Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtskosten als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung
Leitsatz (redaktionell)
1) Die Entscheidung, inwieweit eine Gerichtskostenforderung eine Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO oder eine Insolvenzforderung i.S. des § 38 InsO darstellt, ist im Kostenerhebungsverfahren zu treffen.
2) Der Grundsatz der Einheit der Kostenentscheidung gebietet es, die Kosten einer Instanz in solche vor oder nach Eintritt des Insolvenzverwalters in das Verfahren aufzusplitten.
3) Kosten für bereits abgeschlossene Instanzen, an denen der Insolvenzverwalter nicht mitgewirkt hat und in denen sich die Kostengrundentscheidung noch an den Gemeinschuldner richtete, sind keine Masseverbindlichkeiten.
Normenkette
GKG §§ 49, 60; InsO §§ 38, 55; FGO § 145
Tatbestand
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts H vom 26.09.2006 wurde über das Vermögen des Herrn I das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt M (Kläger) bestellt.
In Unkenntnis der Insolvenzeröffnung entschied der 11. Senat des FG Münster mit Urteil vom 10.11.2006 über eine unter dem Aktenzeichen 11 K 3207/03 F anhängige Klage des Herrn I und erlegte die Kosten des Verfahrens dem Kläger zu 71 % und dem Beklagten zu 29 % auf.
Der Insolvenzverwalter (Erinnerungsführer) legte gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde ein und machte einen Verstoß gegen § 240 ZPO, die Verletzung rechtlichen Gehörs sowie Sachaufklärungsmängel geltend. Der BFH hob daraufhin mit Beschluss vom 31.05.2007 – IV B 127/06 – das erstinstanzliche Urteil unter Hinweis auf die eingetretene Verfahrensunterbrechung auf, verwies die Sache an das Finanzgericht Münster zurück (dort erfasst unter 11 K 3283/07 F) und übertrug diesem die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Beklagte nahm den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 31.08.2007 auf. Mit Beschluss vom 29.10.2007 wurde das Rubrum des Verfahrens dahingehend berichtigt, dass als Kläger nicht mehr Herr I, sondern stattdessen Herr Rechtswalt M als Insolvenzverwalter des Vermögens des Herrn I geführt wird.
In der mündlichen Verhandlung vom 13.06.2008 erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit 11 K 3283/07 F übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich des Beschwerdeverfahrens wurden dem Kläger und dem Beklagten zu je 50 % auferlegt.
Mit Kostenrechnung vom 25.11.2008 wurden dem Insolvenzverwalter ausgehend von einem Streitwert von 3.834.273,40 EUR folgende Kosten in Rechnung gestellt:
Verfahren im Allgemeinen, Nr. 3110 KV-GKG |
50 % |
6.503,00 EUR |
Endurteil ohne Gerichtsbescheid, Nr. 3115 KV-GKG |
50 % |
16.257,50 EUR |
Zeugenentschädigung Nr. 9005 KV-GKG |
50 % |
34,00 EUR |
Dokumentenpauschale Nr. 9000 KV-GKG |
100 % |
10,00 EUR |
Reisekosten Nr. 9006 KV-GKG |
50 % |
23,23 EUR |
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22.827,73 EUR |
Hiergegen hat der Insolvenzverwalter am 09.12.2008 Erinnerung eingelegt.
Er trägt vor, dass nicht er der Kostenschuldner sei, da er sich am Verfahren – abgesehen von der gewonnenen Nichtzulassungsbeschwerde – nicht aktiv beteiligt habe. Insbesondere habe er es stets abgelehnt, das Verfahren aufzunehmen. Die Verfahrensaufnahme sei vielmehr vom Beklagten erklärt worden und die Wirksamkeit dieser Aufnahmeerklärung sei zudem zweifelhaft, da es sich bei dem vorliegenden Prozess nicht um einen Aktivprozess gehandelt habe.
Außerdem seien die festgesetzten Kosten keine Masseverbindlichkeiten, sondern Insolvenzforderungen. Zu den Insolvenzforderungen gehörten gem. § 38 InsO die Ansprüche aller Gläubiger, die einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (hier: 26.09.2006) begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hätten. Begründet i.S.d. § 38 InsO heiße lediglich, dass der Rechtsgrund für die Entstehung des Vermögensanspruchs bestehen müsse; die Forderung müsse dagegen noch nicht abschließend bezifferbar sein.
Verfahrenskosten würden als Kostenforderung das Schicksal der in der Insolvenztabelle festgestellten Hauptforderung teilen und seien somit als Insolvenzforderung anzusehen, auch wenn sie zeitlich erst nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entstanden seien (Verweis auf Beschluss des Amtsgericht B vom 26.10.2007 – 248 M … /07). Im
Streitfall gehe es um die Feststellungen der Jahre 1995 bis 1997 und damit um Zeiträume, die weit vor der Insolvenzeröffnung liegen würden. Da die aus den Feststellungen resultierenden Einkommensteuern von 1995 bis 1997 Insolvenzforderungen seien, teile die Kostenforderung ihr Schicksal und sei ebenfalls Insolvenzforderung.
Hilfsweise werde geltend gemacht, dass er – der Insolvenzverwalter – allenfalls die Kosten schulde, die auf das von ihm initiierte Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entfielen.
Soweit das Gericht die Kostenforderung als Masseverbindlichkeit einstufe, werde zudem der Einwand der Masseunzulänglichkeit erhoben. Der BGH habe mit Beschluss vom 09.10.2008 – IX ZB 129/07 (veröffentlicht u. a. in ZInsO 2008, 1204) – entschieden, dass gegen einen Insolvenzverwalter ein Kostenfestsetzungsbeschluss nicht ergehen dürfe, wenn der Insolv...