Rz. 60
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Der Entleiher haftet "neben dem Arbeitgeber" (§ 42d Abs 6 Satz 1 EStG). Seine Haftung ist akzessorisch und geht nicht weiter als die Haftung des Verleihers als ArbG. Deshalb sind sowohl die Haftungstatbestände des § 42d Abs 1 EStG (im Einzelnen > Haftung für Lohnsteuer Rz 33–54) als auch die gesetzlichen Haftungsausschlüsse des § 42d Abs 2 EStG (im Einzelnen > Haftung für Lohnsteuer Rz 55–69) sowie die Kleinbetragsgrenze in § 42d Abs 5 EStG (> Haftung für Lohnsteuer Rz 225, 226) vom FA zu beachten. Außerdem haftet der Entleiher nicht, soweit der Verleiher pauschale LSt übernommen hat, für die dieser selbst Steuerschuldner ist (vgl § 40 Abs 3 Satz 1, 2, § 40a Abs 5, § 40b Abs 5 Satz 1 EStG), also nicht ‚haftet’ (glA L/B/P/Nacke, § 42d EStG Rz 102). Nach anderer Meinung (Schmidt/Krüger, § 42d EStG Rz 67) haftet der Entleiher auch für pauschale LSt, die der Verleiher nicht entrichtet. Dem steht aber entgegen, dass die vom Verleiher pauschalierte LSt nicht etwa im Verhältnis zum Entleiher als Haftungsschuld fortbesteht; denn mit der Umwandlung der Steuerschuld des ArbN in eine pauschale Steuerschuld des ArbG (Verleihers) erlischt die erstere. Es besteht dann keine Steuerschuld des ArbN mehr, für die der Entleiher akzessorisch haften würde. Die Übernahme als pauschale LSt setzt freilich voraus, dass der Verleiher die LSt als "pauschale Lohnsteuer" bei seinem > Betriebsstätten-Finanzamt angemeldet oder das FA einen Pauschalierungs-(Steuer-)bescheid erlassen hat (im Einzelnen > Pauschalierung der Lohnsteuer Rz 1–36).
Rz. 61
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Hervorzuheben ist, dass der Entleiher grundsätzlich ebenso wie der in- oder ausländische Verleiher auch für die LSt solcher ArbN haftet, die im Inland auf Grund eines DBA nicht der Besteuerung unterliegen, wenn eine dafür erforderliche Freistellungsmitteilung als > Lohnsteuerabzugsmerkmale (vgl § 39 Abs 4 Nr 5 EStG) vom Verleiher nicht eingeholt worden ist (> Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug Rz 1 ff). Die Regelung enthält nur eine – wie diese Sachverhalte zeigen sinnvolle – Ordnungsfunktion und überdeckt nicht die materiell-rechtlichen Regelungen der DBA. Ebenso wie der Verleiher hat aber der Entleiher die Voraussetzungen der Freistellung von der inländischen Besteuerung darzulegen und trägt insoweit die Feststellungslast (> Beweislast; vgl Reinhart, BB 1986, 500). Zur Anwendung der 183-Tage-Klausel bei Leih-ArbN in neueren DBA > Rz 8.
Rz. 62
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Bei Überlassung durch einen im Ausland ansässigen Verleiher ist außerdem zu beachten, ob der im Inland – uU bei mehreren Entleihern – eingesetzte ArbN sich insgesamt weniger als 184 Tage im Inland aufhält.
Beispiel:
Der in Tschechien ansässige Verleiher (V) unterhält im Inland keine Betriebsstätte iSd DBA. Er hat dem Entleiher E den ArbN X zur Arbeitsleistung überlassen. V hat dem E – der sich gegen eine spätere Haftung absichern will – schriftlich bestätigt, dass das FA für X eine Freistellungsmitteilung erteilt hat. X ist am 20.03.01 ins Inland eingereist und hat bei E bis zum 23.07.01, also nicht länger als 183 Tage gearbeitet. Was E nicht weiß ist, dass V den X anschließend einem anderen inländischen Entleiher zur Arbeitsleistung überlassen hat, bei dem X bis zum 31.10.01 gearbeitet hat, ehe er Deutschland verlassen hat.
X hat sich insgesamt mehr als 183 Tage im Inland aufgehalten. Die Voraussetzungen einer auf der 183-Tage-Klausel des DBA (> Doppelbesteuerung Rz 28–37) beruhenden Freistellung von der Besteuerung im Inland sind nicht gegeben. Damit wird die Steuerpflicht im Inland rückwirkend begründet. Die Freistellungsmitteilung des FA steht dem nicht entgegen, denn sie gilt nur unter der > Bedingung, dass der ArbN die Voraussetzungen der 183-Tage-Klausel erfüllt (§ 120 Abs 2 Nr 2 AO). Der V muss also den LSt-Abzug noch vornehmen (§ 41c Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG) oder dem FA Anzeige erstatten (§ 41c Abs 4 EStG). Nur wenn diese Vorschrift nicht beachtet wird, haftet der Verleiher; dann allerdings auch der Entleiher E.
Rz. 63
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Wechselt der ArbN von einem Verleiher zu einem anderen und hält sich der ArbN für den 1. Verleiher nicht länger als 183 Tage, für den 1. und den 2. Verleiher aber mehr als 183 Tage im Inland auf, ist der 1. Verleiher uE nicht verpflichtet, den LSt-Abzug rückwirkend vorzunehmen; weder er noch seine Entleiher haften. Unabhängig davon unterliegen die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Inland der Besteuerung; der ArbN ist ggf zur Abgabe einer > Steuererklärung verpflichtet und wird dann vom FA veranlagt.
Rz. 64
Stand: EL 113 – ET: 09/2017
Im Haftungsverfahren gegen den Entleiher ist der Verleiher im Rahmen des § 93 AO auskunftspflichtig.