Leitsatz
Zu der im Rahmen der Entscheidung über den unbegrenzten Abzug der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zu betrachtenden gesamten betrieblichen Betätigung rechnet auch der in einem festen, außerhalb des Arbeitszimmers befindlichen Gebäude untergebrachte eigentliche Betrieb.
Sachverhalt
Ein Steuerpflichtiger begehrt den Abzug von Betriebsausgaben für ein Arbeitszimmer in tatsächlich nachgewiesener Höhe. Zur Begründung führt er an, das Arbeitszimmer bilde den Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung. Dort wird eigenen Angaben zufolge die gesamte Personalplanung für eine selbst betriebene Tankstelle, das gesamte Warenbestandsmanagement, die Prüfung der Tagesabrechnungen sowie die Abrechnungen für die Monatskunden, Prüfung und Verwaltung des "Electronic-Cash" vorgenommen, soweit dies nicht bereits vor Ort erfolge, sowie die Planung und Vorbereitung von Werbeaktionen. Bezüglich der Wochenarbeitszeit fallen nach Angaben des Steuerpflichtigen durchschnittlich 34 Wochenstunden für den Tankstellenbetrieb an, die im Büro erledigt wurden und nur 2 Wochenstunden in der Tankstelle selber, um u.a. die erforderliche Waren- und Personalkontrollen durchzuführen.
Entscheidung
Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 1 und 2 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht als Betriebsausgaben abziehen, es sei denn, dass die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v. H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder dass ihm für seine betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 HS. 1 der Vorschrift (in der hier maßgeblichen Fassung) die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1 250 EUR begrenzt; die Beschränkung der Höhe nach gilt nur dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift). Der Begriff "Mittelpunkt der gesamten (...) Betätigung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Dieser ist nach dem inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunkt der betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen zu beurteilen und im Wege einer Wertung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen festzustellen, wobei im Rahmen dieser Wertung dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers lediglich eine indizielle Bedeutung zukommt. Dem Wortlauf des § 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3 HS. 2 EStG zufolge kommt es für die Mittelpunktsprüfung nicht darauf an, wo der Steuerpflichtige im konkreten Einzelfall seine Tätigkeit erbringt, sondern darauf, wo sich der (objektive) Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung befindet. Zu der "gesamten betrieblichen Betätigung" eines Steuerpflichtigen rechnet damit nicht nur das häusliche Arbeitszimmer, sondern auch eine feste externe Betriebsstätte und vor allem der eigentliche Betrieb, wenn dieser - wie im vorliegenden Fall - außerhalb des Arbeitszimmers durch ein festes Betriebsgebäude lokalisiert ist und dort auch die eigentliche betriebliche Leistung erbracht wird. Selbst wenn dort nur Angestellte arbeiten sollten und sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen vor Ort auf Kontrollen beschränkt, ist der externe lokalisierte Betrieb Bestandteil der "gesamten betrieblichen Betätigung" des Steuerpflichtigen. Ausgehend von diesen Grundsätzen bildet eine Tankstelle den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung, weil dort für jeden Dritten erkennbar die eigentliche betriebliche Leistung z.B. durch Verkauf von Mineralstoffen und Waren im Tankstellen-Shop erbracht wird. Wo die hierzu erforderlichen administrativen Tätigkeiten erledigt werden, ist demgegenüber sekundär.
Hinweis
Bildet nicht der Büro eines Steuerpflichtigen den Mittelpunkt der betrieblichen Betätigung, sondern die vom Steuerpflichtigen betriebene Tankstelle, unterliegen die Aufwendungen für die Fahrten vom häuslichen Arbeitszimmer zur Tankstelle der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG (vgl. BFH, Beschluss v. 16.12.1998, IV B 42/98, BFH/NV 1999 S. 615 mit weiteren Hinweisen). Abzuwarten bleibt, ob der BFH ebenso entscheiden wird, weil die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wurde (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 01.10.2003, 1 K 2530/02