Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Sachbearbeiterin in Lohn- und Gehaltsbuchhaltung
Leitsatz (amtlich)
„Gründliche und umfassende” Fachkenntnisse im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 1 des BMT-AW II erfordern gegenüber „gründlichen und vielseitigen” Fachkenntnissen gemäß dem „Klammerzusatz” zu dieser Tarifbestimmung lediglich alternativ eine Steigerung der Tiefe oder der Breite nach. Diese Anforderungen an die Steigerung sind geringer als bei den vergleichbaren Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT, die kumulativ eine Steigerung der Tiefe und der Breite nach erfordern.
Normenkette
BMT-AW 2 § 22; Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) vom 1. November 1977 i.d.F. vom 1. Januar 1995 Teil I A 1 VergGr. V b Fallgruppe 1, VergGr. IV b Fallgruppe 1; TVG § 1 Tarifverträge: Arbeiterwohlfahrt
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 6. Mai 1997 - 13 TaBV 119/96 - wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Der antragstellende Arbeitgeber begehrt die gerichtliche Ersetzung der von dem am Verfahren beteiligten Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung der als Sachbearbeiterin in der Lohn- und Gehaltsabrechnung eingesetzten Arbeitnehmerin B.
Auf die Arbeitsverhältnisse der bei dem Antragsteller beschäftigten Arbeitnehmer findet der Bundesmanteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt nebst ihn ändernden oder ergänzenden oder ersetzenden Regelungen (BMT-AW II) Anwendung.
Die Verwaltung des Antragstellers ist, soweit es hier interessiert, wie folgt gegliedert: Die der Bezirksgeschäftsführung unterstellte Hauptabteilung I – Personalwesen – wird geleitet von einem Abteilungsleiter und einer stellvertretenden Abteilungsleiterin. Diese Hauptabteilung ist ihrerseits in zwei Referate gegliedert, nämlich das Referat „Eingruppierung/Tarifrecht/Arbeitsverträge” und das Referat „Arbeitsrecht/EDV/interne Dienste”. Der Referatsleiterin des zweiten Referats sind wiederum drei „Koordinatorinnen” unterstellt. Diese sind ihrerseits unmittelbar Fachvorgesetzte für die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen der Lohn- und Gehaltsabrechnung.
Die Arbeitnehmerin B. ist eine der dort tätigen Sachbearbeiterinnen. Sie war zuletzt in die bis zum 31. Dezember 1994 geltende VergGr. V b Fallgruppe 4 des Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale zum BMT-AW II Teil I A „Geschäftsstellen und Verwaltung” eingruppiert. Ab 1. Januar 1995 traten Neufassungen der Vergütungsgruppenmerkmale in Kraft. Sie lösten die bisherigen Regelungen ab, so daß eine neue Eingruppierung auch der Angestellten B. nach dem BMT-AW II und den ab 1. Januar 1995 geltenden Vergütungsgruppen erforderlich ist.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 1994 bat der Arbeitgeber den Betriebsrat unter Vorlage der einschlägigen Stellenbeschreibung um Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin B. in die VergGr. V b BMT-AW II. Er billigte dem Betriebsrat anstelle der einwöchigen Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG eine datumsmäßig nicht bestimmte angemessen längere Frist zur Erklärung zu. Anschließend führten die Beteiligten mehrere Gespräche mit dem Ziel einer einvernehmlichen Regelung. Mit Schreiben vom 21. Februar 1995 „widersprach” der Betriebsrat der beabsichtigten Eingruppierung mit der Begründung, die Angestellte B. sei in der VergGr. IV b eingruppiert, da sie nicht nur „gründliche und vielseitige” Fachkenntnisse bei der ihr zugewiesenen Tätigkeit einsetzen müsse, sondern darüber hinaus auch „gründliche und umfassende” Fachkenntnisse. Hierfür genüge bereits eine Steigerung der Fachkenntnisse der Tiefe oder der Breite nach.
Mit dem am 15. Dezember 1995 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Arbeitgeber die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. stelle keinen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Vielmehr müsse die Tätigkeit in sieben verschiedene Arbeitsvorgänge aufgegliedert werden, und zwar:
1. |
Arbeiten im Zusammenhang mit Neueinstellungen … |
30,0 % |
2. |
Arbeiten zur Erstellung der monatlichen Buchungen … |
29,0 % |
3. |
Arbeiten im Zusammenhang mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses … |
3,7 % |
4. |
Täglich anfallende Arbeiten … |
22,5 % |
5. |
Monatsabschlußarbeiten … |
2,1 % |
6. |
Vierteljährliche Arbeiten … |
0,4 % |
7. |
Jährliche Arbeiten … |
12,0 % |
Auf eine genaue Bestimmung der Arbeitsvorgänge und die auf die einzelnen Aufgaben entfallenden zeitlichen Anteile an der Gesamtarbeitszeit komme es jedoch letztlich nicht an; kein denkbarer Arbeitsvorgang erfülle die Tätigkeitsmerkmale der vom Betriebsrat für einschlägig erachteten VergGr. IV b BMT-AW II. Der Arbeitnehmerin B. werde kein vertieftes Wissen der in den Gesetzen und Verordnungen enthaltenen Regelungen abverlangt. Es werde weder die Kenntnis rechtlicher Zusammenhänge noch die Verwertung gerichtlicher Entscheidungen in eigener Gedankenarbeit gefordert. Vielmehr bestünden die zu erledigenden Tätigkeiten in ständig wiederkehrenden gleichartigen Arbeiten. Die Arbeitnehmerin B. habe keine Zweifelsfragen unter Beachtung des Gesetzeswortlauts, des Gesetzeszusammenhangs und unter Berücksichtigung eines groben Überblicks über die einschlägige Rechtsprechung und Literatur zu lösen. Die Klärung strittiger Fragen und die Lösung sämtlicher auftretender Probleme obliege den Koordinatorinnen. Zudem würden die Sachbearbeiterinnen laufend durch sog. SB-Mitteilungen und die Dienstbesprechungen über alle zu beachtenden neuen oder geänderten Vorschriften unterrichtet. Darüber hinaus seien den Sachbearbeiterinnen auch nicht in dem tariflich geforderten Umfang Tätigkeiten übertragen, die „selbständige Leistungen und die damit verbundenen Entscheidungen” erforderten.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Annette B. ab 1. Januar 1995 in die VergGr. V b des Tarifvertrags über die Tätigkeitsmerkmale zum Bundesmanteltarifvertrag (BMT-AW II) für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt I A Allgemeine Tätigkeitsmerkmale 1. Geschäftsstellen und Verwaltung zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag des Arbeitgebers zurückzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. erfülle die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die VergGr. IV b. Die vom Arbeitgeber vorgenommene Gliederung in sieben verschiedene Arbeitsvorgänge sei falsch. Die Tatsache, daß Frau B. unter der Geltung des früheren Tarifvertrags in der Vergütungsgruppe eingruppiert gewesen sei, die „gründliche, umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen” erforderte, sei ein Indiz dafür, daß die nunmehr vorgesehene Eingruppierung tarifwidrig sei. Die Eingruppierung der Arbeitnehmerin B. in der VergGr. IV b folge daraus, daß nach dem Klammerzusatz zur Fallgruppe 1 dieser Vergütungsgruppe eine Steigerung der Fachkenntnisse alternativ nur der Tiefe oder der Breite nach, nicht aber kumulativ der Tiefe und der Breite nach erforlich sei.
Die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. erfordere umfassende Fachkenntnisse. Sie verlange eine aufbauende Fortbildung oder Weiterbildung. Auch müsse eine Fülle von Rechtsvorschriften bekannt sein und angewendet werden. Schließlich erfülle die Arbeitnehmerin B. auch das Merkmal „selbständige Leistungen und die damit verbundenen Entscheidungen”. Das Vorhandensein von übergeordneten Koordinatorinnen, denen die schwierigen Fälle vorzulegen seien, widerspreche nicht der Annahme einer durchgängig selbständigen Tätigkeit, da diese Koordinatorinnen keine Vorgesetzten seien. Ihnen sei vielmehr nur die Entscheidungsbefugnis in Grenzbereichen zugeordnet; sie werde nur in relativ seltenen Fällen in Anspruch genommen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Antragstellers stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit dieser erstrebt der Betriebsrat weiterhin die Zurückweisung des Antrags des Antragstellers. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Arbeitnehmerin B. sei gemäß § 22 Abs. 1 BMT-AW II nach dem Tarifvertrag über die Tätigkeitsmerkmale in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeit der gesamten, von dem Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit entspreche. Gemäß § 22 Abs. 2 BMT-AW II entspreche die gesamte auszuübende Tätigkeit dann den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllten. Nach der Protokollnotiz zu § 22 Abs. 2 BMT-AW II sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis des Arbeitnehmers, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führten. Im vorliegenden Fall könne es dahinstehen, in wieviele Arbeitsvorgänge mit welchem Zuschnitt die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. aufzugliedern sei, da sie die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. IV b BMT-AW II bei keinem denkbaren Zuschnitt erfülle. Sie erfordere nämlich keine umfassenden Fachkenntnisse im Sinne der VergGr. IV b, sondern nur gründliche und vielseitige Fachkenntnisse im Sinne der VergGr. V b, da sie reine Routinesachbearbeitung beinhalte.
II. Dies hält der Rechtsbeschwerde stand.
1. Es bedurfte der Ersetzung der Zustimmung. Die in Rede stehende Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats ist rechtlich beachtlich. Sie ist ordnungsgemäß und innerhalb der verlängerten Frist erklärt worden (vgl. BAG Beschlüsse vom 18. Januar 1994 - 1 ABR 42/93 - BAGE 75, 253, 256 = AP Nr. 1 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung sowie vom 17. Mai 1983 - 1 ABR 5/80 - AP Nr. 18 zu § 99 BetrVG 1972 = EzA § 99 BetrVG 1972 Nr. 36).
2. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der Angestellten B. in die VergGr. V b BMT-AW II ist zu Recht ersetzt worden (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
a) Die Eingruppierung der unter den BMT-AW II fallenden Arbeitnehmer, hier der Angestellten B., in den tariflichen Vergütungsgruppen richtet sich nach der gesamten, vom Arbeitnehmer nicht nur vorübergehend auszuübenden Tätigkeit.
b) Für die Eingruppierung der Angestellten B. kommt es auf die folgenden Tarifbestimmungen an:
„Vergütungsgruppe VI:
1. Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche oder vielseitige Fachkenntnisse erfordern.
(Gründliche Fachkenntnisse sind solche, wie sie üblicherweise durch eine abgeschlossene tätigkeitsbezogene Berufsausbildung erworben werden. Die Vielseitigkeit ist gegeben, wenn die Angestellte Tätigkeiten in mindestens zwei abgrenzbaren Arbeitsgebieten zu erledigen hat, die jedes für sich Fachkenntnisse erfordern).
Vergütungsgruppe V c:
1. Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern.
(Die Vielseitigkeit ist gegeben, wenn die Angestellte Tätigkeiten in mindestens zwei abgrenzbaren Arbeitsgebieten zu erledigen hat, die jedes für sich Fachkenntnisse erfordern, oder sie ergibt sich aus dem Erfordernis weiterer Berufserfahrung, Berufsfortbildung oder der Aneignung zusätzlicher Kenntnisse im jeweiligen Sachgebiet).
Vergütungsgruppe V b:
1. Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie in nicht unerheblichem Umfang selbständige Leistungen und die damit verbundenen Entscheidungen erfordern.
(Das Erfordernis der selbständigen Leistungen und der damit verbundenen Entscheidungen liegt dann vor, wenn das Erreichen des jeweiligen Arbeitsergebnisses nicht durch Einzelanweisung gelenkt oder kontrolliert wird. Das Fehlen der Unterschriftsbefugnis im Sinne der Außenvertretung steht dem nicht entgegen. Der Umfang der Tätigkeiten ist dann nicht unerheblich, wenn er mindestens 1/3 ausmacht).
Vergütungsgruppe IV b:
1. Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche und umfassende Fachkenntnisse sowie in nicht unerheblichem Umfang selbständige Leistungen und die damit verbundenen Entscheidungen erfordern.
(Gründliche und umfassende Fachkenntnisse bedeuten gegenüber gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen eine Steigerung der im jeweiligen Arbeitsvorgang anzusetzenden Fachkenntnisse der Tiefe oder der Breite nach. Mit der Anforderung an diese Tätigkeiten ist ein entsprechendes Maß an Verantwortung verbunden).
c) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht dahinstehen lassen, ob die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. zum Zweck der Eingruppierung in Arbeitsvorgänge aufzuteilen ist, weil es – zu Recht – angenommen hat, die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. erfordere bei jedweder Aufteilung in Arbeitsvorgänge keine umfassenden Kenntnisse im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 1 BMT-AW II.
3.a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde erfüllt die Tätigkeit der Angestellten B. nur die Anforderungen der VergGr. V b Fallgruppe 1 BMT-AW II, nämlich gründliche und vielseitige Fachkenntnisse sowie in nicht unerheblichem Umfang selbständige Leistungen und die damit verbundenen Entscheidungen.
b) Nach dem Klammerzusatz zu der VergGr. VI sind gründliche Fachkenntnisse solche, wie sie üblicherweise durch eine abgeschlossene tätigkeitsbezogene Berufsausbildung erworben werden. Vielseitige Fachkenntnisse sind nach dem Klammerzusatz zur VergGr. V c dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer Tätigkeiten in mindestens zwei abgrenzbaren Arbeitsgebieten zu erledigen hat, die jedes für sich Fachkenntnisse erfordern. Sie können sich aber auch aus dem Erfordernis weiterer Berufserfahrung, Berufsfortbildung oder der Aneignung zusätzlicher Kenntnisse im jeweiligen Sachgebiet ergeben. Das Landesarbeitsgericht hat ohne nähere Prüfung angenommen, die Eingruppierung der Arbeitnehmerin B. in der VergGr. V b erfordere keine der dort über die vielseitigen Fachkenntnisse der VergGr. VI bis V b hinausgehenden umfassenden Fachkenntnisse. Angesichts der Tatsache, daß die Parteien übereinstimmend von dem Vorliegen der Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b ausgehen und damit eine pauschale Überprüfung ausreicht, sind dieses Vorgehen des Landesarbeitsgerichts wie auch sein Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. BAG Urteil vom 17. August 1994 - 4 AZR 644/93 - AP Nr. 183 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit auch keine Rügen.
4.a) Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, erfordert die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. jedoch keine „gründlichen und umfassenden Fachkenntnisse” im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 1 BMT-AW II.
Die Tarifvertragsparteien fordern mit diesem Merkmal gegenüber den „gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen” der niedrigeren Vergütungsgruppen VI, V c und V b Fallgruppe 1 BMT-AW II eine Steigerung der Tiefe oder der Breite nach. „Gründliche und umfassende Fachkenntnisse” müssen nach dem Klammerzusatz zu der VergGr. IV b Fallgruppe 1 gegenüber den Merkmalen der „gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse” eine qualitative oder eine quantitative Steigerung aufweisen. Diese Anforderungen des BMT-AW II sind zwar geringer als die der vergleichbaren Vergütungsgruppen der Anlage 1 a zum BAT, die eine Steigerung der Breite und der Tiefe nach fordern. Die Tätigkeit der Klägerin erfüllt aber auch nicht diese geringeren Anforderungen.
b) Ein gegenüber den gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen hinsichtlich der Breite oder auch der Tiefe nach gesteigertes Wissen erfordert die Tätigkeit nur, wenn über die nähere Kenntnis der erforderlichen Bestimmungen hinaus rechtliche Zusammenhänge erkannt oder wichtige gerichtliche Entscheidungen nicht nur übernommen, sondern in eigener Gedankenarbeit verwertet werden müssen. Ein Fachwissen, das sich auf Tatbestände und deren Zusammenhänge beschränkt, reicht dagegen für analysierende, zur Entscheidung auch von Zweifelsfällen notwendige Denkvorgänge, wie sie für gründliche und umfassende Fachkenntnisse erforderlich sind, nicht aus (vgl. BAG Urteil vom 10. Dezember 1997 - 4 AZR 221/96 - AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Dies gilt im Ansatz auch dann, wenn – wie hier – die Steigerung der Fachkenntnisse nur in einer Hinsicht gefordert wird.
c) Das Landesarbeitsgericht ist vom zutreffenden Rechtsbegriff der gründlichen und umfassenden Fachkenntnisse in diesem Sinne ausgegangen und hat ihn auch bei seiner Subsumtion beibehalten. Es ist ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze und bei Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Tatumstände im Rahmen seines insoweit bestehenden Beurteilungsspielraums in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Angestellten B. geschuldeten Tätigkeiten wohl gründliche und „vielseitige”, nicht aber gründliche und „umfassende” Fachkenntnisse im Sinne des in Rede stehenden Eingruppierungsmerkmals verlangen. Es liegen keine Tatsachen und Umstände vor, aus denen zu folgern wäre, daß die Angestellte B. Tätigkeiten zu leisten hat, für deren Erledigung die alternativ geforderte Steigerung ihrer Fachkenntnisse entweder der Tiefe oder der Breite nach erforderlich ist. Der festgestellte Sachverhalt bietet keinen Anhaltspunkt, um erkennen zu können, inwieweit die Tätigkeit der Angestellten B. eine der alternativ ausreichenden Steigerungen der Fachkenntnisse erfordern könnte. Vielmehr spricht der unstreitige Umstand, daß die Sachbearbeiterinnen bei schwierigen Sachverhalten die Koordinatorinnen einzuschalten haben, erheblich gegen die Möglichkeit, annehmen zu können, bereits auf der Ebene der Sachbearbeiter könnten gründliche und umfassende Fachkenntnisse erforderlich sein. Der bloße Umstand, daß die hier in Rede stehende Fassung des Tarifvertrags insoweit geringere Anforderungen stellt als seine frühere Fassung oder als der BAT, ändert hieran nichts.
Das Verfahren war auch unter diesem Gesichtspunkt nicht zum Zwecke weiterer Sachverhaltsaufklärung und -feststellung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Vielmehr hat das Landesarbeitsgericht alle insoweit erheblichen Umstände im Rahmen des § 90 Abs. 2 i.V.m. § 83 Abs. 1 ArbGG erforscht und bei seiner Subsumtion berücksichtigt.
d) Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Landesarbeitsgericht habe keinen Beweis über den Umfang der Tätigkeit der Koordinatorinnen erhoben, sondern sich hierzu allein auf die Stellenbeschreibung berufen, ist unerheblich. Selbst wenn sich die „Zuziehung der Koordinatorinnen auf Ausnahmefälle beschränkt”, besagt dies nicht, daß von den Sachbearbeiterinnen allgemein oder auch nur von der Angestellten B. Fachkenntnisse im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 1 BMT-AW II verlangt werden, die gegenüber denen der VergGr. V b Fallgruppe 1 BMT-AW II der Tiefe oder der Breite nach gesteigert wären. Für die Frage der erforderlichen Kenntnisse ist nicht entscheidend, wie oft die Koordinatorinnen eingeschaltet werden, sondern in welchen Fällen dies geschieht und – gemessen an den tariflichen Anforderungen hinsichtlich der von den Sachbearbeiterinnen verlangten Fachkenntnisse – geschehen darf.
III. Die Zustimmung des Antragsgegners zu der beabsichtigten Eingruppierung der Arbeitnehmerin B. in die VergGr. V b BMT-AW II ist nach alledem zu Recht ersetzt worden.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Schneider, Valentien, Kralle
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.11.1998 durch Bartel, Reg.-Hauptsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436199 |
BB 1999, 910 |
RdA 1999, 359 |
ZTR 1999, 317 |
AP, 0 |
PersR 1999, 185 |