Gleichlautende Ländererlasse v. 9.10.2013, BStBl I 2013, 1364
1. Allgemeines
Durch Artikel 26 Nummer 1 des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 26.6.2013 (BGBl 2013 I S. 1809, BStBl 2013 I S. 802) wurde mit § 1 Abs. 3a GrEStG ein neuer, eigenständiger Fiktionstatbestand eingeführt. Mit der Neuregelung werden insbesondere Erwerbsvorgänge mit sog. Real Estate Transfer Tax Blocker-Strukturen (RETT-Blocker) der Besteuerung unterworfen. RETT-Blocker zielten darauf ab, bei einem Rechtsträgerwechsel die grunderwerbsteuerrechtliche Zuordnung eines inländischen Grundstücks durch Zwischenschaltung einer Gesellschaft, an der ein Fremder wirtschaftlich nicht oder nur geringfügig beteiligt ist, zu verhindern.
Nach § 1 Abs. 3a GrEStG gilt als Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 GrEStG auch ein solcher, aufgrund dessen ein Rechtsträger insgesamt eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % an einer Gesellschaft innehat, zu deren Vermögen inländischer Grundbesitz gehört. Die wirtschaftliche Beteiligung kann in allen Varianten des § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklicht werden.
Folgt einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 GrEStG ein Rechtsvorgang, aufgrund dessen ein Rechtsträger erstmals eine wirtschaftliche Beteiligung in Höhe von mindestens 95 % innehat, so unterliegt dieser Vorgang der Besteuerung nach § 1 Abs. 3a GrEStG auch dann, wenn dem Erwerber der Grundbesitz der Gesellschaft bereits aufgrund des vorangegangenen Erwerbs grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Die Anrechnungsregelung des § 1 Abs. 6 GrEStG ist zu beachten.
Die Regelung gilt für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften gleichermaßen, da die neue Vorschrift bei Personengesellschaften auf die vermögensmäßige Beteiligung abstellt.
Die Grundsätze zu § 1 Abs. 3 GrEStG gelten, soweit nachfolgend nicht abweichend dargestellt, entsprechend.
2. Anwendungsbereich der Vorschrift
Gemäß § 23 Abs. 11 GrEStG ist § 1 Abs. 3a GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem 6.6.2013 verwirklicht werden. Mangels Rechtsvorgang löst daher allein das Inkrafttreten der Neuregelung keinen steuerbaren Tatbestand aus.
Sind bis zum 6.6.2013 bereits mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft wirtschaftlich im Sinne des § 1 Abs. 3a GrEStG in einer Hand vereinigt und wird diese Beteiligung nach dem 6.6.2013 ganz oder teilweise aufgestockt, kann dadurch § 1 Abs. 3a GrEStG nicht mehr verwirklicht werden. Dies gilt auch für die nach dem Überschreiten der 95 %-Grenze hinzuerworbenen Grundstücke. Die Besteuerung einer erstmaligen Verwirklichung des § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG bleibt hiervon unberührt.
Wird die wirtschaftliche Beteiligung von mindestens 95 % auf einen anderen Rechtsträger übertragen, ist § 1 Abs. 3a GrEStG verwirklicht.
Beispiel 1:
Die M-GmbH veräußert im Jahr 2014 sowohl ihre Anteile am Vermögen der grundbesitzenden T-KG als auch ihre Anteile an der X-GmbH an die Z-GmbH.
§ 1 Abs. 2a GrEStG ist bei der grundbesitzenden T-KG nicht verwirklicht. Unmittelbar sind lediglich 94,9 % der Anteile am Vermögen auf die Z-GmbH übertragen worden. Mittelbar sind ebenso lediglich 94,9 % der Anteile an der X-GmbH übertragen worden, so dass die Altgesellschafterstellung der X-GmbH erhalten bleibt.
§ 1 Abs. 3 GrEStG ist nicht einschlägig. Wegen der Beteiligung des Fremden in Höhe von 5,1 % kann der Z-GmbH der Anteil der X-GmbH an der T-KG nicht zugerechnet werden.
Die Anteilsübertragung ist aber steuerbar gemäß § 1 Abs. 3a GrEStG. Die Z-GmbH ist aufgrund der Übertragung der Anteile unmittelbar zu 94,9 % und mittelbar über die X-GmbH zu 4,834 % an der grundbesitzenden T-KG wirtschaftlich beteiligt. Die Besteuerung des Erwerbsvorgangs im Jahr 2014 wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung die veräußernde M-GmbH in Höhe von mindestens 95 % an der grundbesitzenden T-KG als wirtschaftlich beteiligt zu betrachten gewesen wäre.
Die wirtschaftliche Gesamtbeteiligung der Z-GmbH ergibt sich aus der Summe der unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen:
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Z-GmbH |
(94,9 %) |
94,90 % |
+ |
über die X-GmbH mit |
(94,9 % × 5,1 %) |
4,83 % |
= |
Wirtschaftliche Gesamtbeteiligung |
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99,73 % |
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3. Nachrangigkeit
Mit § 1 Abs. 3a GrEStG ist § 1 GrEStG um einen neuen Ergänzungstatbestand erweitert worden. § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG gehen ausdrücklich vor. D. h. die Besteuerung eines Rechtsvorgangs nach § 1 Abs. 3a GrEStG ist nur dann zu prüfen, wenn eine Besteuerung nicht bereits nach § 1 Abs. 2a oder Abs. 3 GrEStG in Betracht kommt. Die Anwendung des § 1 Abs. 3a GrEStG wird durch § 1 Abs. 2a und Abs. 3 GrEStG auch dann ausgeschlossen, wenn die Steuer nach § 1 Abs. 2a Satz 3 GrEStG oder aufgrund einer Befreiungs- oder Vergünstigungsvorschrift nicht erhoben wird.
Beispiel 2:
Die V-GmbH veräußert 100 % der Anteile an der M-GmbH an die K-GmbH.
Durch die Anteilsübertragung wird § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht, weil hierdurch insgesamt 100 % der Anteile am Vermögen der grundbesitzenden T-KG mittelbar auf neue Gesellschafter übergegangen sind.