Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Rz. 1052
Solange der Unternehmer keiner gesetzlichen Buchführungspflicht (§ 238 HGB; §§ 140, 141 AO) unterliegt oder nicht freiwillig Bücher führt und Abschlüsse erstellt, kann er zwischen der Einnahmenüberschussrechnung und der Buchführung wählen und somit auch freiwillig Bücher führen.
Einzelheiten zur Wahl der Gewinnermittlungsart siehe → Tz 993 ff.
Rz. 1053
Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, müssen die ihrer Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege aufbewahren (§ 147 AO). § 4 Abs. 3 EStG enthält selbst keine Verpflichtung zur Aufzeichnung von Einnahmen und/oder Betriebsausgaben. Der Steuerpflichtige trägt, trotz fehlender Aufzeichnungspflicht, die Beweislast für die Richtigkeit seiner Angaben. Kommt er dieser nicht nach, können die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 162 Abs. 1 AO erfüllt sein (BFH, Beschluss v. 13.3.2013, X B 16/12, BFH/NV 2013 S. 902).
Darüber hinaus sind aber auch Unterlagen aufzubewahren, die auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zur Besteuerung haben. So ist z. B. eine branchenspezifische Aufzeichnungspflicht (Fahrlehrer) nach § 140 AO zugleich auch eine steuerrechtliche Pflicht (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 1.4.2014, 5 K 1227/13, EFG 2014 S. 1320). Rechnungsnummern müssen nicht zwingend fortlaufend vergeben werden (FG Köln, Urteil v. 7.12.2017, 15 K 1122/16, EFG 2018 S. 375). Allgemein gilt, dass Einnahmenüberschussrechner die Erfüllung der Anforderungen an die Aufzeichnungen nach den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) zu beachten haben, wobei die Unternehmensgröße zu beachten ist (BMF, Schreiben v. 28.11.2019, IV A 4 – S 0316/19/10003:001, Rn. 15, BStBl 2019 I S. 1269). Weitere klarstellende Ausführungen finden sich im BFH, Urteil v. 12.2.2020, X R 8/18, BFH/NV 2020, S. 1045).
Rz. 1054
Einnahmen sind grds. einzeln aufzuzeichnen. Das gilt auch für Bareinnahmen. Dies kann z. B. durch Kassenberichte erfolgen. Diese sind aber nicht ordnungsgemäß, wenn sie regelmäßig durch den Steuerberater berichtigt und die Kassenbestände ersetzt werden (Niedersächsisches FG, Urteil v. 8.12.2011, 12 K 389/09, EFG 2013 S. 291). Geringfügige Mängel in der Kassenführung rechtfertigen keine weitergehenden Hinzuschätzungen (FG Münster, Urteil v. 9.3.2021, 1 K 3085/17 E, G, U, HI14441118, EFG 2021 S. 904, Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH anhängig unter Az. V B 26/21).
Eine Verpflichtung zur Führung eines Kassenbuchs für die Überschussermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht jedoch nicht (BFH, Beschluss v. 16.2.2006, X B 57/05, BFH/NV 2006 S. 940). Umstritten ist die Auffassung, dass ein Einnahmenüberschussrechner verpflichtet sein soll, monatlich die Summe seiner Ein- und Ausgangsrechnungen sowie Bank- und Kassenbelege zu ziehen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 29.11.2011, 5 K 5045/07, BFH, Urteil v. 12.12.2017, VIII R 5/14, BFH/NV 2018 S. 602, Zurückverweisung an das FG).
Folgen nicht ordnungsmäßiger Kassenführung
Bei nicht ordnungsmäßiger Kassenführung kann das Finanzamt die Einnahmen schätzen (BFH, Beschluss v. 28.4.2014, X B 12/14, BFH/NV 2014 S. 1383). Vermeiden lässt sich dies durch folgende alternative Maßnahmen:
- Einzelaufzeichnungen jeder Einnahme oder
- Aufzeichnungen von Tagessummen, dazu müssen zusätzlich z. B. Kassenstreifen aufbewahrt werden (BFH, Urteil v. 25.3.2015, X R 20/13, BFH/NV 2015 S. 1277). Außerdem muss der Kassenbestand laut Aufzeichnung mit dem tatsächlichen Bestand abgeglichen werden oder
- Fertigung täglicher Kassenberichte, bei denen die Bareinnahmen mit dem Anfangs- und Endbestand der Kasse abgestimmt werden und der Bargeld-Endbestand ausgezählt wird.
Die bloße handschriftliche Liste der täglichen Umsätze ohne Aufbewahrung weiterer Belege reicht nicht aus (BFH, Beschluss v. 13.3.2013, X B 16/12, BFH/NV 2013 S. 902; FG München, Beschluss v. 5.6.2012, 14 V 1400/12).
Die OFD Karlsruhe sowie das Landesamt für Steuern Niedersachsen haben Merkblätter zur Ordnungsmäßigkeit der Kassenbuchführung herausgegeben, die im Internet zum Download bereitstehen. Die Merkblätter informieren u. a. über die Einzelaufzeichnungspflicht und Ausnahmen, Einsatz offener Ladenkassen und elektronischer Registrierkassen, Verfahrensdokumentationen, Datenzugriffsrecht, Kassensicherungsverordnung sowie Folgen von Mängeln.
Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen
Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen v. 22.12.2016 (BGBl 2016 I S. 3152) verschärft die Anforderungen an Unternehmen, die Bargeschäfte tätigen. Die Kernpunkte sind: