Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuersatz für die Benutzung des Thermalschwimmbades in einem Kurhotel
Leitsatz (NV)
Die Nutzungsmöglichkeit eines Thermalschwimmbades in einem Kurhotel ist keine unselbständige Nebenleistung zur Hotel-Beherbergung, wenn das Thermalschwimmbad nach seiner Beschaffenheit, Größe und dem Erholungs- und Heilangebot nicht von untergeordneter Bedeutung ist und wenn der Leistungsempfänger Erstattung der ihm dafür gesondert berechneten Aufwendungen bei seiner Krankenkasse beantragen könnte.
Normenkette
UStG 1991 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 9
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in Bad A ein "Kurhotel" (Appartmenthotel) mit Thermalschwimmbad. Sie berechnete ihren Gästen neben den Entgelten für die Unterbringung und Verpflegung (obligatorisch) auch … DM täglich für die Nutzung des Thermalschwimmbades. Dies entspricht den Benutzungsentgelten für ein Thermalschwimmbad ohne Hotelanschluß in Bad A. Die Gäste konnten die Aufwendungen für die Nutzung des Thermalschwimmbades im Versicherungsfall bei ihren Krankenkassen abrechnen.
Die Klägerin meldete für das Streitjahr 1991 steuerermäßigte Umsätze durch die Benutzung des Thermalbades gegen Entgelt nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG 1991) an. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) besteuerte die bezeichneten Umsätze im Anschluß an eine Betriebsprüfung in dem angefochtenen Steueränderungsbescheid für 1991 mit dem allgemeinen Steuersatz. Das FA wies den Einspruch der Klägerin zurück.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) änderte den Steuerbescheid antragsgemäß und setzte die Steuer herab. Zur Begründung legte das FG dar, die mit der Hotelunterkunft verbundene Nutzung eines Thermalschwimmbades sei weder eine einheitliche Leistung (eigener Art) noch eine unselbständige Nebenleistung zur Hotelunterkunft. Vielmehr seien Hotelunterkunft und Zulassung zur Benutzung des Thermalbades selbständige Umsätze. Entscheidend sei, daß die Klägerin bei einer anderen Beurteilung erhebliche Wettbewerbsnachteile gegenüber kommunalen oder sonstigen Thermalbädern hätte, deren Leistungen nicht mit einer Beherbergung verbunden seien. Eine sachgerechte Trennung der Entgelte sei durch Schätzung möglich.
Das FA rügt mit der (zugelassenen) Revision Verletzung von § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 9 UStG 1991.
Die obligatorisch mit einer Beherbergung in einem Hotel verbundene Benutzung eines Thermalschwimmbades gegen Entgelt sei, so führte das FA zur Begründung der Revision aus, eine Nebenleistung zur Beherbergung im Hotel, die dem allgemeinen Steuersatz unterliege. Die Finanzverwaltung gehe in Abschn. 171 Abs. 1 Satz 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1996 (UStR 1996) davon aus, daß eine unselbständige Nebenleistung gegeben sei, wenn im Rahmen eines Hotelaufenthalts mit dem Entgelt für die Beherbergung zugleich die Benutzung eines Schwimmbades abgegolten sei, unabhängig davon, ob es auch benutzt werde.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision unter Bezugnahme auf die Vorentscheidung entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Die Entscheidung des FG, daß die Klägerin unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbades verbundene Umsätze i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1991 ausgeführt hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Die Umsatzsteuer ermäßigt sich auf 7 v.H. für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG 1991). Das FG hat festgestellt, daß die Klägerin den Benutzern ein nach Größe und Ausstattung zum Schwimmen geeignetes Schwimmbecken zur Verfügung überlassen hat. Es ist für die Steuerermäßigung unschädlich, daß das Schwimmbad mit Thermalwasser gefüllt war. Ob die Klägerin dadurch zugleich auch "Heilbäder" verabreicht hat, kann dahingestellt bleiben. Es reicht für die Steuerermäßigung aus, daß die Klägerin im Rahmen ihres Hotels umsatzsteuerrechtlich selbständig zu beurteilende Umsätze an ihre Gäste ausführte, die unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbades verbunden waren.
b) Die Klägerin hat an ihre Gäste keine einheitliche Leistung eigener Art ausgeführt, auf die der allgemeine Steuersatz anwendbar ist. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung werden selbständige Vorgänge umsatzsteuerrechtlich nur dann einheitlich betrachtet, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und als ein einheitliches Ganzes anzusehen sind. Wirtschaftlich müssen die einzelnen Leistungen so aufeinander abgestimmt sein, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten und ein selbständiges Drittes im Sinne eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs bilden (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 1. August 1996 V R 58/94, BFHE 181, 208, BStBl II 1997, 160 - Pauschalreise auf Kabinenschiffen; vom 15. September 1994 XI R 51/91, BFH/NV 1995, 553 - Seebestattung; Beschluß vom 13. März 1997 V B 120/96, BFH/NV 1997, 814 - Verlagsrecht an einem Sprachwerk). Das FG hat zutreffend darauf abgestellt, daß die Klägerin ihre Leistungen ohne weiteres auch getrennt anbieten kann. Die einheitliche wirtschaftliche Beurteilung kommt auch nicht zwingend durch eine zivilrechtliche Verknüpfung zustande (BFH-Urteil vom 8. September 1994 V R 88/92, BFHE 175, 471, BStBl II 1994, 959 - Leistungen in einem Sport- und Freizeitzentrum).
c) Das FG hat die Nutzungsmöglichkeit des Thermalschwimmbades zutreffend nicht als umsatzsteuerrechtlich unselbständige Leistung zur Hotelübernachtung beurteilt. Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung, insbesondere deren Steuersatz, teilt, setzt nach der Rechtsprechung des BFH voraus, daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und üblicherweise mit der Hauptleistung ("in ihrem Gefolge") vorkommt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14. Mai 1998 V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl II 1999, 145 - Abgabe von Speisen und Getränken in einem Kabarett; BFH in BFHE 181, 208, BStBl II 1997, 160 - Pauschalreise auf Kabinenschiffen, jeweils m.w.N.).
Damit weicht der BFH nicht von der gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung von Haupt- und Nebenleistung ab. Eine Nebenleistung liegt danach vor, wenn die Leistung für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern nur ein Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Unternehmers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, und wenn die Leistung keinen oder nur einen geringen Anteil an der Gegenleistung hat (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteile vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 - Card Protection Plan Ltd., Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1999, 157 Rdnr. 30; vom 22. Oktober 1998 Rs. C-308/96 und C-94/97 - Madgett und Baldwin, Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 38 Rdnr. 24).
Das FG hat die Nutzungsüberlassung des Thermalschwimmbades ohne Verstoß gegen die dargelegten Grundsätze nicht als unselbständige Nebenleistung, sondern als eine selbständige, dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1991 unterliegende sonstige Leistung der Klägerin beurteilt.
Dazu hat es festgestellt, daß die Bereitstellung eines Thermalschwimmbades in einem Hotel in einem bekannten Badeort nicht nebensächlich ist, weil sich hier Gäste einmieten, die die Vorzüge des Thermalbadens bequem in ihrem Hotel genießen wollen. Das Thermalschwimmbad der Klägerin ist nach den Feststellungen des FG wegen seiner Beschaffenheit, seiner Größe und seinem Erholungs- und Heilangebot auch nicht von untergeordneter Bedeutung. Die gesondert berechneten Aufwendungen für diese Leistungen konnten im Streitjahr vom Gast bei seiner Krankenkasse geltend gemacht werden; sie können seit 1993 mit der jeweiligen Krankenkasse unmittelbar abgerechnet werden.
d) Die Auffassung der Steuerverwaltung in Abschn. 171 Abs. 1 Satz 5 UStR 1996 steht dem nicht entgegen. Die Steuerermäßigung scheidet danach aus, wenn mit dem Entgelt für die Beherbergung zugleich die Benutzung des Schwimmbades ―unabhängig davon, ob es tatsächlich benutzt wird― abgegolten wird. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin erbringt an den Hotelgast mit der Bereitstellung des Thermalschwimmbades eine Leistung, für die das Entgelt gesondert in Rechnung gestellt und bei einer Krankenkasse abrechenbar ist.
2. Über die Höhe des Entgelts für die selbständigen steuerermäßigten Leistungen der Klägerin durch Einräumung der Nutzung des Thermalschwimmbades besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Sie entspricht § 10 Abs. 1 UStG 1991.
Fundstellen
Haufe-Index 56409 |
BFH/NV 1999, 1523 |
HFR 1999, 928 |