Rz. 180
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Wird der Arbeitslohn von einer im Vertragsstaat befindlichen > Betriebsstätte Rz 25 f des ArbG getragen, hat auch bei einem Aufenthalt des ArbN in dem Vertragsstaat bis zu 183 Tagen dieser ein Besteuerungsrecht als Tätigkeitsstaat (> Rz 112; sog Betriebsstättenvorbehalt). Maßgebend ist der sich aus dem jeweiligen DBA ergebende Betriebsstättenbegriff (AEAO zu § 12 Nr 4), denn das Abkommensrecht geht innerstaatlichem Recht vor (vgl § 2 Abs 1 AO; > Rz 18). Vgl ausführlich BMF vom 24.12.1999, Tz 1.2.1, BStBl 1999 I, 1076 [1081 f].
Rz. 181
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Betriebsstätte ist demnach eine ortsfeste Geschäftseinrichtung, von der aus die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Die Geschäftseinrichtung muss dem Unternehmen mit einer gewissen Beständigkeit zu dienen bestimmt sein. Einrichtungen unterstützender oder vorbereitender Art wie Warenlager oder Einkaufs- und Informationsstellen gelten wegen ihres Hilfscharakters idR nicht als Betriebsstätte (Art 5 Abs 1, 4 und 4.1 OECD-MA).
Rz. 182
Stand: EL 131 – ET: 09/2022
Bau- und Montagestellen sind nur ab einer bestimmten – in den DBA unterschiedlich festgelegten – Zeitdauer Betriebsstätten (nach OECD-MA und insoweit abweichend von der 6-Monats-Frist des § 12 Satz 2 Nr 8 AO, sofern "ihre Dauer zwölf Monate überschreitet" [Art 5 Abs 3]). Die Zeitdauer wird idR nicht auf das Kalenderjahr oder Steuerjahr begrenzt. Mit Ablauf der in den DBA bestimmten Frist gilt die Bau- oder Montagestelle ab Fristbeginn als Betriebsstätte im Vertragsstaat (vgl auch > Rz 184). Die Dauer von Bau- und Montagearbeiten an verschiedenen Orten wird grundsätzlich nicht zusammengerechnet, auch wenn die Arbeiten für denselben Auftraggeber erbracht werden; anders wenn zwischen den Bau- und Montagearbeiten ein technischer und organisatorischer Zusammenhang besteht (vgl BFH 195, 335 = BStBl 2002 II, 846; dazu BMF vom 18.12.2002, BStBl 2002 I, 1385: Erfordernis eines zeitlichen, wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhangs; ferner BFH 204, 145 = BStBl 2004 II, 932) oder das jeweilige DBA oder Protokoll – ggf auch durch entsprechende Revision – etwas anderes bestimmt.
Beispiel 17:
Ein in Großbritannien ansässiges Unternehmen führt in Deuschland ein Bauvorhaben von 10-monatiger Dauer aus. Die dabei eingesetzten, in GB ansässigen ArbN halten sich in Deutschland teils länger als 183 Tage und teils weniger als 184 Tage (vgl DBA-Wortlaut: "nicht länger als 183 Tage") im Kalenderjahr auf. Die Arbeitslöhne zahlt das britische Unternehmen zu Lasten des Gewinns aus dem Bauvorhaben.
Das britische Unternehmen ist (zwar) > Inländischer Arbeitgeber und somit grundsätzlich zum LSt-Abzug verpflichtet, denn es unterhält in Deutschland eine Betriebsstätte iSv § 12 AO, § 38 Abs 1 Satz 1 Nr 1 EStG (> Betriebsstätte). Der Steuerabzug setzt aber voraus, dass die Arbeitslöhne der in GB ansässigen ArbN nach dem DBA der Besteuerung in Deutschland unterliegen. Diese Voraussetzung ist erfüllt für ArbN, die sich länger als 183 Tage in Deutschland aufhalten. Hier hat der Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht (Art 14 Abs 2 DBA; ergänzend > Großbritannien und Nordirland). Diejenigen ArbN hingegen, die sich weniger als 184 Tage im Kalenderjahr im Inland aufhalten, sind in Deutschland mit ihren Löhnen nicht steuerpflichtig. Der in GB ansässige ArbG hat nämlich in Deutschland keine Betriebsstätte iSv Art 5 Abs 3 DBA, da die Bauausführung nicht länger als zwölf Monate dauert. Folglich werden die Arbeitslöhne nicht zu Lasten des Gewinns einer in Deutschland betriebenen Beriebsstätte abgezogen (Art 14 Abs 2 Buchst c DBA). Das britische Unternehmen darf als inländischer ArbG vom LSt-Abzug allerdings nur absehen, wenn ihm für einen bestimmten ArbN eine Freistellung als eines der > Lohnsteuerabzugsmerkmale mitgeteilt worden ist.
Beispiel 18:
a) Ein inländisches Unternehmen unterhält in der Zeit vom 01.08.2021 bis 15.06.2022 eine Baustelle in > Belgien. Ein ArbN ist während der gesamten Zeit dort tätig. Seinen inländischen > Wohnsitz behält er während der Beschäftigungsdauer bei. Der Arbeitslohn wird zu Lasten der Betriebsstätte gezahlt.
Der ArbN hat seine Arbeit während der maßgebenden Steuerjahre jeweils an weniger als 184 Tagen (vgl DBA-Wortlaut: "nicht länger als 183 Tage") im Tätigkeitsstaat Belgien ausgeübt (> Rz 147). Da aber nach dem DBA-Belgien Bauausführungen und Montagen, deren Dauer 9 Monate überschreiten, als Betriebsstätte gelten (Art 5 Abs 2 Nr 7 DBA) und der ArbN zu Lasten der Betriebsstätte entlohnt wird, hat Belgien das Besteuerungsrecht (Art 15). Unerheblich ist, dass sich die Dauer der Bauausführung über zwei Steuerjahre erstreckt.
b) Ein anderer ArbN wird auf der Baustelle in Belgien nur gelegentlich eingesetzt. Insgesamt war er dort im Jahre 2021 an 12 Tagen und im Jahre 2022 an 20 Tagen beschäftigt. Die Betriebsstätte wurde mit den anteiligen Arbeitslöhnen belastet. Das Besteuerungsrecht hat auch in diesem Fall der Tätigkeitsstaat Belgien.