gewerbegebiet. In Gewerbegebieten ist die Errichtung von Wohnungen (Wohngebäuden) nur als Wohnung des Betriebsinhabers bzw. des in § 8 Abs. 3 Nr. 1 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) genannten besonderen Personenkreises zulässig. Außerdem bedarf im räumlichen Geltungsbereich eines Bebauungsplans (§ 30 des Bundesbaugesetzes -- BBauG -- i. d. F. vom 18. August 1976, BGBl I 1976, 2256) die Grundstücksteilung der Genehmigung (vgl. § 19 BBauG). Diese ist zu versagen, wenn die Teilung oder die mit ihr bezweckte Nutzung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans (vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 BBauG) oder dem Bauordnungsrecht (vgl. § 4 Abs. 3 der Niedersächsischen Bauordnung -- NBauO -- vom 23. Juli 1973, Gesetz- und Verordnungsblatt für Niedersachsen -- GVBI NS -- 1973, 259) wie im Streitfall nicht vereinbar ist.
Nach den unbestrittenen Feststellungen des FG ist eine solche Einschränkung der baulichen Nutzung als Bedingung in der bestandskräftigen Baugenehmigung des Klägers enthalten. Des weiteren stellt die Baugenehmigung die Genehmigung zur Teilung des Grundstücks nur unter der Auflage in Aussicht, daß der Kläger eine Baulasterklärung (§ 92 Abs. 1 NBauO) abgibt. Danach sollten das Trenngrundstück und das Betriebsgrundstück ein Baugrundstück i. S. des § 4 Abs. 1 NBauO bilden und die Grundstücke nur gemeinsam veräußert werden dürfen. Diese Baulasterklärung hat der Kläger nicht abgegeben. Die vom Kläger nicht erfüllte Auflage und die Bedingung stehen als öffentlich-rechtliche Hinderungsgründe nach den Verhältnissen am Stichtag einer getrennten Veräußerung des zu gewerblichen und des zu Wohnzwecken genutzten Grundbesitzes entgegen. Im Unterschied zum BFH-Urteil vom 29. November 1963 III 157/61 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Bewertungsgesetz 1934, § 2 Rechtsspruch 16; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 113) konnte der Kläger nicht davon ausgehen, daß er die erforderliche Teilungsgenehmigung doch noch erhalten werde.
3. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausging, war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 74669 |
BStBl II 1983, 552 |