Entscheidungsstichwort (Thema)
Inländische öffentliche Kasse i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 4 lit. b EStG – Tätigkeit für private Trägerorganisationen der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit
Leitsatz (redaktionell)
- Die mittelbar aus öffentlichen inländischen Kassen finanzierten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit eines in Deutschland unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Angestellten der – privatrechtlich organisierten, aber der Aufsicht der öffentliche Hand unterstehenden – Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), der im Rahmen eines Entwicklungsprojekts in Kasachstan tätig ist, unterliegen nach dem Kassenstaatsprinzip dem deutschen Besteuerungsrecht, zumindest aber – im Falle der Kofinanzierung des Entwicklungshilfeprojekts durch Kasachstan – dem Progressionsvorbehalt.
- Der im Rahmenabkommen über die Technische Zusammenarbeit mit Kasachstan vereinbarte Steuerverzicht ist nicht als lex specialis i.S.d. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG gegenüber dem jeweiligen DBA ansehen (a.A. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 30.4.2007 5 K 2884/03, EFG 2008, 949).
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 2 Abs. 7 S. 3, § 32b Abs. 1 S. 1 Nrn. 2-4, § 34d Abs. 1 Nr. 5 S. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 4 lit. B, § 50d Abs. 8 S. 1; DBA Kasachstan Art. 4 Abs. 2 lit. a, Art. 15 Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz, S. 1 2. Halbsatz, S. 2, Abs. 2, Art. 19 Abs. 1, 4, Art. 23 Abs. 2 lit. a
Streitjahr(e)
2008
Tatbestand
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger war zunächst Ministerialbeamter und ab dem 1.3.2008 Angestellter der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Im Rahmen dieser Tätigkeit war der Kläger als entsandte Fachkraft im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit zwischen der BRD und Kasachstan mit dem Projekt Berufsbildung von Mädchen und Frauen sowie Unterstützung des Reformprozesses im Bildungssystem Kasachstans betraut. Das Projekt wurde im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Projektnummer ...) auf der Grundlage des Rahmenabkommens vom 17.2.2000 über die Technische Zusammenarbeit zwischen der BRD und Kasachstan durchgeführt.
Ihre Einkommensteuererklärung für 2008 gaben die Kläger am 4.5.2009 ab. Im Anschreiben zur Einkommensteuererklärung erläuterten sie, dass sich der gemeinsame Wohnsitz seit dem 7.4.2008 in Kasachstan befinde. Das Haus in Z-Stadt (Z-Straße) sei seit dieser Zeit unbewohnt und alarmgesichert. Soweit ein gelegentlicher Aufenthalt in Y-Stadt erforderlich werde, erfolge die Unterbringung jeweils und nachweislich in Hotels. Als Nachweis fügten die Kläger eine Abmeldung bei der Meldebehörde der Stadt Z-Stadt bei, aus der als Tag des Auszugs der 6.4.2008 hervorgeht. U.a. waren der Einkommensteuererklärung 2 Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers für 2008 beigefügt. Die erste betraf den Zeitraum 1.1. bis 31.12.2008 und wies einen steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn, ausgezahlt vom Landesamt für Besoldung NRW, von 12.166 EUR aus. Die zweite stammte von der GTZ und betraf den Zeitraum 1.3. bis 31.12.2008. Hierauf war u.a. ein steuerpflichtiger Arbeitslohn von 16.827,73 EUR sowie ein nach Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreier Arbeitslohn von 110.284,26 EUR bescheinigt. Der Einkommensteuererklärung beigefügt war des Weiteren eine Bestätigung der GTZ nach § 50d Abs. 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Darin bestätigte die GTZ, dass das Einsatzland Kasachstan nach Art. 5 des Rahmenabkommens vom 17.2.2000 von Vergütungen, die an die im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit entsandten Fachkräfte gezahlt werden, keine Steuern oder sonstige öffentliche Abgaben erhebe.
Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) veranlagte die Kläger mit Einkommensteuerbescheid vom 3.6.2009 zur Einkommensteuer. Die festgesetzte Einkommensteuer belief sich auf 7.575 EUR. Als steuerpflichtige Einkünfte erfasste das FA einen Bruttoarbeitslohn von 28.993 EUR, von dem es den Arbeitnehmer-Pauschbetrag in Höhe von 920 EUR in Abzug brachte, so dass sich eine Summe der Einkünfte von 28.073 EUR ergab. Im Rahmen des Progressionsvorbehalts bezog das FA Einkünfte in Höhe von 110.284 EUR in die Berechnung des Steuersatzes ein. Da der Bescheid unter der Adresse in Kasachstan nicht zuging, erließ das FA am 19.11.2009 einen gleichlautenden Bescheid, den es dem Bevollmächtigten der Kläger als Empfangsbevollmächtigten bekannt gab.
Dagegen legten die Kläger fristgemäß Einspruch ein. Dieser richtete sich gegen die Einbeziehung der in Kasachstan erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in den Progressionsvorbehalt. Zur Begründung führten die Kläger aus, dass sie ihren Wohnsitz in der BRD im April 2008 aufgegeben hätten und sich ihr Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt seither in Kasachstan befinde. Die unbeschränkte Steuerpflicht habe daher im April 2008 geendet. Eine Berücksichtigung der nach dem Wegzug erzielten ausländischen Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehalts scheide aus, da nur der Ansässigkeitsstaat Zugriff auf das Welteinkommen gelten...