Die flexible Art und Weise der Zusammenarbeit stellt neue Anforderungen an die Gestaltungskompetenz der Beschäftigten. Eine entscheidende Ressource ist hierfür die Zeitkompetenz. Zeitkompetenz ist die Handlungsfähigkeit, die es einer Person ermöglicht, selbstorganisiert und kreativ in bestimmten Situationen Zeit zu nutzen, um auch in ungewissen Situationen Ziele zu erreichen. Zeitkompetenz setzt sich im Arbeitskontext aus folgenden drei Faktoren zusammen:
- Individuell externe Faktoren
- Individuell interne Faktoren
- Betriebliche Faktoren
Zu den individuell externen Faktoren zählen beispielsweise kulturspezifische soziale Zeiten, wie das gemeinsame Treffen an bestimmten Feiertagen oder Familienfeiern. Individuell interne Faktoren betreffen den eigenen zeitlichen Tagesablauf, die persönliche Arbeitsgeschwindigkeit oder die eigenen Zeitstrategien. Dies können Tools zur Zeitplanung sein oder die Berücksichtigung des persönlichen Chronotyps. Manche Menschen planen wiederum sehr genau die zukünftigen Aktivitäten, andere lassen Dinge auf sich zukommen und reagieren tendenziell spontan.
Die betriebliche Zeitorganisation bezieht sich auf die Gestaltung der Arbeits- und Betriebszeiten und die gelebte Zeitkultur im Unternehmen. Sie wird durch zahlreiche Maßnahmen beeinflusst. Selbstbestimmte Arbeitszeitgestaltung kann die Zeitkompetenz fördern, sofern die Rahmenbedingungen stimmen. Eine betriebliche Zeitkultur die z. B. informell vorgibt, dass vor 19 Uhr abends keiner das Büro verlässt, schränkt die individuelle Zeitkompetenz ein. Förderlich sind dagegen gute Kommunikationsstrukturen sowie verlässliches Prozessfeedback. Führungskräfte, die regelmäßigen Kontakt zum Team pflegen und zur Erledigung anstehender Arbeitspakete realistische Zeitspielräume schaffen, unterstützen die Zeitkompetenz im Team. Im Rahmen des Bundesprojektes vlead wurden fünf zentrale Gestaltungsansätze zum Aufbau von Zeitkompetenz im virtuellen Arbeitsumfeld identifiziert:
- Selbstdisziplin oder Selbstregulation ist erforderlich für den zeitlichen Überblick und schützt vor Ablenkung und Reizüberlastung.
- Segmentierungsstrategien helfen, die Arbeit von anderen Lebensbereichen abzugrenzen. Für manche Beschäftigten ist eine klare Trennung zwischen Arbeitszeit und Privatzeit sehr wichtig. Zunehmend wird jedoch auch nach einer integrierenden Arbeitsstrategie mit fließenden Übergängen gearbeitet, d. h. während der Arbeitszeit können private Dinge erledigt werden, dafür finden nach dem Abendessen noch dienstliche Gespräche statt. Die klassische Entgrenzung zwischen Beruf und Privatem wird nicht als Vorteil angesehen.
- Proaktive Kommunikation im Team und mit Führungskräften unterstützt den Kontakt und Austausch untereinander. Im virtuellen Umfeld (z. B. Homeoffice) sind die Impulse "E-Daily" und "E-Talk" oder "E-Coffee" für Gespräche zum aktuellen Status sehr willkommen und können nach gemeinsam festgelegten Regeln das spontane Gespräch in der Teeküche ersetzen.
- Selbststrukturierung hilft, den Überblick von komplexen Aufgaben zu behalten. Hierfür bieten sich gemeinsame Softwarelösungen an (z. B. Sharepoint). Das Konzept der Selbstführung fokussiert den Prozess in einer Person, sich selbst auf eine bestimmte Art zu beeinflussen, um Ziele zu erreichen.
- Zeitplantechniken unterstützen bei einer effizienten Zeitnutzung. So können beispielsweise im Unternehmen Terminkalender geteilt werden und Zeiten für ungestörtes Arbeiten eingetragen werden.
Insgesamt sind es im Kontext eines guten Arbeitszeitmanagements verschiedene Strategien der Zeitkompetenz, die präventiv und proaktiv eine positive Wirkung auf die Leistungsfähigkeit sowie die Gesundheit der Beschäftigten haben und somit auch die Produktivität im Unternehmen stärken. Je nach Unternehmen und individuellen Interessen der Beschäftigten ist es das Funktionieren der organisationalen förderlichen Rahmenbedingungen auf der Verhältnisebene mit den individuellen Ressourcen auf der Verhaltensebene.